Wem schlägt die Stunde der Gunst?
"Erben ist leicht erwerben", lautet ein altes Sprichwort. Und weil eine dicke Erbschaft der einfachste Weg zu Wohlstand ist, sind der Erben Tränen oft nur ein verstecktes Lachen. Doch in der Realität gestaltet sich das Erben keineswegs immer angenehm und einfach.
Nicht selten gibt es schon beim Leichenschmaus erbitterten Streit um das Vermächtnis, kommt es zu tiefen Zerwürfnissen in Familien, wo es bislang – scheinbar - harmonisch zuging. Verträge helfen zwar sich zu vertragen, manchmal schafft ein Testament aber auch neuen Streit. Prozesse werden geführt, sodass es am Ende einträglich nur für die juristische Zunft, den lachenden Dritten ausgeht. Manchmal hinterlässt der Verstorbene aber auch mehr Schulden als Vermögen, sodass man die Erbschaft besser ausschlägt, statt sie anzutreten.
Der letzte Wille quält manchen Erblasser schon lange vorher: Ist es richtig, allen gleich viel zu hinterlassen? Ist es nicht gerechter, jedem das zu geben, was er braucht? Wie stehe ich überhaupt zu meinen Verwandten und Freunden? Das Erben und Vererben schafft ökonomische, juristische, aber auch psychologische Fragen. Zu Wort kommen in dieser Langen Nacht vom Erben Notare, Erblasser und Psychologen mit Geschichten aus dem Leben und der Literatur - rund um den letzen Willen.
"SZ: Was sagt Ihr älterer Sohn dazu, wenn ihm vom Erbe weniger bleibt?
Krämer : Mir hat ein Bekannter eine schöne Geschichte erzählt. Dessen Sohn fragte ihn: Warum soll ich eigentlich Erbschaftssteuer zahlen? Du hast doch dein gesamtes Geld versteuert und wenn ich es kriege, warum soll ich noch mal etwas abgeben? Daraufhin hat der Vater gesagt: Mein lieber Sohn, die Steuern habe ich bezahlt und was ich mit dem versteuerten Geld mache, ob ich es verprasse oder verschenke, das ist meine Entscheidung. Wenn du es erbst, zahlst du das allererste Mal Steuern und was kannst du dafür, mein Sohn und Erbe zu sein."
Aus einem Interview der Süddeutschen Zeitung am 23. Juli 2010 mit Peter Krämer – weiterlesen ...
"Der Gründer der dm-Drogeriemarktkette Götz Werner vererbt sein Unternehmen nicht seinen sieben Kindern. Stattdessen habe er seine Anteile in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht, sagte er in einem Interview. Eltern müssten nicht für den lebenslangen Wohlstand ihrer Nachkommen sorgen. ... Kinder hätten einen Anspruch einen guten Start ins Leben, "aber nicht darauf, dass Eltern für den lebenslangen Wohlstand ihrer Nachkommen sorgen."
Weiterlesen ...
"Der Spruch "Sterben macht Erben" klingt in seiner gereimten Bündigkeit einigermaßen lustig, doch weiß man aus Erfahrung oder jedenfalls vom Hörensagen, dass danach manchmal schnell Schluss mit lustig ist. Oft schon wurde um das, was nach dem Sterben übrig war, vor Gericht so lange gestritten, bis sich alles in Luft aufgelöst hatte. Abzüglich der Honorare für die jeweiligen Anwälte, versteht sich. Immerhin entsteht aus solchen Zwistigkeiten in aller Regel kein Schaden für Dritte."
Lesen Sie weiter:Alles für ein Linsengericht. Wie Jakob seinem Bruder Esau das Erbe und seinem Vater den Segen abluchste
Testament, handgeschrieben und unterschrieben reicht
"Serviette, Bierdeckel, was auch immer. Handgeschrieben und unterschrieben sind die einzigen beiden Voraussetzungen für ein Testament, die das Gesetz wirklich festlegt. Wenn ich mehrere Testamente mache, ist es natürlich gut zu wissen, welches das neueste ist, deshalb empfehle ich, ein Datum drauf zuschreiben. ... Wir haben immer mehr Fälle, wo wir maschinengeschriebene Testamente bekommen, die dann unterschrieben sind. Das ist schade, weil die unwirksam sind. Zählt überhaupt nicht!"
Andreas Wolff, Fachanwalt für Erbrecht, Mannheim
Wer erbt was in Deutschland?
"Vermögen ist die Grundlage für Erbschaften. Und hier sieht es so aus, dass die unteren 40 Prozent der Gesellschaft über überhaupt kein Vermögen verfügen, die oberen zehn Prozent der Bevölkerung über ungefähr 40 Prozent des Vermögens verfügen. Und entsprechend sind Erbschaften ungleich verteilt. Das heißt, wenn wir von Erbschaften sprechen, dann gibt es eine ganz kleine Gruppe von Erben viel erbt. man kann davon ausgehen, dass ungefähr ein Prozent der Erbenbeträge um eine Million Euro oder darüber erbt. Und dann gibt es noch eine Gruppe in der oberen Mittelschicht, wo es um Erbschaften um 100.000 Euro und etwas mehr geht. Aber eben ein Großteil der heutigen Generation geht leer aus."
Prof. Jens Beckert, Direktor des Max Planck Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln
(schrieb: Unverdientes Vermögen. Soziologie des Erbrechts, Ffm 2004)
mailto:beckert@mpifg.de
Die Erbschaft und das Sozialamt
"Auch in dem Fall hat das Sozialamt eine Rechnung aufgemacht, was seit dem Sterbefall an Sozialhilfeleistungen gezahlt worden ist. Bei dieser Erbschaft handelte es sich um eine Summe von 26.000 Euro, - was an Sozialhilfe in der Zeit geleistet worden ist, war etwas geringer, sodass der Betreuten tatsächlich etwas mehr übrig geblieben ist. Aber dadurch ist dann auch die Sozialhilfe eingestellt worden, bis wiederum der Betrag des Schonvermögens von 2600 Euro übrig blieb. ...
Da ist dann Bitterkeit da, ich finde auch diese Grenze von 2600 Euro deutlich zu niedrig angesetzt, zumal davon auszugehen ist, dass da nicht hinzugespart werden kann,, meist ist dieses Geld während weniger Monate aufgebraucht."
Franz-Josef Schumacher-Stark, Vorsitzender des Vereins Kölner Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer über Erbschaftsfragen bei Sozialhilfeempfängern
Erbschaftsstreit schlichten
"Aus therapeutischer Sicht muss ich sagen, dass es auch um Kleinigkeiten geht. Hier muss man beachten, welche Stellung die Kinder innerhalb der Familie haben und ... wie die Eltern auf die Kinder geschaut haben, wo sie sie unterstützt haben. ... Da gibt es schon graduelle Unterschiede ... wenn zum Beispiel ein Erblasser kein Testament gemacht hat und da gibt es wertvolle Stücke im Haus. z. .B. wertvolles Porzellan. Darüber gab es in meiner Praxis mal einen heftigen Streit, wer dieses Porzellan bekommt, wer war geschätzter vom Vater. Da kam die Position rein, der Papa hat mir das versprochen und der Papa hatte das dem anderen auch versprochen und da war der Konflikt auf dem Tisch."
Thomas Dahmen, Therapeut und Mediator, München
Der Nachlassdetektiv
Wenn innerhalb von 30 Jahren sich kein Erbe meldet, fällt das Vermögen an den Staat - es sei denn Henning Schröder, Erbenermittler mit Firmensitz in Gummersbach, löst den Fall.
Wenn Henning Schröder erfährt, dass ein Nachlass auf seine Erben wartet, beginnt er auf Standesämtern zu fahnden, wühlt in Kirchenbüchern. Er versucht familiäre Spuren über Adressbücher zu rekonstruieren, verfolgt Familienstammbäume über Generationen zurück. Macht Henning Schröder einen oder mehrere Erben ausfindig, geht ein Viertel des Nachlasses an ihn, schließlich braucht er oft jahrelang, um Verwandte des Verstorbenen zu ermitteln. Und unzähligen Menschen hat er schon zu einem unverhofften Geldsegen verholfen.
"Wir haben zum Beispiel ein Büro in Berlin und die Mitarbeiter sind ständig bei den Stadtgerichten unterwegs und wir prüfen dort den Gerichtsaushang ... . Und dann bekommen wir auch viele Nachlässe von den Nachlasspflegern mitgeteilt."
Henning Schröder, Internationale Erbenermittlung, Gummersbach
Wie erbten die Menschen früher? Erbregelungen auf einem Bauernhof
"Es gibt auch Fälle, dass die jungen Leute zwar Land bekommen, aber keine Arbeitsgeräte, deswegen dann gegen Lohn auch auf dem Hofteil der Eltern wirtschaften müssen. Das ist für die jüngere Generation nicht immer einfach, optimale Bedingungen herauszuhandeln, was dann zu Streitigkeiten führt, wenn dann statt drei Hühnern nur zwei an die Altbauern geliefert werden, weniger Butter oder Getreide als vereinbart. ... Es gab Nutzungsrechte zwischen Alt- und Jungbauern, da war es wichtig, wer den Schlüssel zu was hat, zu welcher Kammer, über welche Bettwäsche, Textilien, wer kann über die Speisekammer verfügen, also die Schlüssel spielen eine wichtige Rolle - die Schlüsselrolle sozusagen."
Dr. Karin Gottschalk, Historikerin, Universität Frankfurt
k.gottschalk@em.uni-frankfurt.de
Kulturelles und politisches Erbe
"Man kann auch Schuld sozusagen von der vorhergehenden Generation vererbt bekommen, das ist etwas was, gerade in der deutschen Kultur eine große Rolle spielt, nach 1945 die Schuld der Väter, da ist immer wieder von Erblasten gesprochen worden, ... das hat mit ökonomischem Erbe zunächst einmal nicht so viel zu tun, kann aber miteinander verknüpft sein, zum Beispiel die komplizierten Geschichten der Flick-Erben - Flick ist durch Arisierung und durch Geschäftemacherei während der Nazi-Zeit reich geworden - und die Kinder und Enkel versuchen mit dem Ungetüm solchen Erbes und mit der Schuld, die an diesem Erbe haftet, umzugehen, indem sie zum Beispiel Stiftungen gründen und Ähnliches."
Prof. Dr. Ulrike Vedder, Kultur- und Literaturwissenschaftlerin, Humboldt Universität
ulrike.vedder@rz.hu-berlin.de
Nachfolge in Familienunternehmen, Frauen nicht gefragt?
Helga Breuninger dass der Vater und Firmeninhaber, ihr als Frau die Führung de es Familienunternehmens nicht zutraute und die Nachfolge lieber einer Stiftung übertrug.
"Ich denk, mein Vater hatte eine panische Angst vor Schwiegersöhnen, dass die dann eigentlich die Herrscher sind. Und er konnte sich nicht vorstellen, dass man Familie und Beruf vereinbaren kann."
Heute leitet Helga Breuninger ist mit dieser Erfahrung - Zurücksetzung als Frau - offensiv umgegangen. Sie hat eine Beraterfirma aufgebaut, die sich auch und gerade auf das Thema Nachfolge in Familienunternehmen konzentriert.
Helga Breuninger
Freiwillige Vermögensabgabe: Reiche, die auf ihr Erbe verzichten wollen
Dieter Lehmkuhl stammt aus einer Unternehmerfamilie, erbte ein Vermögen: Er war ein 'geborener Gewinner':
"Ich bin sicher reich, für mich war's nicht ganz einfach, ich komm ja aus der 68er-Bewegung. Und wir haben ja immer gesagt, Kapital, Geld arbeitet nicht. Und das war natürlich ursprünglich ein Widerspruch, plötzlich Geld zu haben. Was arbeitet. Das kommt ursprünglich aus Unternehmertätigkeit. Meine Familie hatte zwei, drei Generationen zurück eine kleine Brauerei. Die zehn Prozent Reichsten besitzen in Deutschland 60 Prozent des Gesamtvermögens. Ich glaube, es ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, dass die soziale Spaltung zwischen Arm und Reich ein großes Thema ist, was die politische Agenda auch weiter bestimmt. Unsere Forderung ist zweimal fünf Prozent, jetzt auf die nächsten zwei Jahre verteilt von dem Betrag des Gesamtvermögens, der über 500000 Euro hinaus geht. Das heißt, wenn jemand ein Vermögen von einer Million hat, dann muss er zehn Prozent von 500.000 abgeben, das sind 50000 innerhalb von zwei Jahren."
Dr. Dieter Lehmkuhl, Berliner Sozialpsychiater im Ruhestand, ist Mitinitiator der "Initiative zum Appell für eine Vermögensabgabe", für die sich in Deutschland 37 wohlhabende Männer und Frauen einsetzen. Die Initiative will damit die Einkommensschere zwischen Arm und Reich verringern, den sozialen Frieden sichern und für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen.
Dieter Lehmkuhl, Arzt im Ruhestand, Berlin
Das Erbrecht reformieren
"Das Erbrecht, so wie es ursprünglich angelegt war, ... hatte eine echte Unterhaltsfunktion. Dahinter stand, dass seinerzeit die Erblasser nicht sehr alt wurden, es kam also recht häufig vor, dass Kinder unversorgt zurückblieben, weil beide Eltern nicht mehr lebten. Meiner eigenen Mutter ist es so ergangen, beide Eltern starben innerhalb eines halben Jahres, als meine Mutter zehn Jahre alt war. In diesen Fällen tritt also das Erbteil an die Stelle der Vermögensmasse, aus der die Eltern die Kinder unterhalten haben. Diese Unterhaltsfunktion verliert aber immer mehr an Bedeutung, je älter die Erblasser werden und damit auch je älter die Erben werden. Wenn heute eine Frau durchschnittlich 85 Jahre alt wird, und ein Mann 80 Jahre, nur mal als Annäherungswerte, dann sind deren Kinder beim Erbfall 60 bis 65 Jahre alt, diese Kinder in Anführungsstrichen brauchen nichts mehr um unterhalten zu werden, die haben längst ihr Leben selbst gestaltet, längst eine Versorgung aufgebaut, das heißt der eigentliche Sinn der Weiterversorgung der Familie ist durch die demografische Entwicklung, vor allem auch durch die gesundheitliche Entwicklung, dass die Menschen so lange leben, sozusagen obsolet geworden."
Lore Maria Peschel-Gutzeit, Rechtsanwältin, ehemalige Justizsenatorin in Hamburg und Berlin beratend tätig in der Rechtsanwaltskanzlei Kärgel de Maizière
Es gibt kein Recht auf Erbe!
"Es gibt kein Recht auf Erbe. Und wie Eltern ihr Erbe weitergeben, ist allein ihre Sache. Ob sie es durchbringen, ob sie es alles einem schenken, ob sie es gerecht verteilen, ist erst einmal deren Sache, und das muss einer aus der jüngeren Generation erst einmal verkraften, wie es zum Beispiel bei uns in der Familie ist, mein Bruder hat vom Vater das Haus bekommen, und ich wurde gefragt, ob ich etwas dagegen habe, und ich habe gesagt, was soll ich dagegen haben, das ist deine Sache, wie du das regelst. Es gibt dann ab und zu einen kleinen Pieks, dass man denkt, das hätte ich vielleicht auch gut gebrauchen können, aber es ist gut, zu sagen, nein - es gibt kein Recht auf Erbe."
Arist von Schlippe, Familientherapeut, Inhaber des Lehrstuhls "Führung und Dynamik von Familienunternehmen" an der Universität Witten-Herdecke
mailto:schlippe@uni-wh.de
Der letzte Wille quält manchen Erblasser schon lange vorher: Ist es richtig, allen gleich viel zu hinterlassen? Ist es nicht gerechter, jedem das zu geben, was er braucht? Wie stehe ich überhaupt zu meinen Verwandten und Freunden? Das Erben und Vererben schafft ökonomische, juristische, aber auch psychologische Fragen. Zu Wort kommen in dieser Langen Nacht vom Erben Notare, Erblasser und Psychologen mit Geschichten aus dem Leben und der Literatur - rund um den letzen Willen.
"SZ: Was sagt Ihr älterer Sohn dazu, wenn ihm vom Erbe weniger bleibt?
Krämer : Mir hat ein Bekannter eine schöne Geschichte erzählt. Dessen Sohn fragte ihn: Warum soll ich eigentlich Erbschaftssteuer zahlen? Du hast doch dein gesamtes Geld versteuert und wenn ich es kriege, warum soll ich noch mal etwas abgeben? Daraufhin hat der Vater gesagt: Mein lieber Sohn, die Steuern habe ich bezahlt und was ich mit dem versteuerten Geld mache, ob ich es verprasse oder verschenke, das ist meine Entscheidung. Wenn du es erbst, zahlst du das allererste Mal Steuern und was kannst du dafür, mein Sohn und Erbe zu sein."
Aus einem Interview der Süddeutschen Zeitung am 23. Juli 2010 mit Peter Krämer – weiterlesen ...
"Der Gründer der dm-Drogeriemarktkette Götz Werner vererbt sein Unternehmen nicht seinen sieben Kindern. Stattdessen habe er seine Anteile in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht, sagte er in einem Interview. Eltern müssten nicht für den lebenslangen Wohlstand ihrer Nachkommen sorgen. ... Kinder hätten einen Anspruch einen guten Start ins Leben, "aber nicht darauf, dass Eltern für den lebenslangen Wohlstand ihrer Nachkommen sorgen."
Weiterlesen ...
"Der Spruch "Sterben macht Erben" klingt in seiner gereimten Bündigkeit einigermaßen lustig, doch weiß man aus Erfahrung oder jedenfalls vom Hörensagen, dass danach manchmal schnell Schluss mit lustig ist. Oft schon wurde um das, was nach dem Sterben übrig war, vor Gericht so lange gestritten, bis sich alles in Luft aufgelöst hatte. Abzüglich der Honorare für die jeweiligen Anwälte, versteht sich. Immerhin entsteht aus solchen Zwistigkeiten in aller Regel kein Schaden für Dritte."
Lesen Sie weiter:Alles für ein Linsengericht. Wie Jakob seinem Bruder Esau das Erbe und seinem Vater den Segen abluchste
Testament, handgeschrieben und unterschrieben reicht
"Serviette, Bierdeckel, was auch immer. Handgeschrieben und unterschrieben sind die einzigen beiden Voraussetzungen für ein Testament, die das Gesetz wirklich festlegt. Wenn ich mehrere Testamente mache, ist es natürlich gut zu wissen, welches das neueste ist, deshalb empfehle ich, ein Datum drauf zuschreiben. ... Wir haben immer mehr Fälle, wo wir maschinengeschriebene Testamente bekommen, die dann unterschrieben sind. Das ist schade, weil die unwirksam sind. Zählt überhaupt nicht!"
Andreas Wolff, Fachanwalt für Erbrecht, Mannheim
Wer erbt was in Deutschland?
"Vermögen ist die Grundlage für Erbschaften. Und hier sieht es so aus, dass die unteren 40 Prozent der Gesellschaft über überhaupt kein Vermögen verfügen, die oberen zehn Prozent der Bevölkerung über ungefähr 40 Prozent des Vermögens verfügen. Und entsprechend sind Erbschaften ungleich verteilt. Das heißt, wenn wir von Erbschaften sprechen, dann gibt es eine ganz kleine Gruppe von Erben viel erbt. man kann davon ausgehen, dass ungefähr ein Prozent der Erbenbeträge um eine Million Euro oder darüber erbt. Und dann gibt es noch eine Gruppe in der oberen Mittelschicht, wo es um Erbschaften um 100.000 Euro und etwas mehr geht. Aber eben ein Großteil der heutigen Generation geht leer aus."
Prof. Jens Beckert, Direktor des Max Planck Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln
(schrieb: Unverdientes Vermögen. Soziologie des Erbrechts, Ffm 2004)
mailto:beckert@mpifg.de
Die Erbschaft und das Sozialamt
"Auch in dem Fall hat das Sozialamt eine Rechnung aufgemacht, was seit dem Sterbefall an Sozialhilfeleistungen gezahlt worden ist. Bei dieser Erbschaft handelte es sich um eine Summe von 26.000 Euro, - was an Sozialhilfe in der Zeit geleistet worden ist, war etwas geringer, sodass der Betreuten tatsächlich etwas mehr übrig geblieben ist. Aber dadurch ist dann auch die Sozialhilfe eingestellt worden, bis wiederum der Betrag des Schonvermögens von 2600 Euro übrig blieb. ...
Da ist dann Bitterkeit da, ich finde auch diese Grenze von 2600 Euro deutlich zu niedrig angesetzt, zumal davon auszugehen ist, dass da nicht hinzugespart werden kann,, meist ist dieses Geld während weniger Monate aufgebraucht."
Franz-Josef Schumacher-Stark, Vorsitzender des Vereins Kölner Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer über Erbschaftsfragen bei Sozialhilfeempfängern
Erbschaftsstreit schlichten
"Aus therapeutischer Sicht muss ich sagen, dass es auch um Kleinigkeiten geht. Hier muss man beachten, welche Stellung die Kinder innerhalb der Familie haben und ... wie die Eltern auf die Kinder geschaut haben, wo sie sie unterstützt haben. ... Da gibt es schon graduelle Unterschiede ... wenn zum Beispiel ein Erblasser kein Testament gemacht hat und da gibt es wertvolle Stücke im Haus. z. .B. wertvolles Porzellan. Darüber gab es in meiner Praxis mal einen heftigen Streit, wer dieses Porzellan bekommt, wer war geschätzter vom Vater. Da kam die Position rein, der Papa hat mir das versprochen und der Papa hatte das dem anderen auch versprochen und da war der Konflikt auf dem Tisch."
Thomas Dahmen, Therapeut und Mediator, München
Der Nachlassdetektiv
Wenn innerhalb von 30 Jahren sich kein Erbe meldet, fällt das Vermögen an den Staat - es sei denn Henning Schröder, Erbenermittler mit Firmensitz in Gummersbach, löst den Fall.
Wenn Henning Schröder erfährt, dass ein Nachlass auf seine Erben wartet, beginnt er auf Standesämtern zu fahnden, wühlt in Kirchenbüchern. Er versucht familiäre Spuren über Adressbücher zu rekonstruieren, verfolgt Familienstammbäume über Generationen zurück. Macht Henning Schröder einen oder mehrere Erben ausfindig, geht ein Viertel des Nachlasses an ihn, schließlich braucht er oft jahrelang, um Verwandte des Verstorbenen zu ermitteln. Und unzähligen Menschen hat er schon zu einem unverhofften Geldsegen verholfen.
"Wir haben zum Beispiel ein Büro in Berlin und die Mitarbeiter sind ständig bei den Stadtgerichten unterwegs und wir prüfen dort den Gerichtsaushang ... . Und dann bekommen wir auch viele Nachlässe von den Nachlasspflegern mitgeteilt."
Henning Schröder, Internationale Erbenermittlung, Gummersbach
Wie erbten die Menschen früher? Erbregelungen auf einem Bauernhof
"Es gibt auch Fälle, dass die jungen Leute zwar Land bekommen, aber keine Arbeitsgeräte, deswegen dann gegen Lohn auch auf dem Hofteil der Eltern wirtschaften müssen. Das ist für die jüngere Generation nicht immer einfach, optimale Bedingungen herauszuhandeln, was dann zu Streitigkeiten führt, wenn dann statt drei Hühnern nur zwei an die Altbauern geliefert werden, weniger Butter oder Getreide als vereinbart. ... Es gab Nutzungsrechte zwischen Alt- und Jungbauern, da war es wichtig, wer den Schlüssel zu was hat, zu welcher Kammer, über welche Bettwäsche, Textilien, wer kann über die Speisekammer verfügen, also die Schlüssel spielen eine wichtige Rolle - die Schlüsselrolle sozusagen."
Dr. Karin Gottschalk, Historikerin, Universität Frankfurt
k.gottschalk@em.uni-frankfurt.de
Kulturelles und politisches Erbe
"Man kann auch Schuld sozusagen von der vorhergehenden Generation vererbt bekommen, das ist etwas was, gerade in der deutschen Kultur eine große Rolle spielt, nach 1945 die Schuld der Väter, da ist immer wieder von Erblasten gesprochen worden, ... das hat mit ökonomischem Erbe zunächst einmal nicht so viel zu tun, kann aber miteinander verknüpft sein, zum Beispiel die komplizierten Geschichten der Flick-Erben - Flick ist durch Arisierung und durch Geschäftemacherei während der Nazi-Zeit reich geworden - und die Kinder und Enkel versuchen mit dem Ungetüm solchen Erbes und mit der Schuld, die an diesem Erbe haftet, umzugehen, indem sie zum Beispiel Stiftungen gründen und Ähnliches."
Prof. Dr. Ulrike Vedder, Kultur- und Literaturwissenschaftlerin, Humboldt Universität
ulrike.vedder@rz.hu-berlin.de
Nachfolge in Familienunternehmen, Frauen nicht gefragt?
Helga Breuninger dass der Vater und Firmeninhaber, ihr als Frau die Führung de es Familienunternehmens nicht zutraute und die Nachfolge lieber einer Stiftung übertrug.
"Ich denk, mein Vater hatte eine panische Angst vor Schwiegersöhnen, dass die dann eigentlich die Herrscher sind. Und er konnte sich nicht vorstellen, dass man Familie und Beruf vereinbaren kann."
Heute leitet Helga Breuninger ist mit dieser Erfahrung - Zurücksetzung als Frau - offensiv umgegangen. Sie hat eine Beraterfirma aufgebaut, die sich auch und gerade auf das Thema Nachfolge in Familienunternehmen konzentriert.
Helga Breuninger
Freiwillige Vermögensabgabe: Reiche, die auf ihr Erbe verzichten wollen
Dieter Lehmkuhl stammt aus einer Unternehmerfamilie, erbte ein Vermögen: Er war ein 'geborener Gewinner':
"Ich bin sicher reich, für mich war's nicht ganz einfach, ich komm ja aus der 68er-Bewegung. Und wir haben ja immer gesagt, Kapital, Geld arbeitet nicht. Und das war natürlich ursprünglich ein Widerspruch, plötzlich Geld zu haben. Was arbeitet. Das kommt ursprünglich aus Unternehmertätigkeit. Meine Familie hatte zwei, drei Generationen zurück eine kleine Brauerei. Die zehn Prozent Reichsten besitzen in Deutschland 60 Prozent des Gesamtvermögens. Ich glaube, es ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, dass die soziale Spaltung zwischen Arm und Reich ein großes Thema ist, was die politische Agenda auch weiter bestimmt. Unsere Forderung ist zweimal fünf Prozent, jetzt auf die nächsten zwei Jahre verteilt von dem Betrag des Gesamtvermögens, der über 500000 Euro hinaus geht. Das heißt, wenn jemand ein Vermögen von einer Million hat, dann muss er zehn Prozent von 500.000 abgeben, das sind 50000 innerhalb von zwei Jahren."
Dr. Dieter Lehmkuhl, Berliner Sozialpsychiater im Ruhestand, ist Mitinitiator der "Initiative zum Appell für eine Vermögensabgabe", für die sich in Deutschland 37 wohlhabende Männer und Frauen einsetzen. Die Initiative will damit die Einkommensschere zwischen Arm und Reich verringern, den sozialen Frieden sichern und für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen.
Dieter Lehmkuhl, Arzt im Ruhestand, Berlin
Das Erbrecht reformieren
"Das Erbrecht, so wie es ursprünglich angelegt war, ... hatte eine echte Unterhaltsfunktion. Dahinter stand, dass seinerzeit die Erblasser nicht sehr alt wurden, es kam also recht häufig vor, dass Kinder unversorgt zurückblieben, weil beide Eltern nicht mehr lebten. Meiner eigenen Mutter ist es so ergangen, beide Eltern starben innerhalb eines halben Jahres, als meine Mutter zehn Jahre alt war. In diesen Fällen tritt also das Erbteil an die Stelle der Vermögensmasse, aus der die Eltern die Kinder unterhalten haben. Diese Unterhaltsfunktion verliert aber immer mehr an Bedeutung, je älter die Erblasser werden und damit auch je älter die Erben werden. Wenn heute eine Frau durchschnittlich 85 Jahre alt wird, und ein Mann 80 Jahre, nur mal als Annäherungswerte, dann sind deren Kinder beim Erbfall 60 bis 65 Jahre alt, diese Kinder in Anführungsstrichen brauchen nichts mehr um unterhalten zu werden, die haben längst ihr Leben selbst gestaltet, längst eine Versorgung aufgebaut, das heißt der eigentliche Sinn der Weiterversorgung der Familie ist durch die demografische Entwicklung, vor allem auch durch die gesundheitliche Entwicklung, dass die Menschen so lange leben, sozusagen obsolet geworden."
Lore Maria Peschel-Gutzeit, Rechtsanwältin, ehemalige Justizsenatorin in Hamburg und Berlin beratend tätig in der Rechtsanwaltskanzlei Kärgel de Maizière
Es gibt kein Recht auf Erbe!
"Es gibt kein Recht auf Erbe. Und wie Eltern ihr Erbe weitergeben, ist allein ihre Sache. Ob sie es durchbringen, ob sie es alles einem schenken, ob sie es gerecht verteilen, ist erst einmal deren Sache, und das muss einer aus der jüngeren Generation erst einmal verkraften, wie es zum Beispiel bei uns in der Familie ist, mein Bruder hat vom Vater das Haus bekommen, und ich wurde gefragt, ob ich etwas dagegen habe, und ich habe gesagt, was soll ich dagegen haben, das ist deine Sache, wie du das regelst. Es gibt dann ab und zu einen kleinen Pieks, dass man denkt, das hätte ich vielleicht auch gut gebrauchen können, aber es ist gut, zu sagen, nein - es gibt kein Recht auf Erbe."
Arist von Schlippe, Familientherapeut, Inhaber des Lehrstuhls "Führung und Dynamik von Familienunternehmen" an der Universität Witten-Herdecke
mailto:schlippe@uni-wh.de