Wem gehört Nofretete?
Der Kopf einer Ratte und der eines Hasen waren einem chinesischen Kunsthändler 31 Millionen Euro wert. Jedenfalls hat er diese Summe Ende Februar geboten, als die beiden Bronzefiguren in Paris versteigert werden sollten. Doch zahlen wollte er dann nicht.
Er wollte lediglich verhindern, dass jemand anderer sie kauft. Die Franzosen sollten sie freiwillig an China zurückgeben. Denn sie hätten diese Kunstwerke mal gestohlen. In einem der Opiumkriege. Doch die liegen 150 Jahre zurück. Längst waren die beiden Tierköpfe in den Kunsthandel geraten. Der Modezar Yves Saint-Laurent hatte sie jedenfalls rechtmäßig erworben.
Und sein Lebenspartner Pierre Bergé, der wusste, was diese Kunstwerke den Chinesen bedeuteten, wollte sie denen sogar schenken – wenn das Land die allgemeinen Menschenrechte beachtete und Tibet dem Dalai Lama zurückgäbe. Zu solchen Späßen passt nun auch das vorläufige Ende dieser Geschichte: Der noch vor kurzem so kecke chinesische Kunsthändler Cai Mingchao hat gerade in diesen Tagen kleinlaut zugegeben, erstens kein Geld mehr zu haben, zweitens unter dem Spott seiner Kollegen zu leiden und drittens habe er auch nie im Auftrage seiner Regierung gehandelt.
Andere Regierungen sind da wesentlich aktiver und einfallsreicher – die Griechen beispielsweise. Die haben im vergangenen Jahr Archäologen und Museumsdirektoren aus der ganzen Welt in ein halbfertiges Museum am Fuße der Akropolis eingeladen. Im obersten Geschoss des Hauses wurde den Experten ein großer Raum gezeigt, in dem bald schon der vollständige Parthenon-Fries zu sehen sein sollte. Doch die glanzvolleren Partien dieses Frieses sind seit fast 200 Jahren im British Museum zu bewundern. Und sie tragen den sehr englischen Titel „Elgin Marbles“. Die nach ihm benannten Marmor-Reliefs hatte Lord Elgin, damals britischer Botschafter im Osmanischen Reich, demontieren und nach London schaffen lassen. Seither fordern die Griechen sie immer wieder zurück. Vergeblich. Die Marmorwerke werden Steine des Anstoßes bleiben.
So wie die Büste der Nofretete in Berlin. Am 16. August soll sie im gerade wieder fertig gestellten Neuen Museum einen prächtigen, ihren endgültigen Standort beziehen. Endgültig? Die Ägypter sind da, meldete kürzlich der „Spiegel“, immer noch ganz anderer Ansicht. Sie wollen die 48 Zentimeter hohe Skulptur ihrer Königin wieder im Lande haben. Weil sie damals von deutschen Archäologen bewusst getäuscht worden seien. Damals – das war 1912, als Ludwig Borchert und sein Team das bemalte Kunstwerk im Wüstensand Amarnas gefunden hatten. Die Hälfte seiner Funde sollte er nach Berlin mitnehmen dürfen, die andere Hälfte sollte im Lande verbleiben. Und – die Ägypter mussten der Auswahl zustimmen.
Damals hatten sie den Franzosen Gustave Lefevre zum Chef der Altertumsbehörde in Amarna gemacht. Doch dem sei „vermogeltes Material“ untergeschoben worden – wie es in einem Bericht geheißen hatte, der zwölf Jahre später, also 1924 verfasst worden ist. Die kostbare Kalksteinbüste sei als bloße Gipsplastik aufgeführt worden, verriet nun der „Spiegel“. Und Zahi Hawass, der Generalsekretär des Obersten Antiquitätenrates von Ägypten, freute sich über die „großartige Nachricht“ – und forderte erneut die Rückgabe der Nofretete.
Merkwürdig sei es, findet nun Dietrich Wildung, der Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin und somit Hausherr der Nofretete, dass solche Geschichten immer von Deutschland ausgingen. Seine ägyptischen Kollegen hätten dann jedesmal, aufgestachelt von den Medien ihres Landes, keine andere Wahl als mal wieder die Rückführung der Skulptur zu fordern. Die offizielle Haltung Ägyptens ist jedenfalls vor etwa zwei Jahren vom ägyptischen Botschafter in Berlin, von Mohammed Al Orabi formuliert worden – charmant, aber auch unmissverständlich: „Die Nofretete ist die ständige Vertreterin Ägyptens in Deutschland.“
Al Orabi ist ein modern denkender Mann. Er weiß, worauf es ankommt: dass kostbare Altertümer nach dem jeweils neuesten Stand der Technik aufbewahrt und gesichert werden müssen und dass sie möglichst vielen Besuchern zugänglich sein sollen – ohne dass sie dadurch Schaden erleiden. In einer Welt, in der die Entfernungen schrumpfen, die auch medial immer mehr zusammenrückt, wäre es fatal, wenn die Kunst der Welt nur noch an ihren regionalen Ursprungsorten gezeigt werden könnte.
Manfred Eichel, Historiker, Kunst- und Literaturwissenschaftler, journalistische Stationen „Spiegel“, NDR-Fernsehen und ZDF, dort lange Jahre Chef „Aspekte“, 2000-2003 Chefkorrespondent Kultur im Berliner ZDF-Hauptstadtstudio, seit 1988 Professor an der UdK Berlin im Studiengang Kulturjournalismus
Und sein Lebenspartner Pierre Bergé, der wusste, was diese Kunstwerke den Chinesen bedeuteten, wollte sie denen sogar schenken – wenn das Land die allgemeinen Menschenrechte beachtete und Tibet dem Dalai Lama zurückgäbe. Zu solchen Späßen passt nun auch das vorläufige Ende dieser Geschichte: Der noch vor kurzem so kecke chinesische Kunsthändler Cai Mingchao hat gerade in diesen Tagen kleinlaut zugegeben, erstens kein Geld mehr zu haben, zweitens unter dem Spott seiner Kollegen zu leiden und drittens habe er auch nie im Auftrage seiner Regierung gehandelt.
Andere Regierungen sind da wesentlich aktiver und einfallsreicher – die Griechen beispielsweise. Die haben im vergangenen Jahr Archäologen und Museumsdirektoren aus der ganzen Welt in ein halbfertiges Museum am Fuße der Akropolis eingeladen. Im obersten Geschoss des Hauses wurde den Experten ein großer Raum gezeigt, in dem bald schon der vollständige Parthenon-Fries zu sehen sein sollte. Doch die glanzvolleren Partien dieses Frieses sind seit fast 200 Jahren im British Museum zu bewundern. Und sie tragen den sehr englischen Titel „Elgin Marbles“. Die nach ihm benannten Marmor-Reliefs hatte Lord Elgin, damals britischer Botschafter im Osmanischen Reich, demontieren und nach London schaffen lassen. Seither fordern die Griechen sie immer wieder zurück. Vergeblich. Die Marmorwerke werden Steine des Anstoßes bleiben.
So wie die Büste der Nofretete in Berlin. Am 16. August soll sie im gerade wieder fertig gestellten Neuen Museum einen prächtigen, ihren endgültigen Standort beziehen. Endgültig? Die Ägypter sind da, meldete kürzlich der „Spiegel“, immer noch ganz anderer Ansicht. Sie wollen die 48 Zentimeter hohe Skulptur ihrer Königin wieder im Lande haben. Weil sie damals von deutschen Archäologen bewusst getäuscht worden seien. Damals – das war 1912, als Ludwig Borchert und sein Team das bemalte Kunstwerk im Wüstensand Amarnas gefunden hatten. Die Hälfte seiner Funde sollte er nach Berlin mitnehmen dürfen, die andere Hälfte sollte im Lande verbleiben. Und – die Ägypter mussten der Auswahl zustimmen.
Damals hatten sie den Franzosen Gustave Lefevre zum Chef der Altertumsbehörde in Amarna gemacht. Doch dem sei „vermogeltes Material“ untergeschoben worden – wie es in einem Bericht geheißen hatte, der zwölf Jahre später, also 1924 verfasst worden ist. Die kostbare Kalksteinbüste sei als bloße Gipsplastik aufgeführt worden, verriet nun der „Spiegel“. Und Zahi Hawass, der Generalsekretär des Obersten Antiquitätenrates von Ägypten, freute sich über die „großartige Nachricht“ – und forderte erneut die Rückgabe der Nofretete.
Merkwürdig sei es, findet nun Dietrich Wildung, der Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin und somit Hausherr der Nofretete, dass solche Geschichten immer von Deutschland ausgingen. Seine ägyptischen Kollegen hätten dann jedesmal, aufgestachelt von den Medien ihres Landes, keine andere Wahl als mal wieder die Rückführung der Skulptur zu fordern. Die offizielle Haltung Ägyptens ist jedenfalls vor etwa zwei Jahren vom ägyptischen Botschafter in Berlin, von Mohammed Al Orabi formuliert worden – charmant, aber auch unmissverständlich: „Die Nofretete ist die ständige Vertreterin Ägyptens in Deutschland.“
Al Orabi ist ein modern denkender Mann. Er weiß, worauf es ankommt: dass kostbare Altertümer nach dem jeweils neuesten Stand der Technik aufbewahrt und gesichert werden müssen und dass sie möglichst vielen Besuchern zugänglich sein sollen – ohne dass sie dadurch Schaden erleiden. In einer Welt, in der die Entfernungen schrumpfen, die auch medial immer mehr zusammenrückt, wäre es fatal, wenn die Kunst der Welt nur noch an ihren regionalen Ursprungsorten gezeigt werden könnte.
Manfred Eichel, Historiker, Kunst- und Literaturwissenschaftler, journalistische Stationen „Spiegel“, NDR-Fernsehen und ZDF, dort lange Jahre Chef „Aspekte“, 2000-2003 Chefkorrespondent Kultur im Berliner ZDF-Hauptstadtstudio, seit 1988 Professor an der UdK Berlin im Studiengang Kulturjournalismus