Besuch in Daressalam
07:36 Minuten
Im Nationalmuseum von Daressalam sind kaum Besucher. Trotzdem sind die Mitarbeiter davon überzeugt, dass die Tansanier sehnsüchtig auf den Dino warten. Und Audax Mabulla, der Direktor des Museums, will noch viel mehr.
Am Eingang des National Museums von Daressalam begrüßt mich ein deutsches Kanonengeschütz. Und der Pförtner. Er erkennt mich sofort, ich war gestern schon kurz hier. Ich trage mich in die Besucherliste ein und sage, dass ich um 14 Uhr mit dem Direktor verabredet bin.
Es ist erst 13.54 Uhr, bemerkt die Assistentin. Ich bin zu früh. Sekunden später aber steht Audax Mabulla vor mir. Ein freundlicher älterer Herr im traditionellen afrikanischen Dashiki-Hemd. Er begrüßt mich sehr herzlich und fragt, ob wir unser Interview um ein paar Stunden verschieben können. Er müsse in ein wichtiges Meeting. Um die Zeit zu nutzen, soll mich ein Kollege von Erica durchs Museum führen.
Natürlich wollte ich hier in Daressalam eigentlich Erica treffen, die junge Tansanierin, die ich in Berlin bei ihrem Praktikum im Naturkundemuseum begleitet habe. Doch sie hat gestern Abend in letzter Sekunde abgesagt, weil ihr Onkel gestorben ist. Und Frank, der im Norden Tansanias arbeitet, hat keine Reiseerlaubnis bekommen. Mit ihm bin ich später am Telefon verabredet.
Drei Ausstellungen, die nichts miteinander zu tun haben
Nun also Angelo. Konservator. Er beginnt seine Tour vor dem Eingang zum Hauptgebäude, einem weißen Flachbau mit maurischem Eingangsportal.
"Currently we have no collections inside here, because the building is under renovation."
Weil das Dach kaputt ist und es reinregnet, ist drinnen momentan nichts zu sehen. Alle Ausstellungsstücke sind notdürftig woanders eingelagert.
Gegenüber, im lichten Anbau des Museums: drei Ausstellungen, die nichts miteinander zu tun haben. Die über die Kolonialgeschichte zeigt vor allem Schwarz-Weiß-Bilder von aufständischen Sklaven und Häuptlingen, die hingerichtet wurden. Ein kurzer Exkurs zur britischen Kolonialherrschaft - und dann ist man auch schon bei Julius Nyerere, der Tansania 1961 in die Unabhängigkeit führte und das Land jahrzehntelang nach sozialistischem Muster regiert hat. Und den alle hier nur den "Vater der Nation" nennen. Besucher gibt es kaum.
Kaum Besucher, aber alle warten auf den Dino?
Immer wieder zieht es mich in den großen, wunderschönen Garten des Museums, in dessen Mitte ein über hundert Jahre alter indischer Lebensbaum in den Himmel ragt. Hier also könnte die Kopie des Brachiosaurus eines Tages stehen.
"Würden das Skelett viele Besucher anlocken?"
"Ja."
"Nicht nur Touristen?"
"Nein, auch Tansanier. Weil es eine wirklich Attraktion wäre, auf die sie gewartet haben."
"Sicher, dass sie darauf gewartet haben?"
"Ja."
"Es gibt also ein großes öffentliches Interesse?"
"Ja, das gibt es."
"Ja."
"Nicht nur Touristen?"
"Nein, auch Tansanier. Weil es eine wirklich Attraktion wäre, auf die sie gewartet haben."
"Sicher, dass sie darauf gewartet haben?"
"Ja."
"Es gibt also ein großes öffentliches Interesse?"
"Ja, das gibt es."
Woher weiß Angelo, dass seine Landsleute auf den Dino warten?
"Das schreiben sie uns ins Gästebuch des Museums. Sie diskutieren es in Foren und auf Social Media. Überall dort sagen uns die Leute, was sie sich wünschen."
"Das schreiben sie uns ins Gästebuch des Museums. Sie diskutieren es in Foren und auf Social Media. Überall dort sagen uns die Leute, was sie sich wünschen."
Mabulla will die Original-Knochen zurück
Und was sagt sein Chef?
"Oh, ich bin sehr aufgeregt und kann es ehrlich gesagt kaum abwarten. Und das geht nicht nur mir so, die ganze Nation ist sehr gespannt darauf. Da wird wirklich ein Traum wahr. Die Menschen hier haben viel über Dinosaurier gehört, wissen aber in Wahrheit gar nicht, z.B. wie groß der Brachiosaurus war, wovon er sich ernährt hat, wie er sich bewegt hat."
Aber Audax Mabulla geht noch weiter. Er will früher oder später auch die Originalknochen zurück haben.
"Es ist die Absicht der Politiker dieses Landes sicherzustellen, dass wir unser Kulturerbe ins Land zurückzuholen. Den Dinosaurier eingeschlossen. Genauso wie andere Objekte aus dem Ethnologischen Museum in Berlin. Wir wissen doch alle, dass einige dieser Objekte gestohlen, geplündert, illegal gehandelt wurden und in welche Länder dieses kulturelle Erbe eigentlich gehört."
Johannes Vogel, der Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin, sagt dagegen, der Brachiosaurus gehöre der Welt.
Und wer hat nun Recht?
"Mit der Erklärung, das gehört sozusagen der Welt – das mag schon sein, nur die Tatsache, dass es eben in Europa ausgestellt ist und nicht in Afrika, wirft natürlich durchaus Fragen auf. Viele Afrikaner sagen natürlich, das ist ja alles schön und gut, aber wir haben dadurch keinen Zugang, weil wir uns das in der Regel nicht leisten können, nach Berlin zu jetten, um uns das anzuschauen. Es muss irgendwie auch für uns zugänglich sein."
Der Afrikanologe Andreas Eckert findet: ein Weltobjekt muss auch hinaus in die Welt gehen. Und nicht die Welt zu sich kommen lassen.
Die Kopie als guter Kompromiss
Die Idee mit der Kopie findet er gut.
"Ich denke, das wäre eine gar nicht so schlechte Lösung. Auch, weil es wichtig ist festzuhalten, dass diese Objekte durch die Reise, die sie gemacht haben, auch transformiert worden sind. Also, die Idee, es ist etwas weggenommen worden und nach 100 Jahren bringt man es wieder zurück und es ist dasselbe, ist ja aus historischer Sicht gesehen Quatsch. Die Reise hat ja diese Dinge verändert, und zurückkommen würde ja ein ganz anderes Objekt mit einer ganz anderen Geschichte. Von daher ist das als Kompromiss durchaus eine vernünftige Alternative."
Allerdings nur unter der Bedingung, dass es danach von deutscher Seite nicht heißt: Mehr kriegt ihr nicht, seid froh, dass ihr wenigstens die Kopie habt.
Und wann geht der erste Dino nun auf Reisen? Da halten sich beide Direktoren, Audax Mabulla aus Daressalam und Johannes Vogel aus Berlin, bedeckt.
"Also, ob die Dinosaurier zurückgegeben werden oder nicht, liegt nicht an mir. Das ist eine politische Entscheidung am Ende."
Vielleicht zögern beide ja auch, weil die Parasiten-Ausstellung für Daressalam, an der die Trainees aus Tansania, Erica und Frank, so akribisch gearbeitet haben, am Ende abgesagt werden musste. Eine Enttäuschung, klar. Aber die Kommunikation zwischen Tansania und Deutschland hat aus vielen Gründen nicht funktioniert. Daran konnten auch Erica und Frank, die quasi als Brückenbauer in Berlin waren, nichts ändern.
Trotzdem wollen beide Museen kräftig weiter kooperieren.
Frank jedenfalls ist optimistisch. Dass ein Dino bald nach Tansania kommt, egal wem der nun gehört. Ich rufe ihn noch am selben Abend nach meinem Besuch im Nationalmuseum an.
"Ich weiß, es wird passieren. Wir wissen nicht exakt, wann, aber er wird kommen. Und ich schätze noch in 2020."