Welttag des Glücks

Warum macht Musik glücklich?

Zwei Frauen hören über ein Smartphone Musik.
Musik hören macht echt Spaß - aber warum? © picture-alliance / dpa-ZB / Jens Kalaene
Von Tarik Ahmia · 20.03.2015
Musik berührt wie kaum eine andere Kunst. Wie kommt es, dass Klänge unsere Gefühlswelt so sehr beeinflussen? Wir haben den Musiktheoretiker Hartmut Fladt gefragt.
"Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt", schrieb Friedrich Schiller. Vielleicht hüpft hier in Robert Schumanns Kinderszene "Glückes genug" ein Kind unbeschwert vor sich her. Es fehlt an nichts in diesem Moment und auch der Moment kommt aus dem Nichts.
Musik ist in der Lage, den Hörer von jeder Last zu befreien. Sie wirkt im Augenblick des Erlebens, sagt Professor Hartmut Fladt:
"Das erlebte Glück ist das, was jeder irgendwann mal in der Musik am eigenen Körper und im eigenen Bewusstsein erlebt. Das ist ein ganz unmittelbares Glück, was man da haben kann. Diese Art von Unmittelbarkeit hat eben auch keine andere Kunst. Diese Möglichkeiten von Musik, zu der das Spiel eben auch unmittelbar gehört, gehören auch zu den möglichen Glücksgefühlen, die man in Musik erleben kann. Das also mit spielerischen Elementen intelligent jongliert wird. Virtuosität ist so ein Moment von Spielerischem und eben von Zirkus auf höchstem Niveau."
Musik beeinflusst unseren Herzschlag, den Blutdruck, die Atmung und den Hormon-Haushalt. Wer selber singt oder nach einem mitreißenden Konzert taumelnd vor Glück den Saal verlässt, kennt das Gefühl. Solche Sternstunden lassen sich nicht planen, anders als die schönen Stellen in der Musik, sagen Hirnforscher. Es gibt komponiertes Glück, etwa, wenn der Chor in Bachs H-Moll Messe am Ende das "Dona Nobis Pacem" singt.
Glücklich macht es, Musik zu teilen
"Das ist eine Sache, die ich bei gelungener großer Musik so grandios finde: Wenn man sie als Fachmann analysiert, kommt man zu keinem Ende. So unglaublich komplex ist sie. Und trotzdem ist sie unmittelbar erlebbar. Und das zeichnet für mich große Musik aus."
Die Freude am Wiedererkennen ist ein Schlüssel zum musikalischen Glück.
"Eine Melodie, die nicht rhythmisch gegliedert ist erscheint uns als formlos. Und solche rhythmischen Gliederungen auf allen Ebenen erzeugen im Menschen beim Wiedererkennen ein Glücksgefühl. Das Wiedererkennen ist ganz wichtig. Melodien haben das in sich, dass sie durch Wiederholung ein Glücksgefühl erzeugen können."
Glücksgefühle in der Musik potenzieren sich, wenn sie mit anderen geteilt werden. Die Verbundenheit mit der Musik, dem Komponisten und all jenen, die diese Musik auch lieben, lässt ein universelles Glücksmoment entstehen.
"Von Brecht gibt es ein wunderbares Gedicht, das heißt: Vom Glück. Und das Gedicht lautet: 'Wer entkommen will braucht Glück. Ohne Glück rettet sich keiner vor dem Hunger, der Kälte oder gar vorm Menschen. Glück ist Hilfe.' Glück heißt, im Sozialverband Hilfe zu erfahren. Das ist auch das tiefe Glücksversprechen, was Musik bieten kann. Ein Aufgehobensein in etwas, was nicht einfach mehr Glück als andere ist, sondern was wirklich ein erfülltes Glück ist."
Werkzeug zum Aufbrechen von Zeit, Raum und Wirklichkeit
Musik ist ein Ventil für unsere Gefühle, für die es keine Worte gibt. Allerdings: Zuviel Harmonie schadet dem Glücksgefühl.
"Wenn Sie die alte Temperamentenlehre der Antike anschauen, dann ist es so, dass die Widersprüche der Temperamente in einem ausgewogenen Mischverhältnis stehen müssen. Das heißt auch, dass eben Melancholie dazugehört, dass eben das Ausrasten dazugehört. Aber dass es in einem ausgewogenen Verhältnis stehen muss. Eine Musik, die ohne Dissonanzen auskommt ist eine, die schrecklich langweilig wird. Und das gehört eben auch zum Glücksbegriff in der Musik, dass es eben ein ausgewogenes Verhältnis von Dissonanz und Konsonanz ist und dass man eben auch sieht, warum Dissonanzen eingesetzt werden."
Musik lässt uns Tagträumen, sie ein Werkzeug zum Aufbrechen von Zeit, Raum und Wirklichkeit. Dabei kann sie größer werden als wir selbst, wenn sie uns jenseits unserer eigenen Sterblichkeit einen kurzen Blick auf das gewährt, was bleibt. Wenn das kein Glück ist!
Mehr zum Thema