Weltoffener Einzelgänger
Über 4000 Zeichnungen, Fotografien, Gemälde und Objekte von Man Ray werden im Berliner Martin-Gropius-Bau gezeigt. Die aus New York entliehene Sammlung gibt Einblicke in die verschiedenen Schaffensphasen des Künstlers und auch in sein Privatleben.
Neben einem Leporello mit einigermaßen belanglosen Variationen von abstrakten Grundmustern hängt ein pseudoexpressionistisches Frauen-Porträt von 1911: Erste Arbeiten des New Yorker Künstlers Emmanuel Radnitzky, der sich bald Man Ray nennen, nach Paris übersiedeln und Furore machen wird. Bereits die nächste Vitrine in der Berliner Schau verrät, warum: Blankpolierte Skulpturen lassen an Brancusi denken, aber schon der Titel der steil aufragenden Phallus-Stele beweist verrät respektlosen Witz.
„Priapus“ heißt das gute Stück, als Verwendungsvorschlag gibt der Künstler an: Briefbeschwerer. Den Vogel schießt dann der „Garderobenständer“ von 1920 ab: die nackte Schaufensterpuppe als stummer Diener, verewigt nicht als Installation, sondern auf einem schlichten Schwarzweißfoto, klitzeklein, aber gerade darum reizvoll – und aufschlussreich. Kurator John Jacob:
„Er sagte sich, dass es besser sei, das eigene Werk selbst mit Fotos zu dokumentieren als jemanden zu beauftragen. In Paris fotografierte er Arbeiten anderer Künstler und dokumentierte Sammlungen. Fotografie war da eher Broterwerb als experimentelle Kunst. Aber er verstand es, das ganz schnell auszubauen.“
In einer noch nie dagewesenen Fülle, anhand klug ausgewählter Beispiele zeigt der New Yorker Man Ray Trust seinen Patron in allen Facetten: Weder blutarmer Theoretiker noch penibler Kunsthandwerker, ein Verächter bloß virtuoser „craftmanship“, wie Man Ray selbst in einem seltenen Interview bekannte:
„I’m against craftmanship. The world is full of wonderful craftsmen, but there are very few practical dreamers.“
Als „practical dreamer“ als Träumer, der in seiner Kunst den Alltag witzig aufhebt, zeigt Man Ray sich mit der „Büchse der Pandora“, einem umgewidmeten Badethermometer und natürlich mit der Fotomontage „Violon d’Ingres“, einer Geige auf dem Rücken der Odaliske in der Manier des Malers Ingres. Keine wohlfeile Melange, kein billiger Kompromiss, sondern die Position eines weltoffenen Einzelgängers zwischen allen Ismen jener turbulenten zwanziger Jahre:
John Jacob: „Man Ray unterzeichnete keine Manifeste, wurde nie Dadaist oder Surrealist. Er war locker verbunden mit Künstlergruppen – die wiederum von ihm beeinflußt wurden. Mit dieser Ausstellung wollen wir die hergebrachten Einordnungen überwinden, die ganze Vielfalt seines Werks zeigen.“
Wer derart aus allen Richtungen Ideen ansaugt, aufnimmt, sie wieder ausstrahlt, der braucht ein schnelles Medium. Also brachte sich der studierte Architekt die Fotografie bei, griff später auch zur Filmkamera:
Am wichtigsten war ihm Freiheit, die Freiheit augenblicklich zu reagieren, wenn ihm eine Idee kam. In zahlreichen Skizzen hat Man Ray diese Eingebungen fixiert, durchgearbeitet. Gemälde sind seltener, vielleicht scheute er das lange Nachdenken vor leerer Leinwand. Statt dessen erfand der Allround-Künstler allerlei neue Techniken, nicht als einsam brütendes Genie, sondern zusammen etwa mit seiner Assistentin Lee Miller:
John Jacob: „Sie kam zu ihm nach Paris und sagte ‚Ich bin ihre neue Studentin!‘. Das war der Beginn ihrer Karriere. Und zusammen mit Lee Miller entdeckte Man Ray die Solarisation, für die er so berühmt wurde.“
Angeblich ein Zufallstreffer, dieser Positiv-Negativeffekt, mit dem die Konturen auf Fotoporträts schillernd hervorgehoben werden, klärt Eric Browner vom Man Ray Trust auf:
„Sie habe das Licht angeschaltet und damit den Film vorzeitig belichtet, behauptet Lee Miller. Doch Solarisation war längst bekannt, nur hat Man Ray diese Technik zum Äußersten getrieben, perfektioniert. Man Ray war gleichbedeutend mit: Perfektion.“
Ob Frottage, also mit dem Bleistift durchgerieben Objekte, oder kameraloses Fotogramm mit Lichteffekten direkt auf dem Fotopapier, ob Skulpturen oder dreidimensionale Bilderrätsel, all das wird im Martin-Gropius-Bau entfaltet, aufgefächert – und mit einem Blick in die Werkstatt, mit Entwurfsskizzen für Apparaturen oder dem Typoskript des biografischen „Autoportrait“ gekrönt.
Am Ende dann die Filme, wieder so ein aufregendes Zwischending, weder dokumentarisch wie beim frühen Bunuel noch pure Poesie wie bei Cocteau:
„Er experimentierte: Jeder Film ist anders, jeder hat sein Sujet. Aber immer geht er über das Sujet hinaus, spielt mit dem Medium. Das ist typisch für seine Art des Experimentierens: Erst macht man Ray ganz gewöhnliche Studioporträts, dann überrascht er mit Solarisation, mit Filtern, mit seiner innovativen Technik.“
Und während John Jacob den kunsthistorischen Hintergrund umreißt, steuert Eric Browner wichtige biographische Details bei:
„Er liebte Autos. Er jagte mit schnellen Schlitten durch Hollywood. Er liebt die Geschwindigkeit.“
Schnelle Autos, die Frauen – überhaupt das Leben, hier vermutet man den Inspirationsquell dieses Bilder- und Augenmenschen. Und wird beim Rundgang aufs Schönste belehrt, dass Man Ray nur einem folgte: Man Ray:
„Er war inspiriert von seinem eigenen Werk. In dieser Ausstellung sehen Sie, wie er Bilder, Ideen, Objekte nimmt, sie noch einmal schafft, sie dann zerstört, sie fotografiert, immer wieder aufs Neue.“
„Priapus“ heißt das gute Stück, als Verwendungsvorschlag gibt der Künstler an: Briefbeschwerer. Den Vogel schießt dann der „Garderobenständer“ von 1920 ab: die nackte Schaufensterpuppe als stummer Diener, verewigt nicht als Installation, sondern auf einem schlichten Schwarzweißfoto, klitzeklein, aber gerade darum reizvoll – und aufschlussreich. Kurator John Jacob:
„Er sagte sich, dass es besser sei, das eigene Werk selbst mit Fotos zu dokumentieren als jemanden zu beauftragen. In Paris fotografierte er Arbeiten anderer Künstler und dokumentierte Sammlungen. Fotografie war da eher Broterwerb als experimentelle Kunst. Aber er verstand es, das ganz schnell auszubauen.“
In einer noch nie dagewesenen Fülle, anhand klug ausgewählter Beispiele zeigt der New Yorker Man Ray Trust seinen Patron in allen Facetten: Weder blutarmer Theoretiker noch penibler Kunsthandwerker, ein Verächter bloß virtuoser „craftmanship“, wie Man Ray selbst in einem seltenen Interview bekannte:
„I’m against craftmanship. The world is full of wonderful craftsmen, but there are very few practical dreamers.“
Als „practical dreamer“ als Träumer, der in seiner Kunst den Alltag witzig aufhebt, zeigt Man Ray sich mit der „Büchse der Pandora“, einem umgewidmeten Badethermometer und natürlich mit der Fotomontage „Violon d’Ingres“, einer Geige auf dem Rücken der Odaliske in der Manier des Malers Ingres. Keine wohlfeile Melange, kein billiger Kompromiss, sondern die Position eines weltoffenen Einzelgängers zwischen allen Ismen jener turbulenten zwanziger Jahre:
John Jacob: „Man Ray unterzeichnete keine Manifeste, wurde nie Dadaist oder Surrealist. Er war locker verbunden mit Künstlergruppen – die wiederum von ihm beeinflußt wurden. Mit dieser Ausstellung wollen wir die hergebrachten Einordnungen überwinden, die ganze Vielfalt seines Werks zeigen.“
Wer derart aus allen Richtungen Ideen ansaugt, aufnimmt, sie wieder ausstrahlt, der braucht ein schnelles Medium. Also brachte sich der studierte Architekt die Fotografie bei, griff später auch zur Filmkamera:
Am wichtigsten war ihm Freiheit, die Freiheit augenblicklich zu reagieren, wenn ihm eine Idee kam. In zahlreichen Skizzen hat Man Ray diese Eingebungen fixiert, durchgearbeitet. Gemälde sind seltener, vielleicht scheute er das lange Nachdenken vor leerer Leinwand. Statt dessen erfand der Allround-Künstler allerlei neue Techniken, nicht als einsam brütendes Genie, sondern zusammen etwa mit seiner Assistentin Lee Miller:
John Jacob: „Sie kam zu ihm nach Paris und sagte ‚Ich bin ihre neue Studentin!‘. Das war der Beginn ihrer Karriere. Und zusammen mit Lee Miller entdeckte Man Ray die Solarisation, für die er so berühmt wurde.“
Angeblich ein Zufallstreffer, dieser Positiv-Negativeffekt, mit dem die Konturen auf Fotoporträts schillernd hervorgehoben werden, klärt Eric Browner vom Man Ray Trust auf:
„Sie habe das Licht angeschaltet und damit den Film vorzeitig belichtet, behauptet Lee Miller. Doch Solarisation war längst bekannt, nur hat Man Ray diese Technik zum Äußersten getrieben, perfektioniert. Man Ray war gleichbedeutend mit: Perfektion.“
Ob Frottage, also mit dem Bleistift durchgerieben Objekte, oder kameraloses Fotogramm mit Lichteffekten direkt auf dem Fotopapier, ob Skulpturen oder dreidimensionale Bilderrätsel, all das wird im Martin-Gropius-Bau entfaltet, aufgefächert – und mit einem Blick in die Werkstatt, mit Entwurfsskizzen für Apparaturen oder dem Typoskript des biografischen „Autoportrait“ gekrönt.
Am Ende dann die Filme, wieder so ein aufregendes Zwischending, weder dokumentarisch wie beim frühen Bunuel noch pure Poesie wie bei Cocteau:
„Er experimentierte: Jeder Film ist anders, jeder hat sein Sujet. Aber immer geht er über das Sujet hinaus, spielt mit dem Medium. Das ist typisch für seine Art des Experimentierens: Erst macht man Ray ganz gewöhnliche Studioporträts, dann überrascht er mit Solarisation, mit Filtern, mit seiner innovativen Technik.“
Und während John Jacob den kunsthistorischen Hintergrund umreißt, steuert Eric Browner wichtige biographische Details bei:
„Er liebte Autos. Er jagte mit schnellen Schlitten durch Hollywood. Er liebt die Geschwindigkeit.“
Schnelle Autos, die Frauen – überhaupt das Leben, hier vermutet man den Inspirationsquell dieses Bilder- und Augenmenschen. Und wird beim Rundgang aufs Schönste belehrt, dass Man Ray nur einem folgte: Man Ray:
„Er war inspiriert von seinem eigenen Werk. In dieser Ausstellung sehen Sie, wie er Bilder, Ideen, Objekte nimmt, sie noch einmal schafft, sie dann zerstört, sie fotografiert, immer wieder aufs Neue.“