Weltmeister im Bierbrauen

Von Udo Pollmer |
Gerade hat in Südafrika die Fußballweltmeisterschaft begonnen und egal welche Mannschaft den Cup gewinnt, eine Branche bleibt stets Sieger: Die Brauereien. Bier und Fußball sind zwei unzertrennliche Freunde. Wenn schon Europa so stolz ist auf seine Bierspezialitäten, was mag da erst der schwarze Kontinent zu bieten haben?
Gute Aussichten für die Freunde des Fußballs: Denn die Südafrikaner gelten statistisch als die fleißigsten Biertrinker Afrikas – aber was besagen auf diesem Kontinent schon Statistiken? Schließlich hat dort "Bier" den gleichen Stellenwert früher in Bayern oder im Ruhrpott. In den Städten versorgen nationale wie internationale Brauereikonzerne die Bevölkerung, aber auch auf dem Land, in den entlegensten Dörfern wird fleißig gebraut - meistenteils Hirse- oder Maisbier, ganz ohne jeden Hopfen. Die Brautechnik reicht von simplen Methoden bis zu den ausgefeiltesten Verfahren, die unser Brauereiwesen in den Schatten stellen.

"Das ganze Sozialsystem wird unentwirrbar von diesem populären Getränk zusammengehalten," so schrieb es 1931 der britische Völkerkundler Hugh Arthur Stayt über das südafrikanische Volk der BaVenda. Und weiter: "Ohne Bier keine Feste, Bier ist der wichtigste Anlass zu arbeiten, der erste Gedanke wenn Gäste kommen, der beliebteste Tribut an den Häuptling und so ziemlich das einzige Opfer, das den Ahnen dargebracht wird." Bier ist ein übliches Tausch- und Zahlungsmittel.

Bei allen rituellen Handlungen und festlichen Gelegenheiten bindet es die verschiedenen Gruppen zusammen. Das, was die Ethnologen für die BaVenda in Südafrika formulieren, wird in gleicher Weise von vielen Völkerschaften Afrikas praktiziert.

Es gibt wohl mehr Namen für die verschiedenen Biere, als es Sprachen gibt. Zum Brauen wird statt Gerste vor allem Hirse verwendet. Das Malz der Hirse bildet genau wie unser Gerstenmalz die Enzyme, die die Stärke abbauen und damit der Hefe den Zucker zur Verfügung stellen, den sie benötigt, um Alkohol zu erzeugen. Die Hirsekörner werden eingeweicht, gekeimt, ein paar Monate in der Sonne getrocknet und dann zerkleinert. Das Malzmehl rührt man mit Wasser an und meist setzt die Gärungvon ganz allein durch wilde Hefen ein – oder man kippt fertiges, hefehaltiges Bier dazu.

Doch bevor es zur alkoholischen Gärung kommt, findet eine Milchsäuregärung statt. Und das ist das typische Merkmal afrikanischer Biere! Manchmal kippt man als Starterkultur sogar etwas Joghurt rein, mancherorts wird ein richtiger Sauerteig aus Hirse angesetzt. Gegen Ende der Milchsäuregärung wird die Maische meist gekocht, und erst danach die alkoholische Gärung eingeleitet.

Durch die Milchsäure schmeckt das fertige Produkt ausgesprochen sauer – es ist damit aber auch hygienischer, weil viele Krankheitserreger die Säure nicht überleben. Leider schützt die Säure das fertige Bier nicht vor dem Verderb, denn der Alkohol, der kann schnell zu Essig werden.

Das Getränk ist höchst nahrhaft, es ist fetthaltig und eiweißreich. Dem Eiweiß verdankt es auch seinen stabilen Schaum. Optisch hat es aber sonst nur wenig mit unserer Vorstellung von Bier gemeinsam. Traditionelle afrikanische Biere sind ziemlich trüb, meistens sogar milchig bis cremig, das liegt an der noch unvergorenen Stärke. Europäer fühlen sich eher an schmuddligen Kefir erinnert. Die Farbe reicht von bräunlich bis rosa. Der Alkoholgehalt liegt irgendwo zwischen zwei und acht Prozent. Unvergoren ergibt das Produkt übrigens eine vorzügliche Babynahrung.

Neben Hirse ist vor allem der Mais ein beliebter Rohstoff der Brauer, aber auch dann ist meist noch etwas Hirsemalz dabei, wegen der enzymatischen Aktivität. Nicht selten werden auch allerlei Früchte wie Bananen dazugeben. Leider ist der Mais aufgrund der Belastung mit Schimmelgiften ein eher problematisches Lebensmittel. Glücklicherweise wird beim Brauen ein Teil der Schimmelgifte entfernt. Zugleich entstehen Stoffe, die vor einer Vergiftung schützten. Maisesser, die regelmäßig ihr traditionelles Bier tranken, erkrankten deshalb nicht an Pellagra, der typischen Vergiftung durch Maisschimmel. Prost!


Literatur:
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National Research Council: Lost Crops of Africa: Grains. National Academy Press, Washington 1996
Stayt HA: The BaVenda. Oxford University Press, Oxford 1931
Dirar HA: The Indigenous Fermented Foods of the Sudan. CABI, Wallingford 1993
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