Weltkulturerbe vom Untergang bedroht

Von Sabine Küper · 31.08.2007
Die Assyrer, die Babylonier und die Sumerer haben hier gelebt und ihre Spuren hinterlassen. Doch noch bevor alle kulturellen Schätze geborgen werden können, soll die anatolische Stadt Hasankeyf einem Staudamm weichen.
Der Tigris entspringt dem Taurusgebirge im Osten der Türkei. Er schlängelt sich durch ein Tal und fließt weiter in den Irak. Dort trifft er auf den Euphrat. Die zwei Flüsse verbinden sich und münden in den persischen Golf. Zweistromland, nannten schon die ersten Hochkulturen dieses Gebiet. Die Griechen tauften es Mesopotamien.

Die Stromoasen sind heute Vergangenheit. Riesige Staubecken durchziehen Südostanatolien. Der Euphrat ist bereits gestaut. Als Wasserquelle auch für das Nachbarland Syrien sitzt die Türkei am Wasserhahn.

Nun ist der Tigris an der Reihe. Doch hier gibt es ein Problem. Ein kleiner Ort namens Hasankeyf wird von widerspenstigen Kurden bewohnt. Sie wehren sich gegen das Projekt. Bürgermeister Vahap Kuşen erklärt warum.

"Seit über tausend Jahren gibt es die Stadt Hasankeyf am Tigris, an einem Knotenpunkt des alten Mesopotamien. Hier gibt es die Spuren von etwa 30 bis 40 Zivilisationen, die noch viel älter sind. Die Römer haben in dieser Region gelebt, die Assyrer, die Babylonier, die Sumerer, die Hethiter, die Seldschuken und viele mehr."

Der kleine Ort Hasankeyf am Tigris sitzt auf einer archäologischen Fundgrube.
Von der Felsenburg reicht der Blick über das gesamte Tal. Relikte einer Brücke aus dem 12. Jahrhundert, Felsenwohnungen, Moscheen und Kirchen.
All das soll unter den Wassermassen verschwinden. Ohne die Kreditbürgschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz könnte der Staudamm nicht gebaut werden. Es wurde ein Plan zum Schutz der Kulturgüter entwickelt: die Türkei will Teile der antiken Siedlungen in einen Kulturpark versetzen. Bürgermeister Vahap Kuşen glaubt nicht daran.

"90 Prozent des antiken Hasankeyf liegt noch unter der Erdoberfläche. Wie wollen sie eine nicht ausgegrabene Stadt versetzen? Alles wird aus dem Kontext gerissen. Was soll eine antike Brücke ohne Tigris in einem Kulturpark?"

Für Hasankeyf ist der Staudamm eine Katastrophe. Die überwiegend kurdische Bevölkerung hatte sich gerade an den Frieden gewöhnt. Bis 2002 herrschten wegen der Kämpfe zwischen Militär und kurdischer PKK noch Notstandsgesetze, Tod und Leid waren fast zwanzig Jahre lang Alltag. Jetzt lebt Hasankeyf vom Tourismus. Den Tigris säumen Fischrestaurants. Die Haendler Mehmet und Hasan weben im Schatten der Felsenburg Decken aus Ziegenhaar für Touristen.

Verbitterung ist zu spüren.

Händler Hasan Telli: "Das ist doch alles nur Strategie. Das Militär steckt dahinter und will alles unter Wasser setzen. Das hat nicht mit Energieressourcen oder Wirtschaft zu tun."

Neben der Stadt Hasankeyf sollen auch 73 Dörfer unter Wassermassen verschwinden. Etwa 40.000 Menschen werden ihre Lebensgrundlage verlieren.

Bauer Süleyman Tas weiss eine Lösung für dieses Problem.

Süleyman Taş, kurdischer Bauer: "Wir werden Asylanträge in den Ländern stellen, die die Finanzierung des Staudamms sichern. Wir alle wandern nach Österreich und Deutschland aus."