Weltklimakonferenz

Neues Klimaabkommen droht zu verwässern

700 Kinder bilden die Form eines Baumes, über dem steht: "Die Welt, die wir wollen" am Strand von Lima, Peru. Hier findet der UN Klimagipfel statt.
700 Kinder bilden die Form eines Baumes, über dem steht: "Die Welt, die wir wollen" am Strand von Lima, Peru. Hier findet der UN-Klimagipfel statt. © imago/Xinhua
Christoph Bals im Gespräch mit Julius Stucke · 13.12.2014
Beim UN-Klimagipfel wird darüber gestritten, wer wann wieviel für den Klimaschutz tun muss. Die Verhandlungen stocken, es droht ein schwaches Abschlussdokument in "reduzierter Fassung", warnt Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals.
Das Ziel der Weltklimakonferenz ist Lima ist es, ein Grundgerüst für das neue globale Klimaschutzabkommen vorzulegen, das Ende nächsten Jahres in Paris beschlossen werden soll. Der Politische Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, Christoph Bals, ist in Sorge, dass das Abschlussdokument der 195 Teilnehmerstaaten in Lima hinter den Erwartungen zurückbleibt.
"Die Verhandlungen sind ins Stocken gekommen und wahrscheinlich wird jetzt ein noch weiter verwässerter Text vorgelegt", sagte Bals am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Damit sei das Ziel, ein gutes Grundgerüst für ein neues globales Klimaabkommen Ende nächsten Jahres in Paris vorzulegen, noch nicht erreicht. Es habe Anfang der Woche ein deutlich besserer Verhandlungstext vorgelegen.
Vom Abschlussdokument sei zu erwarten, "dass eine reduziertere Fassung jetzt gleich kommen wird, aber vielleicht werden wir auch positiv überrascht", so Bals, der als Vertreter der Nichtregierungsorganisation Germanwatch vor Ort in der peruanischen Hauptstadt ist.
Knackpunkte: Überprüfung von Klimazielen und Kofinanzierung
Gestritten werde weiter über die Vergleichbarkeit von vorgelegten Klimazielen und die Regeln, wie diese überprüft werden können. Weiterer Knackpunkt sei die Forderung der Entwicklungsländer nach einer Co-Finanzierung für die eigenen Klimaschutz-Ziele. "Darüber wollen die Industrieländer aber erst in Paris entscheiden", sagte Bals.
Bals lobte Deutschland für die "glänzende Rolle", die es beim Klimagipfel gespielt habe: Dies gelte für die Bemühungen von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) für den globalen Grünen Klimafonds, mit dem die ärmeren Länder bei der Bewältigung des Klimawandels unterstützt werden sollen, für Finanzzusagen für den bestehenden Anpassungsfonds und das von der Bundesregierung beschlossene Klimaschutzpaket.
Durch die geplante Reduzierung der Kohleverstromung sei damit zu rechnen, dass "wir nicht mehr steigende, sondern sinkende Emissionen in Deutschland haben werden". Trotz der "großen Reden von Außenminister Kerry" hätten sich die Ankündigungen der USA, gemeinsam mit China erstmals eigene Klimaschutzziele vorzulegen, in den Verhandlungen in Lima nicht wiedergespiegelt.
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Das gesamte Interview im Wortlaut:
Julius Stucke: Diesmal schien am Anfang vielleicht nicht alles, aber doch Entscheidendes anders zu sein bei der Klimakonferenz in Lima: Diesmal gab es positive Signale, ausgerechnet zwei der große Luftverschmutzer und bisherigen Verhandlungsblockierer, die USA und China, überraschten mit eigenen Vorschlägen zur CO2-Reduzierung. "Noch nie gab es so positive Signale", freute sich etwa Greenpeace im Vorfeld. Aber dann musste man nach zwei Wochen trotzdem wieder in die Verlängerung gehen, gestern Abend war nicht, wie geplant, fertig. "Wir haben es fast geschafft", meint allerdings der peruanische Umweltminister. Kann Lima ein Erfolg werden? Darüber spreche ich mit dem politischen Geschäftsführer der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch, mit Christoph Bals, der in Lima gerade ist. Schönen guten Morgen!
Christoph Bals: Ja, schönen guten Morgen hier aus Lima!
Stucke: Das Ziel von Lima, das ist ja, einen Rahmen für Paris festzulegen für das nächste Treffen, wo man ein Kyoto-Nachfolgeprotokoll beschließen will. Ist dieses Ziel denn fast erreicht?
Bals: Nein, das ist noch nicht fast erreicht, ist noch sehr unsicher, wie das jetzt hier weitergeht im Moment. Die ganzen Verhandlungen sind ins Stocken gekommen und wahrscheinlich wird jetzt ein noch weiter verwässerter Text vorgelegt werden in wenigen Minuten. Von dem her muss man jetzt sehr abwarten, ob wirklich eine ausreichende Grundlage gelegt wird, dass man hoffnungsfroh nach Paris gehen kann.
Stucke: Was sind denn die entscheidenden Knackpunkte, warum man jetzt wieder verlängern musste, worüber diskutiert man jetzt immer noch?
Bals: Nun, man will ja auf der einen Seite Rahmensetzungen für die Selbstverpflichtungen, die alle Staaten jetzt in den nächsten Monaten vorlegen sollen, hinbekommen, damit eine Tonne CO2 in China auch eine Tonne CO2 in den USA ist, dass nicht ganz verschiedene Regeln angewandt werden, dass das vergleichbar ist. Und damit danach auch kontrolliert werden kann und geprüft werden kann, wie die Ambition gesteigert wird. Und das ist im Moment noch unklar, ob man das bekommt, in welchem Ausmaße man das bekommt. Zum anderen ist die Frage der Finanzierung für die Entwicklungsländer, die dann Ziele vorlegen sollen, erstmals auch Ziele vorlegen sollen, und wo die sagen – wie es auch vorher vereinbart war –, wenn sie ambitionierte Ziele vorlegen, dann soll es dafür eine Kofinanzierung durch die Industrieländer geben. Und die Industrieländer wollen aber das erst in Paris entscheiden. Aber vorher sollen die Ziele entschieden werden für diese Länder, und an diesem Problem beißt man sich im Moment auch die Zähne aus.
Stucke: Aber mal angenommen, man schafft das jetzt, dann wäre das ja schon ein Erfolg, den man hätte, eine gute Vorlage für Paris. Welchen Anteil hat denn daran die, ja, neuere Haltung der Amerikaner, hier zum Handeln aufzurufen und auch selber Vorschläge zu machen und nicht, wie sonst, eher zu blockieren?
Bals: Nun, die Amerikaner haben in der Tat nicht blockiert, aber die Amerikaner haben bei den Verhandlungen leider nicht eine so konstruktive Rolle gespielt, wie das durch die großen Reden auch hier von Außenminister Kerry oder in den letzten Monaten durch die Ankündigungen gemeinsam mit China oder auf dem G20-Gipfel, wo sie eine sehr konstruktive Rolle gespielt haben, diese hat sich hier nicht widergespiegelt in den Verhandlungen.
Stucke: Sie haben vorhin das Wort "verbesserter Vorschlag" gesagt und ich habe fast verstanden „verwässerter Vorschlag", und das ist ja auch irgendwie die Frage: Ist man bei dem, was man jetzt vielleicht hier erreichen kann, ist man damit eh viel zu spät und sind die Ziele lange nicht mehr ambitioniert genug, um wirklich am Klimawandel etwas zu tun?
Bals: Na, ich hatte in der Tat „verwässerter Vorschlag" gesagt! Wir hatten Anfang der Woche einen deutlich besseren Verhandlungstext vorliegen als der, der jetzt seit anderthalb Tagen verhandelt wird. Und es ist zu erwarten, dass jetzt noch einmal eine deutlich reduziertere Fassung jetzt gleich kommen wird. Aber vielleicht werden wir auch positiv überrascht und es sind noch einige Verbesserungen drin, in einer Stunde werden wir das besser wissen.
Stucke: Nun ist die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks ja von der Verlängerung, wie sie es geplant hatte, am Freitagabend abgereist und hat das weitere Verhandeln ihrem Staatssekretär überlassen. Ist denn so etwas bei diesem wichtigen Treffen als bisheriger Klimavorreiter, als den man sich ja immer sieht, in Ordnung?
Bals: Also, man muss sagen, dass Deutschland hier wirklich das erste Mal seit einigen Jahren wieder eine wirklich glänzende Rolle gespielt hat, sowohl durch die ... dass man vorher die Ankündigungen für den Green Climate Fund, dass Industrieländer dort viel eingezahlt haben, zehn Milliarden Dollar insgesamt, dass man selber für den Anpassungsfonds hier Geld organisiert hat, das Klimaaktionsprogramm, was man von zu Hause während der Klimaverhandlungen durchgesetzt hat, und das dann hier auch noch gelungen ist, dass man mit Polen einen Kompromiss über die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch die EU gefunden hat, all das ist von den Deutschen her sehr konstruktiv in den Prozess eingebracht worden. Und dass dann eine Umweltministerin, die auch noch hier Gesundheitsprobleme hat, einem sehr guten Staatssekretär das Verhandeln überlässt, hat hier keinerlei negative Wirkung bei den Verhandlungen.
Stucke: Nun erleben wir hierzulande gerade aber eher ein Festhalten an der Kohle. Ist diese Klimavorreiterrolle Deutschlands damit gefährdet?
Bals: Ja, das ist in der Tat ... In den letzten zwei Jahren sind die Emissionen gestiegen durch die Kohle, aber von dem her ist es sehr erfreulich, dass nun ja angekündigt worden ist, dass im nächsten Jahr ein Gesetz zur Reduzierung des Kohlestroms verabschiedet werden soll. Und von dem her ist damit zu rechnen, dass wir nun nicht mehr steigende, sondern sinkende Emissionen auch im Bereich der Verstromung in Deutschland haben werden.
Stucke: Die Klimakonferenz in Lima in der Verlängerung. Das war Christoph Bals, der politische Geschäftsführer von Germanwatch. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch, Herr Bals!
Bals: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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