Welthungerhilfe: Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes
Nach Auskunft der Welthungerhilfe sind mindestens vier Millionen Menschen in Kenia von einer Hungernsnot betroffen. Unter Trinkwasserknappheit leiden bis zu zehn Millionen Kenianer.
Nana Brink: In Kenia verdorren die Ähren auf den Feldern und das Vieh verendet, weil das Wasser fehlt. Am Ende einer Nahrungskette, die keine mehr ist, steht der Mensch. Nach Schätzungen des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen brauchen rund vier Millionen Menschen dringend Hilfe. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen hat jetzt um zusätzliche Gelder gebeten, notwendig seien mehr als 160 Millionen Euro, um nach dem Ausfall der letzten Regenzeit und der vierten schlechten Ernte in Folge den Menschen in Kenia zu helfen. - Die Welthungerhilfe ist ebenfalls schon lange in Kenia tätig und ich bin jetzt verbunden mit Iris Krebber, Regionalkoordinatorin der Welthungerhilfe für Ostafrika. Schönen guten Morgen!
Iris Krebber: Schönen guten Morgen nach Deutschland.
Brink: Wir erreichen Sie in Kenia. Schildern Sie uns doch die Ausmaße der drohenden Hungerkatastrophe dort?
Krebber: Sie sagten gerade: In Kenia ist die Lage so schlimm, dass derzeit die Ähren auf den Feldern verdorren. Ich würde jetzt zynisch sagen wollen, das wäre ja sehr schön. Es ist dieses Jahr so schlimm, dass es nicht mal dazu gekommen ist, dass Ähren auf den Feldern zu sehen sind. Wir sind hier in einer Phase, das kann man sich in Deutschland kaum vorstellen. Wenn wir denken, es ist trocken und wir haben eine Dürre, ist alles ein bisschen braun. Hier ist es schon nicht mehr braun, hier ist es grau/weiß. Ich habe mir als Kind so ein Bild immer nach dem Dritten Weltkrieg vorstellen müssen und hier sieht es inzwischen so aus. Vier Millionen Menschen hungern, wissen nicht, wie sie heute Abend oder geschweige denn morgen Früh ihre Kinder ernähren sollen. Das ist etwas, was wir uns in Deutschland ja gar nicht vorstellen können. Dazu kommt eine chronische Armut, die das Ganze ja noch schlimmer macht, weil es nichts gibt, auf das diese Menschen zurückgreifen können, und es geht letztlich ja nicht nur um Lebensmittel, es geht auch ganz banal um Trinkwasser. Ich glaube, wenn wir sagen, vier Millionen Menschen brauchen jetzt Nahrungsmittel, um zu überleben, dann würde ich schätzungsweise von mindestens sechs Millionen Menschen ausgehen, wenn nicht zehn, die ganz dringend Trinkwasser brauchen. Das kombiniert ist natürlich katastrophal.
Brink: Die Welthungerhilfe, Ihre Organisation, wird ja aus Mitteln der EU, der deutschen und amerikanischen Regierung finanziert. Haben Sie ausreichend Mittel für die Hilfe und wo helfen Sie, wo können Sie helfen?
Krebber: Leider Gottes ist es so, dass in allen unseren strategischen Projektgebieten, in Ostkenia, Nordostkenia, Südostkenia, die Dürre mit am schlimmsten zugeschlagen hat. Sie ist dieses Jahr noch viel schlimmer aufgrund der weltweiten Finanzkrise, die das Land insgesamt getroffen hat: weniger Einnahmen stehen zur Verfügung, aber auch deshalb, weil die Geber, obwohl sie natürlich Mittel zur Verfügung stellen, nicht in der Lage sind, so viele Mittel zur Verfügung zu stellen, um den Menschen hier in ausreichendem Maße zu helfen. Wir haben sehr großzügige Finanzierungen bekommen, Sie sagten es ja, von der Bundesregierung, von der amerikanischen Regierung und von der Europäischen Kommission, aber auch das deckt nur einen kleinen Bruchteil des wirklichen Bedarfes. Die Welthungerhilfe hat ihr Programm dieses Jahr massiv aufgestockt, wir haben es nahezu verdoppelt, alles nur Nothilfe, möglichst mit einer Entwicklungsorientierung, aber die Situation ist so schlimm, dass wir sogar darauf zurückgeworfen werden, Menschen mit Tankwagen ihr Trinkwasser zu bringen, weil es keine andere Möglichkeit mehr gibt.
Brink: Das Welternährungsprogramm, ein Programm der Vereinten Nationen, hat ebenfalls große Probleme in Kenia. Es hat bislang Nahrungsmittel an 2,5 Millionen Kenianer verteilt. Das reicht aber nicht, sagt die UN-Organisation, weitere 1,5 Millionen müssen dringend versorgt werden. Dazu fehlt offenbar das Geld. Das Programm bittet nun um zusätzliche 160 Millionen Euro. Wird die UN das Geld bereitstellen, kann sie es überhaupt?
Krebber: Auch die UN speist sich nur aus den Mitteln, die sie von Gebern bekommt, und das sind in erster Linie die Regierungen der westlichen Welt. Wenn diese nicht zahlen können oder manche vielleicht auch nicht wollen, dann kann auch das Welternährungsprogramm nicht tun was es will. Das Geld, um das jetzt das Welternährungsprogramm gebeten hat, ist meiner Meinung nach sowieso viel zu wenig, denn man geht bei allen Nahrungsmittelempfängern von der Annahme aus, dass sie keine volle Nahrungsmittelration für einen ganzen Tag brauchen, sondern vielleicht die Hälfte oder 75 Prozent, weil man annimmt, dass sie andere Quellen haben, aus denen sie zumindest einen Teil ihrer Ernährung zusteuern. Das ist aber eine Fehlannahme, das stimmt nicht. Das heißt, das wirkliche Ausmaß und der wirkliche Bedarf sind annähernd doppelt so hoch und wir rechnen ja nicht bis zum Ende dieser schlimmen Katastrophe – und ich nenne es bewusst Katastrophe, ich habe so was hier in zehn Jahren nicht gesehen -, wir rechnen bis Dezember. Um mehr hat das Welternährungsprogramm ja bisher gar nicht gebeten. Wenn Sie sich jetzt mal überlegen, was in den nächsten Monaten ansteht, da gibt es drei Szenarien. Die Wetterbehörden haben die Möglichkeit eines El Nino vorausgesagt. Die Menschen hier sagen natürlich, El Nino, oh Klasse, Regen. Der letzte El Nino war so schlimm, es hat alle Felder unter Wasser gestellt, es hat alle Dämme weggespült, Menschen sind ertrunken. Das wäre eine weitere Katastrophe. – Ein anderes Szenario ist, dass die Regenfälle wieder zu niedrig ausfallen oder ganz wegbleiben. Das wäre noch schlimmer. – Das einzige Szenario, das hier ein bisschen Stabilisierung herbeiführen könnte, ist eine Regenzeit mit ganz normalen Regenfällen, aber das ist nicht sehr wahrscheinlich.
Brink: Macht die Welt die Augen zu?
Krebber: Ich denke schon! Auf der einen Seite will man es vielleicht nicht wissen, auf der anderen Seite hat man zu Hause viel zu viele Probleme, es gibt neue Arbeitslosenzahlen, man muss den Gürtel enger schnallen. Ich muss ganz ehrlich sagen, die Situation, die sich hier jeden Tag zeigt, ist wirklich für jemanden, der in der westlichen Welt, auch wenn er sich nicht als reich fühlt, doch auf Federn gebettet ist, nicht vorstellbar. Ich selber habe mir vor zehn Jahren diese Situation nicht vorstellen können, in einem Land wie Kenia, das ja gar nicht mal den Ruf hat, so arm zu sein oder so viel Hunger zu leiden. Ich kann mir auch, wenn ich hier in Nairobi bin, nicht wirklich vorstellen, wie jemand, den ich diese Woche auf einer Dienstreise in eines unserer Projekte gesprochen habe, ich weiß nicht wie der Mensch heute noch lebt. Ich weiß auch nicht, wie er den Tag überlebt. Das ist ein Ausmaß, das ist, glaube ich, für jemanden, der überhaupt nicht hier lebt, gar nicht vorstellbar.
Brink: Es ist wahrscheinlich schwer, sich das vorzustellen. Sie haben es gesagt. Momentan sind Lebensmittel gefordert, um das Überleben zu sichern. Aber was kann man denn langfristig tun, um solche Katastrophen zu verhindern?
Krebber: Wir versuchen natürlich langfristig als Organisation, die an der Basis mit Gemeinden arbeitet, Grundlagen zu legen. Natürlich ist dieser Teil der Welt auch ganz schlimm vom Klimawandel betroffen, der sich jeden Tag vollzieht. Wir versuchen zum Beispiel dezentral die Wasserversorgung zu sichern für Menschen, die entweder in Dürrezeiten, oder grundsätzlich kaum Wasser haben und 30 Kilometer zum nächsten Wasserloch laufen müssen. Wir versuchen durch angepasste landwirtschaftliche Praktiken sicherzustellen, dass die Menschen auch in trockeneren Zeiten noch etwas von ihrer Scholle kratzen können. All das kann man machen. Ich denke allerdings auch – und das können wir nur in begrenztem Maße unterstützen -, es braucht eine bessere Regierungsführung. Es müsste nicht so sein.
Brink: Iris Krebber, Regionalkoordinatorin der Welthungerhilfe in Kenia. Vielen Dank für das Gespräch.
Iris Krebber: Schönen guten Morgen nach Deutschland.
Brink: Wir erreichen Sie in Kenia. Schildern Sie uns doch die Ausmaße der drohenden Hungerkatastrophe dort?
Krebber: Sie sagten gerade: In Kenia ist die Lage so schlimm, dass derzeit die Ähren auf den Feldern verdorren. Ich würde jetzt zynisch sagen wollen, das wäre ja sehr schön. Es ist dieses Jahr so schlimm, dass es nicht mal dazu gekommen ist, dass Ähren auf den Feldern zu sehen sind. Wir sind hier in einer Phase, das kann man sich in Deutschland kaum vorstellen. Wenn wir denken, es ist trocken und wir haben eine Dürre, ist alles ein bisschen braun. Hier ist es schon nicht mehr braun, hier ist es grau/weiß. Ich habe mir als Kind so ein Bild immer nach dem Dritten Weltkrieg vorstellen müssen und hier sieht es inzwischen so aus. Vier Millionen Menschen hungern, wissen nicht, wie sie heute Abend oder geschweige denn morgen Früh ihre Kinder ernähren sollen. Das ist etwas, was wir uns in Deutschland ja gar nicht vorstellen können. Dazu kommt eine chronische Armut, die das Ganze ja noch schlimmer macht, weil es nichts gibt, auf das diese Menschen zurückgreifen können, und es geht letztlich ja nicht nur um Lebensmittel, es geht auch ganz banal um Trinkwasser. Ich glaube, wenn wir sagen, vier Millionen Menschen brauchen jetzt Nahrungsmittel, um zu überleben, dann würde ich schätzungsweise von mindestens sechs Millionen Menschen ausgehen, wenn nicht zehn, die ganz dringend Trinkwasser brauchen. Das kombiniert ist natürlich katastrophal.
Brink: Die Welthungerhilfe, Ihre Organisation, wird ja aus Mitteln der EU, der deutschen und amerikanischen Regierung finanziert. Haben Sie ausreichend Mittel für die Hilfe und wo helfen Sie, wo können Sie helfen?
Krebber: Leider Gottes ist es so, dass in allen unseren strategischen Projektgebieten, in Ostkenia, Nordostkenia, Südostkenia, die Dürre mit am schlimmsten zugeschlagen hat. Sie ist dieses Jahr noch viel schlimmer aufgrund der weltweiten Finanzkrise, die das Land insgesamt getroffen hat: weniger Einnahmen stehen zur Verfügung, aber auch deshalb, weil die Geber, obwohl sie natürlich Mittel zur Verfügung stellen, nicht in der Lage sind, so viele Mittel zur Verfügung zu stellen, um den Menschen hier in ausreichendem Maße zu helfen. Wir haben sehr großzügige Finanzierungen bekommen, Sie sagten es ja, von der Bundesregierung, von der amerikanischen Regierung und von der Europäischen Kommission, aber auch das deckt nur einen kleinen Bruchteil des wirklichen Bedarfes. Die Welthungerhilfe hat ihr Programm dieses Jahr massiv aufgestockt, wir haben es nahezu verdoppelt, alles nur Nothilfe, möglichst mit einer Entwicklungsorientierung, aber die Situation ist so schlimm, dass wir sogar darauf zurückgeworfen werden, Menschen mit Tankwagen ihr Trinkwasser zu bringen, weil es keine andere Möglichkeit mehr gibt.
Brink: Das Welternährungsprogramm, ein Programm der Vereinten Nationen, hat ebenfalls große Probleme in Kenia. Es hat bislang Nahrungsmittel an 2,5 Millionen Kenianer verteilt. Das reicht aber nicht, sagt die UN-Organisation, weitere 1,5 Millionen müssen dringend versorgt werden. Dazu fehlt offenbar das Geld. Das Programm bittet nun um zusätzliche 160 Millionen Euro. Wird die UN das Geld bereitstellen, kann sie es überhaupt?
Krebber: Auch die UN speist sich nur aus den Mitteln, die sie von Gebern bekommt, und das sind in erster Linie die Regierungen der westlichen Welt. Wenn diese nicht zahlen können oder manche vielleicht auch nicht wollen, dann kann auch das Welternährungsprogramm nicht tun was es will. Das Geld, um das jetzt das Welternährungsprogramm gebeten hat, ist meiner Meinung nach sowieso viel zu wenig, denn man geht bei allen Nahrungsmittelempfängern von der Annahme aus, dass sie keine volle Nahrungsmittelration für einen ganzen Tag brauchen, sondern vielleicht die Hälfte oder 75 Prozent, weil man annimmt, dass sie andere Quellen haben, aus denen sie zumindest einen Teil ihrer Ernährung zusteuern. Das ist aber eine Fehlannahme, das stimmt nicht. Das heißt, das wirkliche Ausmaß und der wirkliche Bedarf sind annähernd doppelt so hoch und wir rechnen ja nicht bis zum Ende dieser schlimmen Katastrophe – und ich nenne es bewusst Katastrophe, ich habe so was hier in zehn Jahren nicht gesehen -, wir rechnen bis Dezember. Um mehr hat das Welternährungsprogramm ja bisher gar nicht gebeten. Wenn Sie sich jetzt mal überlegen, was in den nächsten Monaten ansteht, da gibt es drei Szenarien. Die Wetterbehörden haben die Möglichkeit eines El Nino vorausgesagt. Die Menschen hier sagen natürlich, El Nino, oh Klasse, Regen. Der letzte El Nino war so schlimm, es hat alle Felder unter Wasser gestellt, es hat alle Dämme weggespült, Menschen sind ertrunken. Das wäre eine weitere Katastrophe. – Ein anderes Szenario ist, dass die Regenfälle wieder zu niedrig ausfallen oder ganz wegbleiben. Das wäre noch schlimmer. – Das einzige Szenario, das hier ein bisschen Stabilisierung herbeiführen könnte, ist eine Regenzeit mit ganz normalen Regenfällen, aber das ist nicht sehr wahrscheinlich.
Brink: Macht die Welt die Augen zu?
Krebber: Ich denke schon! Auf der einen Seite will man es vielleicht nicht wissen, auf der anderen Seite hat man zu Hause viel zu viele Probleme, es gibt neue Arbeitslosenzahlen, man muss den Gürtel enger schnallen. Ich muss ganz ehrlich sagen, die Situation, die sich hier jeden Tag zeigt, ist wirklich für jemanden, der in der westlichen Welt, auch wenn er sich nicht als reich fühlt, doch auf Federn gebettet ist, nicht vorstellbar. Ich selber habe mir vor zehn Jahren diese Situation nicht vorstellen können, in einem Land wie Kenia, das ja gar nicht mal den Ruf hat, so arm zu sein oder so viel Hunger zu leiden. Ich kann mir auch, wenn ich hier in Nairobi bin, nicht wirklich vorstellen, wie jemand, den ich diese Woche auf einer Dienstreise in eines unserer Projekte gesprochen habe, ich weiß nicht wie der Mensch heute noch lebt. Ich weiß auch nicht, wie er den Tag überlebt. Das ist ein Ausmaß, das ist, glaube ich, für jemanden, der überhaupt nicht hier lebt, gar nicht vorstellbar.
Brink: Es ist wahrscheinlich schwer, sich das vorzustellen. Sie haben es gesagt. Momentan sind Lebensmittel gefordert, um das Überleben zu sichern. Aber was kann man denn langfristig tun, um solche Katastrophen zu verhindern?
Krebber: Wir versuchen natürlich langfristig als Organisation, die an der Basis mit Gemeinden arbeitet, Grundlagen zu legen. Natürlich ist dieser Teil der Welt auch ganz schlimm vom Klimawandel betroffen, der sich jeden Tag vollzieht. Wir versuchen zum Beispiel dezentral die Wasserversorgung zu sichern für Menschen, die entweder in Dürrezeiten, oder grundsätzlich kaum Wasser haben und 30 Kilometer zum nächsten Wasserloch laufen müssen. Wir versuchen durch angepasste landwirtschaftliche Praktiken sicherzustellen, dass die Menschen auch in trockeneren Zeiten noch etwas von ihrer Scholle kratzen können. All das kann man machen. Ich denke allerdings auch – und das können wir nur in begrenztem Maße unterstützen -, es braucht eine bessere Regierungsführung. Es müsste nicht so sein.
Brink: Iris Krebber, Regionalkoordinatorin der Welthungerhilfe in Kenia. Vielen Dank für das Gespräch.