Weltflüchtlingstag

Numerisch ist ganz Deutschland auf der Flucht

04:17 Minuten
Rohingya-Flüchtlinge in einem Behelfszelt in Indonesien.
Von Einheimischen gerettet: Rohingya-Flüchtlinge in einem Behelfszelt in Indonesien. © picture alliance / dpa / AA / Khalis Surry
Heribert Prantl im Gespräch mit Julius Stucke · 19.06.2021
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Über 82 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht - ungefähr genauso viele wie alle Bundesbürger zusammen. Für den Journalisten Heribert Prantl bewegt sich die Ignoranz gegenüber dem Leid der Flüchtlinge irgendwo zwischen groß und grenzenlos.
Trotz der Coronapandemie ist die Anzahl der Flüchtlinge weltweit im vergangenen Jahr auf 82,4 Millionen gestiegen. Dies waren laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren.
Die Zahl entspricht in etwa der Bevölkerung in Deutschland - darauf weisen nun politische Kommentatoren wie Heribert Prantl von der "Süddeutschen Zeitung" hin.
Für Prantl bewegt sich die Ignoranz gegenüber dem Leid der Flüchtlinge irgendwo zwischen groß und grenzenlos. "Es ist tatsächlich das Problem des 21. Jahrhunderts und wir haben es noch nicht ausreichend zur Kenntnis genommen", betont er.
Die schlichten Flüchtlingszahlen erschreckten niemanden mehr, meint Prantl. Deswegen arbeitet er mit dem Bild von einem Flüchtlingsbuch. Wenn jedes Schicksal dort nur eine einzige Seite bekäme, müsste es 166.000 Bände geben, wenn diese jeweils 500 Seiten stark seien. "Das muss man sich einmal vorstellen."

Sichere Wege nach Europa schaffen

Prantl fordert vor diesem Hintergrund, für die Flüchtlinge sichere Wege nach Europa zu schaffen. Auch wenn Europa eine Festung sei, müsse es Zugbrücken geben.
Die "Pushbacks" im Mittelmeer gehörten zu den "grausamsten Dingen", die es momentan in der europäischen Politik gebe, sagt Prantl. Das verstoße gegen alle Menschenrechtskonventionen und Grundrechtskataloge.
Prof. Dr. Heribert Prantl
Wenn schon eine Festung, dann bitte auch Zugbrücken: der politische Kommentator Heribert Prantl.© Heribert Prantl / Jürgen Bauer
Laut UNHCR hat insbesondere die Zahl der Binnenvertriebenen zugenommen - das sind Flüchtlinge, die sich nur innerhalb der Grenzen ihres eigenen Landes bewegen. Ihre Zahl stieg um mehr als zwei Millionen auf 48 Millionen an.
Bereits 2019 war die Zahl der Menschen, die vor Gewalt, Verfolgung und Unterdrückung flohen, auf einen Rekordstand gestiegen. Im vergangenen Jahr kamen nun noch einmal drei Millionen hinzu.
(ahe)

In unserer Mittagssendung hat Heribert Prant mit Julius Stucke auch über die deutsche Kolonialgeschichte, die Verfassung der Linken, den Bonn-Berlin-Beschluss und die Coronapandemie gesprochen. Die ganze Sendung können Sie hier hören (AUDIO).

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