Welternährung

Trockene Fakten zum Wassermangel

Ein Tropfen Wasser kommt am 21.03.2013 aus einem Wasserhahn in Frankfurt (Oder)
Laut Unicef haben mehr als 780 Millionen Menschen weltweit kein sauberes Trinkwasser. © dpa / picture alliance / Patrick Pleul
Von Udo Pollmer · 07.06.2014
Wasser wird knapp und Experten warnen vor möglichen Kriegen. Sie halten den Trinkwassermangel für dramatischer als den Klimawandel. Lebensmittelchemiker Udo Pollmer glaubt, dass sich das Problem technisch lösen lässt.
Nach Angaben der Vereinten Nationen erhalten über 1 Milliarde Menschen kein sauberes Trinkwasser. Experten befürchten, dass der Kampf ums Wasser in wenigen Jahren in voller Schärfe entbrennen wird. Zwar sind zwei Drittel der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt, aber höchstens drei Prozent davon sind Süßwasser. Der größte Brocken ist das Eis der Polkappen. Nur 0,3 Promille sind in Form von Flüssen, Seen und Feuchtgebieten unmittelbar zugänglich. Zusammen mit dem Grundwasser sind's etwa 1 Prozent.
Inzwischen herrscht der Eindruck vor, man könne das viele Salzwasser nicht nutzen oder nur mit Riesenaufwand. Doch das ist ein Riesenirrtum. Vor Jahrzehnten ließen sich die reichen Ölstaaten im Nahen Osten das Entsalzen des Meerwassers tatsächlich einiges kosten. Inzwischen erlauben viele bezahlbare und bewährte Verfahren wie der Rosendahl-Kollektor, aus Salzwasser in großem Stile Süßwasser zu gewinnen. Wasser lässt sich wie Erdöl per Leitung – per Aquädukt - transportieren. Doch derzeit versickert es vielerorts in maroden Rohren. So entsteht Wassermangel.
Nano-Verfahren für die Entsalzung
Mit Hochdruck wird am WaterChip gearbeitet, einem Nano-Verfahren, das eine elegante Entsalzung erlaubt. Man braucht nur ein bisschen Strom: An den Küsten gibt es genug Wind oder Sonne für die Erzeugung von Energie. Die simpelsten Geräte arbeiten sogar ohne Strom, wie der Watercone. Man nehme eine Plastikhaube aus Polycarbonat und stülpe sie über eine Schüssel mit Salzwasser – durch die Sonnenstrahlung verdunstet das Wasser und sammelt sich in einer Rinne. Mit der Haube lässt sich jeden Tag gut ein Liter Trinkwasser gewinnen. Stellt man den Watercone einfach auf den Boden, ist es sogar möglich, die Bodenfeuchte zu nutzen.
Kinder und Jugendliche aus Singapur am Wasser
Singapur ist Vorreiter im Recyceln von Wasser© picture alliance / dpa
Von großen Anlagen bis zum handlichen Gerät ist alles vorhanden. Die kleinsten sind wie Strohhalme aus Plastik, nur etwas dicker und enthalten eine Ultrafiltrationseinheit. Man taucht sie in die Pfütze und - saugt Trinkwasser ein. Ein Plastikröhrchen liefert bis zu tausend Liter. Dabei werden praktisch alle Bakterien, Viren und Parasiten entfernt, die Schmutzpartikel sowieso. Es gibt auch günstige Familiengeräte, die jahrelang sauberes Wasser liefern – an jedem Ort und ohne jede Fremdenergie. Das Wasser wird bei Bedarf gewonnen und dümpelt nicht in Tanks herum, in denen sich die Algen ein Stelldichein geben.
Die beschworenen Kriege sind kein Thema
Ein Verfahren, das ebenfalls in armen Ländern angewandt wird, nutzt die desinfizierende Wirkung von Chlor – aber ohne problematisches Chlor zuzusetzen. Die Inline-Elektrolyse macht sich den Umstand zu Nutze, dass in natürlichem Wasser sowieso immer ein paar Chloridionen gelöst sind. Mit etwas elektrischem Strom - gewonnen per Photovoltaik – bildet sich daraus ein Desinfektionsmittel. Das Wasser ist stets keimfrei – und enthält danach sogar weniger Chloratome als vorher.
Die beschworenen Kriege ums Trinkwasser sind kein Thema. Wenn, dann geht es um die Bewässerung der Felder, um Nahrungsmittel oder um das Prozesswasser für die Industrie. Aber auch das ist vielfach eine Frage der Technik. Bei der Tröpfchenbewässerung registriert ein Sensor Veränderungen am Blatt, die für das menschliche Auge nicht erkennbar sind, die aber anzeigen, ob die Pflanze Durst hat. Entsprechend wird Wasser ins Wurzelwerk dosiert. In Gewächshäusern strömt es schon lange in erdelosen Kreislauf-Anlagen durch Rohre, in denen die Wurzeln stecken. So kann nichts mehr versickern.
Große Unternehmen profitieren, wenn sauberes Wasser fehlt
Immer mehr Industrieunternehmen legen ihren Abwasserkanal für Prozesswasser still, weil sie alles Wasser aus der Produktion wieder aufbereiten – früher mit Osmose und Ionenaustauschern, jetzt per Vakuumdestillation. Wasser kann man immer wieder nutzen – es wird nicht verbraucht.
Die Technik, um die Menschheit auch in abgelegenen Regionen günstig mit sauberem Wasser zu versorgen, ist längst vorhanden. Sie ist aber nicht immer gewollt. Viele Verfahren nutzen Technologien, die von der Öffentlichkeit abgelehnt werden – wie Kunststoffe, Nanochips oder erdelose Treibhäuser. Die Gewinner der Angstkampagnen sind jene Unternehmen, die im großen Stil Wasser in Flaschen durch die Lande karren. Sie profitieren, wenn sauberes Wasser fehlt. Prost Mahlzeit!
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