Weltenergierat warnt vor politischem Einfluss im Energiesektor

Moderation: Christopher Ricke |
Der Geschäftsführer des Deutschen Nationalen Komitees des Weltenergierates (DNK), Carsten Rolle, hat auf eine zunehmende Politisierung des Energiesektors aufmerksam gemacht. Zum einen werde die Abhängigkeit von Energieimporten in den Industrienationen immer größer, sagte Rolle. Zum anderen konzentrierten sich diese Energiequellen gerade auf politisch sensible Regionen.
Christopher Ricke: Herr Rolle, die großen Acht fordern jetzt zum Beispiel, dass Energieproduzenten und Verbraucherländer besser zusammenarbeiten sollen, dass man mehr Transparenz möchte, bessere Daten durch Produktion, Verbrauch und Lagerbestände. Brauchen wir denn neue Weltdatenbanken für das Öl?

Carsten Rolle: Nein, ich denke, wir brauchen weniger neue Datenbanken, aber es ist sicher richtig und ein guter Schritt, dass die Zusammenarbeit der bestehenden Organisationen, Internationale Energieagentur, …, OPEC und so weiter, in dieser Initiative, …, wie sich das nennt, die die Daten etwas besser abgleichen wollen, etwas schneller dem Markt bereitstellen, um weniger Raum für Spekulationen zu geben. Wichtig ist aber sicher auch, dass nicht allein durch neue Statistikinitiativen, neue Behörden diesem Problem begegnet werden kann, sondern dass der Schlüssel dafür im Bereich des großen Investitionsbedarfs liegt, der in die Hand genommen werden muss.

Ricke: Jetzt saßen aber nicht die Vertreter des Marktes am Tisch, sondern die Politiker. Das sind doch Dinge, die man tatsächlich dem Markt überlassen könnte. Erkennen Sie so etwas wie eine Repolitisierung der Energie?

Rolle: Das ist in der Tat eine der Sorgen, die wir haben, denn wir sehen doch verschiedene Trends gleichzeitig, die sich verstärken: Zum einen eine immer stärker Abhängigkeit von Energieimporten von großen Industrieländern, gerade in Europa; eine wachsende Welt-Energienachfrage, man sagt, in den nächsten 25 Jahren von plus 50, 60 Prozent. Und zum anderen eben, wie Sie sagen, eine Konzentration der Förderstätten auf gerade die Länder, die politisch sensibel sind und wo der Einfluss der Politik sehr groß ist.

Allein wenn man sich die Ölfördermengen mal vor Augen führt, sieht man, dass über 80 Prozent der Rohöl- Fördermengen von Staatsunternehmen gefördert werden, gar nicht von den großen privatwirtschaftlichen, die wir hier in Europa so kennen, und da ist natürlich Potential auch dafür da, dass in der Tat politischer Einfluss größer wird – wie wir das nicht nur in Bolivien und Venezuela mit den Verstaatlichungsinitiativen der letzten Monate gesehen haben, sondern auch in anderen Ländern.

Ricke: Das können wir doch ganz einfach am Beispiel Iran machen. Da erkennt man ja, wie groß die Abhängigkeit vom Öl ist: Eine Drohung aus Teheran, und der Ölpreis steigt sofort an. Was kann man denn da tun, um etwas mehr Unabhängigkeit zu schaffen? Die Atomkraft hat es in den letzten Jahrzehnten ja auch nicht geschafft. Muss man sich einfach darauf einlassen, dass Energie in Zukunft noch viel, viel teurer wird?

Rolle: Wir müssen uns sicherlich darauf einlassen, dass wir noch lange von fossilen Energieträgern abhängig sein werden, die sind nicht so schnell durch andere Energien zu ersetzen. Gleichzeitig ergibt es aber sicher auch Sinn, sich frühzeitig schon um die Erforschung neuer Energieträger zu kümmern. Es muss also ein ganzes Bündel von Maßnahmen hier auf den Tisch.

Was von politischer Seite auch bei Gipfeln wie diesem mit vorangetrieben werden muss, ist eine Öffnung der Förderländer, der dortigen Märkte für private Investitionen, damit die großen Rohstoffmengen, die ja unter der Erde liegen, tatsächlich auch wirtschaftlich nutzbar gemacht werden können. Zum anderen können wir hier als Verbraucherland uns vor allen Dingen um eine Steigerung der Energieeffizienz bemühen, und andere Energieträger – und dazu gehören eben erneuerbare Energien, die Kernenergie selber auch – verstärkt nutzen, um nicht allein von Öl und Gas abhängig zu sein.

Ricke: Es gibt ja auch diese ökologische Komponente. Es gibt das CO2-Problem, es gibt die Diskussion, mehr auf Solarkraft zu setzen. Aber: CO2-neutral ist auch Atomkraft. Der Unterschied zwischen Solar- und Atomkraft findet in zwei sehr unterschiedlichen politischen Lagern statt. Kann man diesen Graben überwinden, denn letztlich kann ja jeder Euro nur einmal investiert werden?

Rolle: Das ist wahr, aber ich glaube, es gibt keinen echten Graben, mindestens nicht inhaltlich. Wir werden beide Energien, wir werden alle Energien brauchen, um die große Energienachfrage, weltweit wachsende Energienachfrage, zu begegnen. Deswegen treten wir als Weltenergierat, als Energieträger übergreifende internationale Organisation auch für einen sehr breiten Energiemix unter Einschluss aller Energieträger ein.

Man wird sich immer vor Ort die Gegebenheiten genau anschauen müssen und darauf basierend die Entscheidung treffen, welcher Energieträger an welchem Standort die besten Voraussetzungen mitbringt. Richtig ist aber auch, wir werden nicht allein mit erneuerbaren Energien die wachsende Energienachfrage befriedigen können. Wenn man sich anschaut, dass bis zum Jahr 2030 der Anteil der erneuerbaren Energien vielleicht zwei Prozent der Primärenergie-Nachfrage weltweit ausmachen wird, ist, glaube ich, deutlich: Wir werden lange mit fossilen Energien leben müssen und dafür auch die richtigen Rahmenbedingungen schaffen.

Ricke: Jetzt hat Deutschland im nächsten Jahr den Vorsitz der G-8. Gibt es energiepolitische Impulse, die von Berlin ausgehen können?

Rolle: Nun, diese Öffnung der Märkte der Förderländer ist, denke ich, ein ganz wichtiger Punkt. Den kann man in verschiedenen Initiativen, Energiedialogen, Dialogen zwischen Verbrauchern und Produzenten in einen Rahmen packen. Entscheidend ist, dass genug Geld in die Hand genommen wird, um die Investitionen vor Ort sicherzustellen, um auch die richtigen Rahmenbedingungen in diesen Investitionsländern zu schaffen. Ohne die wird es nicht gelingen, die große Energienachfrage zu befriedigen. Da erhoffe ich mir auch von einem Weltwirtschaftsgipfel nun in Sankt Petersburg und auch im nächsten Jahr von dem Gipfel dann in Deutschland durchaus Impulse, Praktizierung der Energiecharta auch durch Russland. Das sind Punkte, die durch Politik mit angestoßen werden können.

Ricke: Vielen Dank für das Gespräch.