Comic "Welt ohne Ende"

In Iron Mans Rüstung wird es heiß

05:14 Minuten
Iron Man mit Windradanschluss
Wie wär's mit einem Iron Man aus erneuerbaren Energien? Zeichner Christophe Blain und Klimaexperte Jean-Marc Jancovici nähern sich © Reprodukt / Christophe Blain
Von Léonardo Kahn · 07.04.2022
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Die Welt wird heißer. In 30 Jahren wird es mehr als nur ungemütlich. Christophe Blain und Jean-Marc Jancovici erklären die Klimaerwärmung im Comic "Welt ohne Ende" und zeigen mögliche Auswege auf. Klar ist: Wir müssen viel mehr tun – und zwar jetzt!
August 2018, auf dem Weg zur Normandie. Christophe Blain brettert über die Autobahn, als seine Freundin ihm die Nachrichten vorliest: "In Paris herrscht ne Affenhitze. Oh! Hier heißt es, in Paris und Ostfrankreich wird es um 2050 Temperaturen von bis zu 50 Grad geben."
Christophe Blain überkommt die Panik. In nur 30 Jahren sollen es 50 Grad werden? Und was in 20 Jahren? Und in zehn?
"Es löste große Besorgnis in mir aus. Ich war mir über den Klimawandel schon länger bewusst, doch wie alle anderen habe ich ihn einfach ausgeblendet", sagt er. "Doch da erschien mir das Problem auf einmal ganz greifbar."

Ziel: Verbrauch jährlich um fünf Prozent senken

Infolgedessen beschließt der preisgekrönte Western-Zeichner, einen Comic über den Klimawandel zu zeichnen. Dafür holt er sich einen Experten – jedoch nicht irgendeinen Experten, sondern die Person, die in Frankreich jedes Mal zu ihrer Meinung befragt wird, wenn es um Klimapolitik geht: Jean-Marc Jancovici. So auch am vergangenen Wochenende auf dem öffentlich-rechtlichen Radio "France Inter", wo es darum geht, nach Russland neue Gasimporteure zu finden:
"Wenn wir uns an das Pariser Klimaabkommen halten, müssen wir unseren Verbrauch an fossilen Brennstoffen jährlich um fünf Prozent senken. Das Prinzip, sich anderswo umzusehen, um die gleiche Menge an Erdgas zu finden, steht also in völligem Widerspruch zu unseren Verpflichtungen gegenüber dem Klima."
Cover zu "Welt ohne Ende"
Wie entsteht die Klimaerwärmung und was können wir dagegen tun? Christophe Blain und Jean-Marc Jancovici erklären es in ihrem Comic "Welt ohne Ende".© Reprodukt
Jean-Marc Jancovici ist Pragmatiker, ein Karl Lauterbach der Umweltkatastrophe. Auf der letzten großen Klima-Demonstration in Paris hielt eine junge Demonstrantin ein Schild hoch, wo drauf stand: "Jancovici, marry me!" Nicht weil der 60-Jährige sonderlich attraktiv wäre, doch weil er physikalische Zusammenhänge extrem einfach erklären kann. Das erleichterte auch die Arbeit des Comiczeichners, erklärt Christophe Blain selbst:
"Mit seinen Bildern erklärt er Menschen ohne wissenschaftliche Ausbildung komplexe Sachverhalte. Für mich war das ein Geschenk. Als Zeichner musste ich nur die Bilder zeichnen, von denen er mir erzählt, und ein paar weitere erfinden."

Iron Man als Symbol menschlicher Macht

Um der Leserin oder dem Leser zu veranschaulichen, in welchem Ausmaß wir von Maschinen abhängig sind, zeichnet Christophe Blain den modernen Menschen als Iron Man. Sogar das Aufnahmemikrofon sei Teil von Iron Mans Rüstung.
"Hier zum Beispiel benutze ich eine Maschine, eine magische Maschine, einen Teil von Iron Mans Rüstung. Damit kann ich Magisches tun: Meine Stimme wird eingespeichert und Leute können sie hören, obwohl sie Tausende Kilometer von mir entfernt sind. Die Maschinen verwenden Strom, so wie die Rüstung von Iron Man. Es ist, als hätten wir durch die ganzen Maschinen ständig eine Rüstung, die uns eine Macht verleiht, die weit über unsere physischen Fähigkeiten hinausgeht."
Stellt sich nur die Frage, mit welcher Energie Iron Man gespeist werden soll? An dem Punkt spaltet sich die französische Sichtweise von der Deutschen ab. Die Kernkraft betrachten in Frankreich viele Ökologen als einzig sinnvollen Ausweg, um Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Jean-Marc Jancovici gehört als Gründer des Pro-Atomkraft Thinktanks "Shift Project" zu den Hardlinern. Die deutsche Skepsis beäugt der Ingenieur kritisch.

Ist Frankreich grüner als Deutschland?

"Wenn unser wichtigstes Kriterium die Erderwärmung ist, dann hat Frankreich eine grünere Politik als Deutschland. Wenn jedoch das wichtigste Kriterium die Anzahl der Windkrafträder ist, unabhängig von den CO2-Emissionen, dann sind sie grüner als wir", spottet Jean-Marc Jancovici in einer Konferenz.
In der Tat liegt der CO2-Fußabdruck in Frankreich bei rund sieben Tonnen pro Person, wohingegen er in Deutschland bei zehn Tonnen liegt.
Das Buch "Welt ohne Ende" erlaubt sich auch kleine Nadelstiche gegenüber Deutschland. So sei es zum Beispiel die "Influence Allemande", illustriert als eine große Hand, welche die Weiterentwicklung neuer Atomkraftwerke bremse.
Die deutsche Übersetzung eines französischen Comics wird dadurch Zeugnis zweier teils gegensätzlicher Ansichten zur selben globalen Bedrohung.

Christophe Blain, Jean-Marc Jancovici: "Welt ohne Ende – Vom Energiewunder zum Klimawandel"
Reprodukt 2022
196 Seiten, 39 Euro

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