Wellness für die Seele

Von Angela Krumpen |
Viele Menschen probieren buddhistische Meditation aus, weil sie weniger Sorgen haben und entspannter leben wollen. Doch die Meditationslehrerin Sylvia Kolk warnt: Wer beim Meditieren eine ideale und lineare Entwicklung erwartet, wird scheitern.
Weg vom Stress, weg von Termindruck und Anforderungen - viele Menschen suchen nicht nur nach Wellness für den Körper, sondern auch nach Wellness für die Seele. So wie Brigitte, die für einen Tag einen Workshop bei der buddhistischen Meditationslehrerin Dr. Sylvia Kolk besucht. Mit der Seelenmassage wird es aber heute nichts:

"Ich bin guter Dinge hier hin gekommen, hatte einen schönen Abend verbracht, und dachte: ach, jetzt gönne ich mir einen schönen Tag und gleich beim ersten Sitzen habe ich aber festgestellt, dass ich doch unendlich müde war, und prompt bekam ich dann aber Schmerzen und ich dachte: Das ist jetzt das Ergebnis, bist hier, bist müde und hast Schmerzen, nee!"

So wie Brigitte geht es vielen Menschen: Sie stellen sich erfahrene Meditierende friedvoll, entspannt und freundlich vor und hoffen, möglichst schnell auch selbst ähnlich wundervolle Eigenschaften zu entwickeln. Die Meditationslehrerin Sylvia Kolk ist es gewohnt, dass die Menschen mit solchen Vorstellungen zu ihr kommen:

"Der Punkt ist, in des Buddhas Lehre geht es darum, dass wir die Verwirrung des Geistes auflösen. Und dass die Menschen erstmal diese Vorstellungen haben: Ich werde besser, glücklicher, ich werde mitfühlender, großzügiger, diese Vorstellungen sind normal, dass man damit auf den Weg geht. Verwirrter Geist – verwirrte Vorstellung. Ja ja, so denken wir eben."

Nun kommen diese Vorstellungen, die Menschen sich machen, nicht von ungefähr. Es gibt viele Regalmeter buddhistische Bücher oder buddhistisch inspirierte Ratgeber. Sie alle prägen die Vorstellung: Meditation macht Menschen gütig und sanftmütig.

"Da sehe ich eine große Gefahr drin. Weil wir neigen dazu, in solchen Idealen verloren zu gehen und uns was vor zu machen und auch den Menschen, mit denen wir auf so einem Weg sind oder anderen gegenüber, die wissen, dass wir auf einem solchen inneren Weg sind, wo es um Mitgefühl geht, wir nämlich anfangen zu heucheln, scheinheilig zu werden und das passiert sehr, sehr oft, öfter als wir denken. Wenn wir nur noch Vorstellungen praktizieren von: ich bin jetzt lächelnd, freundlich, sanft, ja und in Wirklichkeit kocht es innerlich, dann ist der Weg versperrt, weil wir auf der Persönlichkeitsebene keine weitere Entwicklung machen und uns da was vormachen und vielleicht tiefe Zustände in der Meditation erfahren, aber das nutzt dann nicht mehr viel."

Falsche Vorstellungen und hohe Ideale entstehen für Sylvia Kolk auch deshalb, weil - wie sie schreibt - der Großteil der buddhistischen Literatur meist von den letzten Metern des Weges, sozusagen von knapp vor der Erleuchtung handelt. Das aber verwirre uns nur zusätzlich. Sylvia Kolk in ihrem Buch "Segeln im Sturm", mit Leidenschaft den spirituellen Weg gehen:

"Wenn wir dann hören, dass auf dem spirituellen Weg die schwierigen Emotionen transformiert werden, kann die Vorstellung aufkommen, dass es darum gehe, eines Tages keine mehr zu haben. Die Gefahr ist, dass wir beginnen, schwierige Emotionen zu verdrängen und sie vor anderen und uns selbst zu leugnen. Formulierungen, die darauf hinweisen, dass diese Emotionen Hindernisse auf dem Weg sind oder Verunreinigungen im Geist können uns auf eine falsche Fährte locken."

"Besser ist etwas, das unserem alten Denkmuster entspringt, besser größer, schneller, mitfühlender. Aber der Punkt ist, dass es um eine ganz andere Ebene von Liebe geht. Es gibt eine Liebe, die im Grunde im Herzen wohnt und die sich einfach verströmt, wie der Duft einer Blume könnte man sagen und die Liebe, die wir kennen ist tatsächlich eine, wo wir sagen können: den liebe ich mehr, den liebe ich weniger. Die Liebe, von denen die Mystikerinnen sprechen oder die Mystiker, ist eine Liebe, die vollkommen unabhängig ist, von dem, der vor uns steht, ob der Nachbar vor uns steht oder unser liebster Mensch."

"Mit der Entscheidung, einen spirituellen Weg zu gehen, lassen wir uns auf einen langwierigen Transformationsprozess ein. Das ist den wenigsten Menschen bewusst. Das Modell vom kontinuierlichen Fortschritt ohne Irritationen, ohne Zweifel oder Stagnation entspricht dem westlichen Zeitgeist und ist tief in unserem Denken verankert."

Teilnehmerin: "Ich neig da sehr stark zu, zu so einem Leistungsorientierten rangehen und hab das dann natürlich beim meditieren auch so gemacht."

Zuerst hat Uta gute Erfahrungen gemacht: viel Engagement, viel meditieren, viel üben – damit kam sie erst mal schnell und gut voran. Dann aber häuften sich Frust und Enttäuschung, in längeren Klausuren bei einem asiatischen Meister machte sie keine Fortschritte mehr. Ihr Meister versuchte, ihr im Gespräch zu weiter zu helfen:

"Wie kann ich das nur schaffen, dass du entspannst? Und dann hat er mir erzählt von irgendwelchen Burmesen in einem Schweigekloster, in einer Pause da gesessen haben und Skat gespielt haben und geraucht haben. Das hat er so als anderes Extrem erzählt. Ja, die im Osten sind halt nicht so verbissen. Ist hier ein Schweigeretreat, aber die spielen hier halt Karten."

"Unsere Übung wird vom Scheitern bestimmt sein. Die vielen unvermeidlichen Misserfolge auf unserem Weg zum Erwachen schleifen nach und nach unsere Arroganz, unsere Eitelkeit und unsere Überheblichkeit ab. Unser Problem ist nicht das Versagen – sondern das Verhaftet sein an Konzepten – wie dem, dass wir eines Tages in dieser oder jener Weise vollkommen sein werden."

Wenn das Meditieren vom Scheitern bestimmt ist, wie es Sylvia Kolk hier in ihrem Buch "Segeln im Sturm - Mit Leidenschaft den spirituellen Weg gehen", darstellt – welchen Gewinn gibt es dann überhaupt, warum dann überhaupt anfangen?

"Es geht im Grunde um eine andere Geisteshaltung den Dingen gegenüber und uns selbst gegenüber, schau erst mal hin, was da ist, versuch es willkommen zu heißen, weil alles, was sich willkommen fühlt, was da sein darf, kann sich auch wieder auflösen. Es löst sich sowieso wieder auf, wenn es nicht bekämpft wird. Weil kämpfen und Druck gibt noch mehr Leiden. Da verkrampft es sich noch mehr. Der Buddha sagt, Angst kann aufkommen, aber wir können uns die Angst vor der Angst ersparen, indem wir lernen, mehr zu vertrauen. Eine Geisteshaltung des Zulassens, des Annehmens, der Akzeptanz, also den inneren Raum öffnen, dass wir uns erlauben, mit dem zu sein, was da gerade sowieso schon aufgekommen ist."

"So erfahren wir eine existenzielle Beruhigung. Wir lernen, im Sturm zu segeln. Eines Tags bleiben wir selbst bei einer heftigen Gedankenflut auf Kurs, und nach und nach erfahren wir zunehmend ausgeglichenere Wetterlagen."

Literaturhinweis:

Dr. Sylvia Kolk: Segeln im Sturm - Mit Leidenschaft den spirituellen Alltag meistern
Theseus 2009, 14,95 Euro