"Welcome to Chechnya" auf der Berlinale

Wer queer ist, dem drohen in Tschetschenien Folter und Tod

11:01 Minuten
Film-Still aus "Welcome to Chechnya": Männer im Flugzeug.
"Welcome to Chechnya" porträtiert Aktivisten, die sich der Repression von LGBT-Menschen durch das tschetschenische Regime entgegenstellen. © Public Square Films / Berlinale
David France im Gespräch mit Christine Watty · 27.02.2020
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Der Film "Welcome to Chechnya" begleitet LGBT-Menschen bei ihrer Flucht aus Tschetschenien. Die Protagonisten und ihre Fluchthelfer zu treffen, sei eine der bewegendsten Erfahrungen seines Lebens gewesen, sagt Regisseur David France.
In einer koordinierten Aktion verhafteten tschetschenische Behörden 2017 zahlreiche Schwule, lesbische Frauen und Bisexuelle. Sie wurden in illegalen Haftanstalten gefoltert und aufgefordert, andere zu outen. Viele Inhaftierte wurden ermordet. Wer die Torturen überstand, dem drohte nach der Freilassung der Ehrenmord durch die Familie.
Einige Aktivistinnen und Aktivisten halfen und helfen den Verfolgten, aus dem Land zu fliehen. In "Welcome to Chechnya" begleitet Regisseur David France die Rettungsaktionen und hat so den ersten Dokumentarfilm über die Situation der LGBT-Community in Tschetschenien geschaffen.
Um seine Protagonisten vollkommen unkenntlich zu machen und so zu schützen, setzte der Regisseur auf digitale Bildbearbeitung, mittels der er ihnen das Gesicht einer anderen Person quasi "aufoperierte".

Den Verfolgten ihre eigene Stimme wiedergeben

Schließlich wussten viele dieser Leute, dass sie gejagt werden, egal wohin sie gehen, sagt Regisseur France. "Es reicht ja nicht aus, die Region oder das Land zu verlassen." Allein das Wissen, dass sie noch am Leben seien, würde die Regierung in Tschetschenien dazu bringen, sie weiter zu verfolgen.
Denn diese hätte die "bizarre Überzeugung" entwickelt, "dass sie, wenn sie jeden oder jede LGBT-Tschetschenin finden und exekutieren, für immer verhindern, dass es LGBT-Menschen im tschetschenischen Volk gibt".
Film-Still aus "Welcome to Chechnya": Zwei Männer sitzen mit Smartphones nebeneinander.
Wer in Tschetschenien schwul oder lesbisch ist, muss Verhaftung und Folter fürchten.© Public Square Films / Berlinale
Mit den neuen "digitalen Gesichtern" hofft Frances, trotz Anonymisierung die "Menschlichkeit" der Protagonisten zu erhalten. "Ich wollte den Zuschauern zeigen, wie es sich anfühlt, so verfolgt zu werden, was diese grauenhafte Folter mit einem Menschen macht, was es heißt, entkommen zu sein", sagt Frances.
Dafür müsse man die Gesichter der Individuen sehen. So hätten diese "ihre eigene Stimme, ihre eigene Menschlichkeit" zurückgewonnen, "während sie das Gesicht eines anderen tragen".

Der Mut, sich der Todesgefahr auszusetzen

Voller Bewunderung spricht Frances über die Fluchthelferinnen und -helfer. "Diese Menschen zu treffen, zu erleben, was sie alles gemacht haben, war eine der bewegendsten Erfahrungen meines Lebens. Sie haben den Mut gefunden, sich gegen die russische Regierung zu stellen, während sie selbst noch in Russland lebten; sich der sehr realen Todesgefahr auszusetzen, die von den tschetschenischen Sicherheitskräften ausgeht, die von der russischen Polizei nicht kontrolliert wird. Dieser selbstlose Mut, den ich da erlebt habe, war wirklich eindrucksvoll."
(lkn)
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