Welche NATO will Deutschland?
Der Gipfel zum 60. Geburtstag der NATO in Straßburg war eine schöne Familienfeier. Die deutschen und französischen Gastgeber hatten darauf gesetzt, die Stärke der Allianz nach außen zu kehren und schwierige Themen vermieden. Die Konflikte der letzten Jahre sind aber noch nicht beigelegt. Afghanistan, Georgien, Russland - Deutschland ist nicht selten in die Defensive geraten. Wir haben im Richtungsstreit in der Allianz oft erklärt, welche NATO wir nicht wollen, aber welche wollen wir?
Ginge es nach der Bundeskanzlerin, sollte die NATO zuerst der Sicherheit ihrer Mitglieder dienen. Die Bundesregierung zitiert gerne Art. 5 im NATO-Vertrag, die Beistandsklausel. Da sind die osteuropäischen Mitglieder sofort dabei, denn ihnen geht es um die klassische NATO - aufgestellt gegen Russland. Wenn die Nachbarn aber glaubwürdige Abschreckungsmaßnahmen fordern, durch Übungen, Truppenstationierung und Einsatzpläne, dann wiegelt Berlin ab. Das würde ja in Russland als Bedrohung aufgenommen, eine Quelle neuer Unsicherheit!
Deutschland könnte auch auf die nachbarschaftliche Rolle der NATO als Helfer bei der Stabilisierung setzen. Durch Partnerschaften und Aufnahme neuer Mitglieder hat die NATO viel getan, um Blutvergießen nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes zu vermeiden. Aber: Die Erweiterung der NATO ist nach dem Georgienkrieg nicht mehr mehrheitsfähig. Berlin war schon lange gegen die Heranführung der Ukraine und Georgiens - zum Teil mit Blick auf russische Bedenken.
Dann also eine globale NATO? Die Amerikaner haben öfter gedrängt, dass sich die Allianz nicht gegen neue Risiken wie Terrorismus oder Cyberwar in Stellung bringen lässt, und dass sie global neue Partner gewinnt. Deutschland hat sich quergestellt: Weder soll sich die NATO um nicht-militärische Herausforderungen kümmern, noch soll sie überall in der Welt aktiv sein. In Deutschland glauben auch wenige, dass militärische Gewalt wirksam gegen Terrorismus oder Staatszerfall eingesetzt werden kann. Wofür soll etwa die leistungsfähige NATO-Eingreiftruppe ausgebaut werden, wenn vorsichtige Mitglieder wie Deutschland ihrem Einsatz nicht zustimmen wollen?
Dann bleibt noch Stabilisierung in Afghanistan: Präsident Obama will zivile und militärische Elemente stärken in einer neuen Afghanistan-Strategie. Die Deutschen haben lange für einen solch umfassenden Ansatz geworben. Dann aber müssen sich auch die Europäer stärker beteiligen, um in der amerikanisch dominierten Mission mitreden zu können.
In Berlin weist man mittlerweile gerne auf die Eigenverantwortung der Afghanen für ihre Sicherheit hin. Schielen nicht auch wir mittlerweile auf den Tag, an dem wir uns, nachdem wir den Erfolg erklärt haben, mit erhobenem Haupt aus Afghanistan zurückziehen können? Für langfristige und harte Stabilisierungsmissionen wie in Afghanistan wird sich dann auch bei uns niemand mehr stark machen.
Berlin strebt offenbar eine zivile NATO an, die sich mit niemandem anlegt, die bei der Stabilisierung ihrer Nachbarregionen hilft, selbstverständlich in solider Partnerschaft mit Russland. Deutschland bringt so zwar viel Pragmatismus in die bündnisinterne Debatte ein. Die NATO soll von innen heraus gestärkt, nicht durch Überdehnung zerrissen werden. Aus der Sicht der Verbündeten aber - den Amerikanern, Briten - greift diese Haltung zu kurz, um den von ihnen als real empfundenen Risiken tatkräftig begegnen zu können.
Osteuropa fürchtet das Appeasement gegenüber Russland. Auch Frankreich teilt die deutsche militärische Vorsicht nicht. Die Deutschen müssen sich klar machen: Eine Bedrohung, die von einem Mitglied ernst genommen wird, muss schließlich auch von allen anderen ernst genommen werden, zumindest dies muss das Bündnis signalisieren. Die NATO der Deutschen täte das nicht.
Henning Riecke studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaft in Frankfurt am Main und in Berlin, Dr. der Politikwissenschaft, Visiting Fellow Harvard University, seit 2000 bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Programmleiter USA/ Transatlantische Beziehungen
Deutschland könnte auch auf die nachbarschaftliche Rolle der NATO als Helfer bei der Stabilisierung setzen. Durch Partnerschaften und Aufnahme neuer Mitglieder hat die NATO viel getan, um Blutvergießen nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes zu vermeiden. Aber: Die Erweiterung der NATO ist nach dem Georgienkrieg nicht mehr mehrheitsfähig. Berlin war schon lange gegen die Heranführung der Ukraine und Georgiens - zum Teil mit Blick auf russische Bedenken.
Dann also eine globale NATO? Die Amerikaner haben öfter gedrängt, dass sich die Allianz nicht gegen neue Risiken wie Terrorismus oder Cyberwar in Stellung bringen lässt, und dass sie global neue Partner gewinnt. Deutschland hat sich quergestellt: Weder soll sich die NATO um nicht-militärische Herausforderungen kümmern, noch soll sie überall in der Welt aktiv sein. In Deutschland glauben auch wenige, dass militärische Gewalt wirksam gegen Terrorismus oder Staatszerfall eingesetzt werden kann. Wofür soll etwa die leistungsfähige NATO-Eingreiftruppe ausgebaut werden, wenn vorsichtige Mitglieder wie Deutschland ihrem Einsatz nicht zustimmen wollen?
Dann bleibt noch Stabilisierung in Afghanistan: Präsident Obama will zivile und militärische Elemente stärken in einer neuen Afghanistan-Strategie. Die Deutschen haben lange für einen solch umfassenden Ansatz geworben. Dann aber müssen sich auch die Europäer stärker beteiligen, um in der amerikanisch dominierten Mission mitreden zu können.
In Berlin weist man mittlerweile gerne auf die Eigenverantwortung der Afghanen für ihre Sicherheit hin. Schielen nicht auch wir mittlerweile auf den Tag, an dem wir uns, nachdem wir den Erfolg erklärt haben, mit erhobenem Haupt aus Afghanistan zurückziehen können? Für langfristige und harte Stabilisierungsmissionen wie in Afghanistan wird sich dann auch bei uns niemand mehr stark machen.
Berlin strebt offenbar eine zivile NATO an, die sich mit niemandem anlegt, die bei der Stabilisierung ihrer Nachbarregionen hilft, selbstverständlich in solider Partnerschaft mit Russland. Deutschland bringt so zwar viel Pragmatismus in die bündnisinterne Debatte ein. Die NATO soll von innen heraus gestärkt, nicht durch Überdehnung zerrissen werden. Aus der Sicht der Verbündeten aber - den Amerikanern, Briten - greift diese Haltung zu kurz, um den von ihnen als real empfundenen Risiken tatkräftig begegnen zu können.
Osteuropa fürchtet das Appeasement gegenüber Russland. Auch Frankreich teilt die deutsche militärische Vorsicht nicht. Die Deutschen müssen sich klar machen: Eine Bedrohung, die von einem Mitglied ernst genommen wird, muss schließlich auch von allen anderen ernst genommen werden, zumindest dies muss das Bündnis signalisieren. Die NATO der Deutschen täte das nicht.
Henning Riecke studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaft in Frankfurt am Main und in Berlin, Dr. der Politikwissenschaft, Visiting Fellow Harvard University, seit 2000 bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Programmleiter USA/ Transatlantische Beziehungen