Weit entfernt vom Rest der Welt

Von Alexander Soyez |
Musikfestivals sind so eine Sache. Mal sind sie zu groß, mal zu unübersichtlich, mal zu weit weg, mal muss man zelten oder durch Schlamm waten. In einem berühmten Schweizer Ferienort gibt es ein etwas anderes Musikfestival: Zermatt Unplugged.
Das, was Zermatt Unplugged ausmacht, ist letztlich genau das, was auch Zermatt ausmacht: die Berge. Überall um einen herum. Haufenweise Viertausender, die einen schon bei der Anreise begrüßen, insbesondere natürlich die unverwechselbare Top-Marke unter den Bergspitzen: das Matterhorn.

Duncan Townsend: "Es ist eine herrlicher, unglaublich hübscher Ort. Wir stehen hier auf einem riesen weißen Berg mit dem Matterhorn da. Und das sieht aus wie ein Haifischzahn. Aggressiv und schön."

Der in Hamburg lebende Musiker Duncan Townsend war im letzten Jahr schon zu Gast bei Zermatt Unplugged, genauso wie die beiden Leadsänger der schwedischen Rocktruppe Mando Diao, deren Auftritt durch die Bergwelt besänftigt wurde:

"The Music becomes more beautiful when you play it at a place like this and not at a muddy open air." -"Perhaps more romantic too."

Ein bisschen romantischer und schöner wird die Musik, so die beiden Mando Diao-Leadsänger Gustav und Björn, wenn man sie an so einem Ort wie Zermatt spielt und eben nicht auf einem schlammigen Open-Air-Festival. In Zermatt geht alles ein bisschen entspannter, selbst ein Musikfestival. Es ist ein Erlebnispaket, dass perfekt in die Landschaft und den Tagesablauf des schweizer Urlaubsorts passt.

Im Großen Festival-Zelt mitten in Zermatt, aufgebaut neben ein paar Tennisplätzen, sind die großen Namen aufgetreten: als spezieller Jubiläumsgast Chris de Burgh, weil er schon bei der ersten Ausgabe dabei war. Die schottische Sängerin Amy MacDonald, wohl mit dem deutschen Balladenrapper Clueso der schönste Auftritt des Festivals. Der große Coup ist Festivalmacher Thomas Sterchi aber natürlich vor allem mit Lauryn Hill gelungen, auch wenn das Konzert selbst dann – wie schon in Berlin im Januar - zu einem eher durchwachsenen Erlebnis wurde, überarrangiert und verzettelt. Wettgemacht hat sie das aber wieder am Tag drauf bei einer Jamsession in einem kleinen Club. Auch das eine der großen Stärken Zermatts. Man kommt nah ran an die Stars und Musiker und es braucht nicht immer die große Bühne.

Abgesehen von den täglichen großen Shows mit internationalen Stars, für die man zahlen muss, gibt es verteilt über den Tag kleine kostenlose Konzerte oder Sessions. Manchmal allerdings wird die Luft dünn, zum Beispiel auf der Terrasse der Blue Lounge Apres-Ski-Hütte auf 2600 Metern, wo am Samstag Mittag die Baseler Gruppe We invented Paris auftrat.

Sänger Flavian Graber: "Ja, ich habe Kopfschmerzen. Ich glaub die Höhe ist anstrengend. Aber es war wunderschön. Angeblich war es ja die ganze Woche bewölkt, heute war klarer Himmel und am Anfang konnte man sogar das Matterhorn sehen. So richtig schweizer Klischees."

We invented Paris hatte wie viele der Schweizer Acts gleich mehrere Auftritte, mal in einem Hotel, mal im Club, mal unter dem Gipfel des Rothorns – und im Gegensatz zu den Main Acts braucht man für diese Auftritte keine Karten und auch nichts zu zahlen:

"Ich find es sehr speziell. Ich hatte zu Beginn ein bisschen Schiss, dass das schwierig wird, weil die Leute Apres Ski machen wollen. Ich war überrascht, wie die Leute dieses Zermatt Unplugged wahrnehmen und das genießen und sehr aufmerksam zuhören. Dann ist es wunderschön, in so speziellen Locations zu spielen."

Die Idee zu Zermatt Unplugged entstand durch ein paar vereinzelte Konzerte in einem von Thomas Sterchi gepachteten Kinoclublokal. Mittlerweile ist das Festival kein Geheimtipp mehr, über 90 Prozent aller Tickets wurden verkauft, weitere drei Jahre Unplugged sind abgemacht und mit den Sunnegga Sessions ist in diesem Jahr noch ein weitere Spezialität hinzu gekommen.

Thomas Sterchi: "Das ist eine Bühne, die wir geschaffen haben, um die Bergwelt einzubinden und eine Alternative zum Hauptkonzert zu schaffen. Außerdem eine Plattform für Künstler bieten, die eher für die leiseren Töne stehen. Was mir persönlich auch sehr am Herzen liegt."

Treffen um 19.30 Uhr, dann mit 100 anderen Gästen eine kurze Fahrt nach oben zur Sunnegga Hütte und dort gibt es Aperol, Schweizer Büffet, das Matterhorn im Sonnenuntergang und danach ein intimes Konzert mit der Schweizer Sängerin Anna Aaron, dem irischen Singer-Songwriter James Vincent McMorrow oder dem ehemaligen Starsailor-Frontmann James Walsh, den man fast schon als Maskottchen von Zermatt Unplugged bezeichnen kann. Viermal war er schon hier und hat jedes Mal die besondere Stimmung Zermatts genossen und auch bei seinen Auftritten gespürt:

"Ja, definitiv. Weil es soweit vom Rest der Welt entfernt ist, fühlt es sich an, als könnten die Menschen ihrem Alltag entfliehen. Sie sind entspannter. Man trifft hier Leute, die internationale Riesenunternehmen in London oder Zürich leiten und bestimmt ziemlichem Stress ausgesetzt sind. Aber hier ist der eine Ort, wo sie sich entspannen können."

Zermatt ist eine Welt für sich: Ein Dorf am oberen Ende des Matter-Tals, oben im Himmel das Matterhorn und drumherum noch weitere 37 weiße Bergspitzen. Unten locker, urige und teils exklusive Dorfatmosphäre. Zermatt Unplugged lockert diese Welt auf, macht sie ein kleines Bisschen rockiger. Ein Festival, das wie Urlaub wirkt, oder ein Bergurlaub mit coolen Konzerten.

Thomas Sterchi: "Wir wollen nicht nur cool sein. Eigentlich möchte ich lieber warm sein. Gemütlich und mit ein bisschen Style trotdem."