Weißes Gold

Von Alexandra Gerlach · 23.01.2010
Vor 300 Jahren erlies der sächsische Landesherr August der Starke das Gründungsdekret für die erste europäische Porzellan-Manufaktur. Die Traditionsmarke Meissen war geboren. Nun zeigt eine Sonderausstellung kostbare Stücke aus der gesamten Produktionsgeschichte.
Die imposante weiße Deckelvase ist etwa 70 Zentimeter hoch und bauchig - über und über mit lebensechten, dynamischen Tierplastiken und Pflanzen dekoriert. Elegant thront eine Göttin der Jagd über der Szenerie, zu ihren Füßen liegen die Jagdhunde. Es ist nur eine von vier großen Prunkvasen in einer Glasvitrine:

"Also das ist die Elementvase "Die Erde" , diplomatisches Geschenk an Ludwig XV - für die Frühzeit der Manufaktur eine Meisterleistung."

Meissener Porzellan spiegelt noch heute Kunst und Kulturgeschichte aus drei Jahrhunderten wider. Dekore und Formen wurden zunächst asiatischen Vorbildern nachempfunden. Später prägten orientalische und natürlich auch europäische Stilrichtungen die Produkte. Barock, Rokoko, Jugendstil und Moderne inspirierten die Manufaktur-Künstler und bis heute lässt sich fast jedes Stück neu produzieren. Das Archiv der Manufaktur umfasst 800.000 Formen.

"Was wenige Leute wissen ist , dass sie alles wiederherstellen können, was sie seit 1710 hergestellt haben, zum Beispiel das weltberühmte Schwanenservice, von dem Graf Brühl 2000 Stück für eine Garnitur bestellt hat, das ist vor nicht allzu langer Zeit wieder einmal gemacht worden, aufgrund der alten Form."

Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ist Aufsichtsratsvorsitzender der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen. In dieser Funktion hat er im vergangenen Jahr auch die wirtschaftlichen Weichen neu gestellt. Denn auch an Meissen ist die internationale Wirtschaft- und Finanzkrise nicht spurlos vorüber gegangen. Bewährte Märkte brachen weg. Alte Dekore liefen nicht mehr so gut wie früher. Es wurde kurz gearbeitet und die letzte Jahresbilanz hatte erheblichen Wertberichtigungsbedarf, dennoch glaubt Kurt Biedenkopf an die Zukunft der Manufaktur.

"Die Kunst der Manufaktur wird in der Zukunft wie in der Vergangenheit darin bestehen, die Wünsche der Menschen zu erahnen und sie mit der Tradition des Hauses zu verbinden."

Meissen soll sich modernisieren, statt in der Vitrine zu stehen, wieder zu einem Gebrauchsporzellan auch für jüngere Generationen werden.
Das Motto Tradition und Innovation soll die Zukunft sichern. Alte Dekore und Formen in neuen Farben etwa oder analog zum weltberühmten Fürstenzug zu Dresden, dem umfangreichsten Wandbild aus Meissener Porzellan, soll das edle Material künftig nicht nur die Tafel zieren, sondern auch beim Innenausbau, als hochwertige Fliese an der Wand glänzen. Verwendung findet das traditionsreiche Meissen neuerdings auch als Schmuckstück. US-Präsident Obama kann ihn schon tragen. Anlässlich seines Dresdenbesuchs im vergangenen Jahr erhielt er Manschettenknöpfe als Geschenk. Geschäftsführer Christian Kurtzke schwärmt:

"Wir nutzen die Fähigkeit des Materials, sinnlich,
individuell, hochwertig zu sein. Wir sind nicht und wir werden nie Industrie. Wir bleiben immer die Manufaktur und es wird für jeden erlebbar, der durch die Räume von Meissen geht."

Traditionell wird Meissener Porzellan als Erbstück geschätzt, als Inbegriff hochwertiger Tafelkultur. Auch die ursprünglich aus Leipzig stammende Ingrid Biedenkopf gehört zu den Sammlerinnen:

"Natürlich haben wir viel Meissener Porzellan zu Hause. Die Henschel-Kinder habe ich gerne, sind schon ein Stück moderner.
Aber der Familienschatz war früher etwas anderes , weil der wurde vererbt, und die Großmutter meiner Frau hatte ein großes Zwiebelmuster-Service und das ging im Krieg alles kaputt.
Riesige Schalen."

Meissen ist auch berühmt für seine Tierplastiken aus der Hand des Bildhauers Johann Joachim Kaendler und anderen begnadeten Künstlern. Viele der von ihnen geschaffenen possierlichen und naturgetreuen Miniaturen sind seit heute im neu eröffneten Porzellan-Zoo für kleine und große Kinder zu bewundern:

Mehr denn je setzt Meissen darauf, das Handwerk in den Vordergrund zu stellen. Angela Jähler ist Bossiererin und seit 24 Jahren in der Manufaktur angestellt. Mit großer Geduld setzt sie filigranste Teile einer Porzellanfigur zusammen. Jahrelange Ausbildung ist dafür erforderlich. Sie ist stolz, in der Manufaktur zu arbeiten. Angst vor der Zukunft hat sie nicht:

"Na, die Angst habe ich eigentlich nicht, Meissen wird immer existieren,. Liebhaber gibt es so viele, und man macht sich immer neuer Ideen. Es geht immer weiter."