Weiße Elefanten im Skigebiet

Von Tilmann Kleinjung, ARD Rom · 04.04.2011
Die Bilanz der Winterspiele 2006 in Piemont fällt zwiespältig aus: Eine durch ungenutzte olympische Sportstätten verschandelte Landschaft und eine ausgebaute Infrastruktur für mehr Touristen.
Als Italiens Staatspräsident vor fünf Jahren die Olympischen Winterspiele in Turin eröffnete, da war man sich überhaupt nicht sicher, ob dieses Konzept aufgehen wird: mit einer Metropole im Flachland und den Wettkampfstätten in den Bergen und Tälern der Umgebung. Fünf Jahre später scheint all das keine Rolle mehr zu spielen. Turin verbindet mit den Spielen nur die besten Erinnerungen, sagt Marco Ferrando, Turin-Korrespondent der Zeitung "Il Sole 24 Ore":

"Für die Stadt waren diese zwei Wochen im Februar große Festwochen, mit all den Sportlern, den Fans, den Wettkämpfen und den Journalisten, die die Stadt bevölkerten. Also, die Erinnerungen sind positiv."

Kommt darauf an, wen man fragt. Umweltschützer Fabio Porcari vom WWF Turin sieht eher die negativen Seiten:

"All die Sportanlagen wurden nach den Spielen immer weniger benutzt. Bis dahin, dass zum Beispiel die Skisprungschanze von Lawinen verschüttet war und geschlossen wurde."

In Pragelato, 80 Kilometer von Turin entfernt, stehen die olympischen Sprungschanzen. Um sie zu errichten, wurde ein Fluss umgeleitet, sie zu erhalten kostet Jahr für Jahr mehr als eine Million Euro. Doch von Sportlern werden die Anlagen kaum genutzt. "Weiße Elefanten" werden solche olympischen Bauten außer Betrieb genannt − und von denen gibt es in den Bergen rund um Turin noch mehr. Zum Beispiel die Biathlonanlage, die extra mit einer Schnellstraße erschlossen wurde.

Fabio Porcari: "Jede Menge Tiere und Pflanzen, die in diesen Tälern heimisch sind, sind von den Strukturen, die für die Spiele geschaffen wurden, beeinträchtigt worden. In diesen Regionalparks gibt es zum Beispiel Wölfe, und bis heute findet man etwa alle zwei Monate einen überfahrenen Wolf am Straßenrand."

Vermutlich gibt es in der Beurteilung der Spiele ein Stadt-Land-Gefälle. Denn in Turin selbst merkt man vor allem die positiven Auswirkungen. So wurde die Stadt im Februar 2006 weltweit bekannt und vermarktet. Journalist Marco Ferrando:

"Turin ist nach den Spielen deutlich touristischer, international viel bekannter. Die Besucherzahlen sind höher als vorher."

Von 65 Prozent mehr Gästen spricht eine Statistik. Olympia sei Dank. Profitiert haben auch die Bewohner der Stadt. Seit den Spielen gibt es in der Autostadt mit der Fiat-Zentrale eine Metro. Das olympische Dorf wurde umgewandelt in Studentenwohnheime und Sozialwohnungen. Und die Erinnerung an die Spiele wird in einem eigenen Museum gepflegt. Doch Spötter sagen angesichts der verwaisten Sportstätten in den Bergen rund um Turin: Nicht zufällig ist das Olympia Museum Turin Nachbar des Naturkundemuseums mit seinen Dinosaurier-Skeletten und einer reichen Sammlung an ausgestorbenen Tieren.
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