Weiß: Wir müssen die Effektivität von Hartz IV erhöhen

Moderation: Marie Sagenschneider · 29.05.2006
Die Forderung aus den Unionsparteien nach einer einschneidenden Reform von Hartz IV zur Kostensenkung trifft auch innerhalb der CDU auf Vorbehalte. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, Gerald Weiß, sprach sich gegen weitere Leistungskürzungen aus. Zunächst müssten die Umsetzungsmängel behoben werden, sagte der CDU-Politiker.
Marie Sagenschneider: Ganz so freundlich geht es mittlerweile nicht mehr zu in den Reihen der großen Koalition. Derzeit sorgt vor allem die Debatte um Hartz IV für Dissonanzen in den Reihen von CDU, CSU und SPD, genauer gesagt, die unerwartet hohen Kosten. Mit zwei bis drei Milliarden Euro Mehrbelastung in diesem und vier Milliarden im kommenden Jahr rechnet das Bundesfinanzministerium. Aber es geht nicht nur um die Frage, wie kann man die Kosten reduzieren, denn in der Union mehren sich die Stimmen, die für eine grundlegende Reform der Arbeitsmarktreform Hartz IV plädieren - was allerdings auf Widerstand der SPD stößt und deswegen offenbar auch gestern im Koalitionsausschuss es dazu keine Beschlüsse gab. Muss Hartz IV verändert werden? Auch darüber wollen wir nun hier im Deutschlandradio Kultur mit Gerald Weiß sprechen. Er ist Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales und gehört der CDU an. Guten Morgen, Herr Weiß.

Gerald Weiß: Guten Morgen, Frau Sagenschneider.

Sagenschneider: Wären auch Sie für eine Reform der Reform?

Weiß: Also wir sind ja mitten in der Reform. Das Gesetz, das wir heute im Bundestag anhören, das zum 1. August diesen Jahres in Kraft treten wird und ganz wesentlich Hartz IV verbessern wird, enthält 70 Einzelmaßnahmen. Also das ist, wenn jetzt von Generalrevision gesprochen wird, kann man durchaus sagen, das ist eine Generalrevision und ein ganz wichtiger, großer, weiterer Reformschritt. Und dessen Auswirkungen sollte man sich dann genau angucken.

Sagenschneider: Das klingt aber von einigen aus der Union ganz anders. Zum Beispiel von Edmund Stoiber, dem bayerischen Ministerpräsidenten, oder dem Arbeitsminister aus Nordrhein-Westfalen, Herrn Laumann.

Weiß: Also man kann natürlich weitergehende Überlegungen anstellen - das können je für sich auch die beiden Koalitionsparteien und sollten sie tun - was man langfristig und umfassender vielleicht noch verbessern kann. Einstweilen haben wir uns im Koalitionsvertrag ja unglaublich viel vorgenommen, einiges schon realisiert, und jetzt in diesem Fortentwicklungsgesetz viel vorgenommen. Jetzt haben die Koalitionsparteien richtigerweise noch angekündigt, auch eine Nachfolgeregelung für die Ich-AG, also das ist die Existenzgründungsförderung aus der Arbeitslosigkeit heraus, ergänzend mit in diesen Gesetzgebungsvorgang einzubeziehen. Das ist viel Arbeit und das ist ein Bündel von Verbesserungen und deren Auswirkungen sollte man dann evaluieren.

Sagenschneider: Bleiben wir noch einmal, Herr Weiß, bei den Kosten von Hartz IV. Es werden ja die unterschiedlichsten Ansätze debattiert, wie man hier einsparen könnte. Sehe ich das richtig, dass derzeit Leistungskürzungen keine Chance haben?

Weiß: Also ich würde nicht für Leistungskürzungen plädieren, sondern, das ist meine persönliche Meinung, sondern dafür, dass wir die Effektivität, die Zielgenauigkeit, die Zielwirksamkeit erhöhen. Wir haben heute in der Umsetzung des Gesetzes derartig viele Mängel, was zum Beispiel die Prüfung der persönlichen Vermögensverhältnisse, die Prüfung der Erwerbsfähigkeit, der Hilfsbedürftigkeit der Betroffenen, anbelangt. Da müssen wir ansetzen und also die Effektivität steigern und das hat natürlich auch im positiven Sinne Kostenauswirkungen.

Sagenschneider: Und das würde reichen, um die Lücken da zu decken?

Weiß: Also wenn wir das, was wir uns jetzt im Fortentwicklungsgesetz vorgenommen haben, realisieren, werden wir im nächsten Jahr Einsparungen von 1,48 Milliarden Euro erreichen. Da kann man sich noch weitere Verbesserungen vorstellen. Wir haben ja auch bereits ein Gesetz gemacht, das Einsparungen bewirkt hat. Wenn man diesen Weg geht, wird man, auch was die Haushaltsprobleme anbelangt, ganz sicher das Richtige tun.

Sagenschneider: In der SPD scheint es Überlegungen zu geben, der Bundesagentur für Arbeit mehr Geld abzuknöpfen. Denn sie muss ja für jeden Arbeitslosen, den sie nicht innerhalb eines Jahres wieder in einen Job bringt, 10.000 Euro zahlen. Sollte diese Summe angehoben werden?

Weiß: Also mindestens ist das prüfwürdig, würde ich einmal sagen.

Sagenschneider: Wie hoch?

Weiß: Ich will mich jetzt nicht auf eine Zahl festlegen. Aber generell darüber nachzudenken, ist nicht ohne Sinn.

Sagenschneider: Wodurch allerdings die Kosten der Bundesagentur für Arbeit wieder steigen würden.

Weiß: Oder auf der anderen Seite hat die Bundesagentur ganz erhebliche Entlastungen, beispielweise durch die Verkürzungen des Bezuges des Arbeitslosengeldes I, also des originären Arbeitslosengeldes auf zwölf Monate in der Regel. Und da gibt es massive Entlastungen. Das muss man alles in die Überlegungen miteinbeziehen.

Sagenschneider: Überhaupt, Herr Weiß, stellt sich ja offenbar die Frage, ob die Kosten höher sind als erwartet. Denn das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung behauptet ja, dass Bund, Länder und Kommunen in diesem Jahr ja sogar 800 Millionen weniger für Arbeitslosigkeit ausgeben würden als geplant.

Weiß: Also man muss sich die Zahlen einmal genau angucken. Man muss sich den Bericht des Bundesrechnungshofes anschauen. Da haben wir derartige Mängel in der Umsetzung. Da steckt ja die Finanzfrage auch immer dahinter. Und in der Umsetzung des Gesetzes, qua Rechts- und Fachaufsichten und so weiter, müssen wir diesen Dingen jetzt nachgehen, wie die Rahmenbedingungen verändern, und genau daran sind wir.

Sagenschneider: Es könnte also durchaus sein, dass die Kostendebatte, die jetzt geführt wird, etwas übertrieben ist?

Weiß: Das halte ich für möglich.

Sagenschneider: Herr Weiß, ich danke Ihnen. Der CDU-Politiker Gerald Weiß war das. Er ist Vorsitzender des Bundesausschusses für Arbeit und Soziales.