Weinet nicht, wir sehn uns wieder!

Von Günter Beyer |
Die Ausstellung "Wege ins Jenseits" zeigt von der Jungsteinzeit bis heute Vorstellungen von Sterben, Tod, Himmel und Hölle. Eines der jüngsten Exponate im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf ist ein gut hundert Jahre alter Leichenwagen mit der Aufschrift "Weinet nicht, wir sehn uns wieder!".
Auch Pferde können Trauer tragen: Mit schwarzen Decken verhängt, aus denen nur die Augen hervorlugten, zogen vermummte Vierbeiner den offenen Wagen. Der Sarg unter schwarzen Wolltüchern ruhte unter einem Baldachin. Auf der Rückseite des Leichenwagens, gut sichtbar für die Trauergemeinde, hält ein Putto das trostreiche Schild: "Weinet nicht, wir sehn uns wieder!"

Der ehrwürdige, gut 100 Jahre alte Leichenwagen aus dem nordfriesischen Städtchen Garding gehört zu den jüngsten Exponaten im Schleswiger Schloss Gottorf. Der historische Längsschnitt von der Jungsteinzeit bis heute konnte nur gelingen, indem zwei Wissenschaften - die Archäologie und die Kunst- und Kulturgeschichte - sich erstmals interdisziplinär zusammentaten, berichtet Carsten Fleischhauer, der Koordinator:

" Die Exponate kommen fast ausschließlich aus unseren eigenen Beständen, aber es sind trotzdem eine große Zahl von Werken zu sehen, die seit langem nicht mehr öffentlich gezeigt wurden, oder sogar noch nie öffentlich in einer Ausstellung zu sehen waren, bis jetzt nur der Forschung zur Verfügung standen in unseren Magazinen und jetzt hier erstmals präsentiert werden."

Die Ausstellung vermeidet eine ermüdende Chronologie über sechs Jahrtausende, gliedert die Exponate vielmehr in vier Aspekte. Da ist zunächst das "Memento mori", der Hinweis auf die Allgegenwart des Todes im Leben, wie sie Stillleben vor allem im 17. Jahrhundert festhielten. Totenschädel, Uhren, Stundenglas, eine Rose mit abgefallenen welken Blättern gemahnen an die Endlichkeit irdischen Daseins. In der nächsten Abteilung tritt der Tod selbst ins Bild. Archäologen bargen von Schwertern grausam zerschmetterte oder von Pfeilen durchbohrte Schädel von historischen Schlachtfeldern. Besonders übel wurde dem so genannten "Mann von Dätgen" aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus mitgespielt, erzählt der Archäologe Michael Gebühr:

" Einen Körper, den man geköpft hat, wir sehen außerdem noch einen Stich ins Herz, und außerdem haben neuere gerichtsmedizinische Untersuchungen gezeigt, dass ihm der Penis abgeschnitten worden ist. Wenn man jetzt fragt: Was bedeutet so etwas? Ich meine, wenn der Kopf abgeschlagen ist, hilft der Stich ins Herz auch nicht mehr viel! "

Michael Gebühr erklärt den Zustand des rund 2200 Jahre alten Skeletts mit der Angst vor "Wiedergängern". Der Furcht, die nach landläufiger Meinung auch nach dem Tod vom Körper ausgehen kann:

" Und dem begegnet man, ähnlich wie beim Vampirismus mit dem Pfahl ins Herz, dadurch, dass man etwa den Kopf abschlägt, noch weiter den verstümmelt, um ihm einfach die Möglichkeit zu nehmen, noch irgendwo schädlich für die Lebenden zu bleiben. Und dazu passt, dass der hier etwas abseits der großen Friedhöfe im Moor entsorgt worden ist."

Mühselig errichtete Großsteingräber, kunstvolle Wikinger-Boote, in denen Fürsten bestattet wurden, lassen das gewaltige Ausmaß an Arbeit erkennen, die viele Kulturen für ihre Toten aufwendeten. Klammer über die Jahrtausende ist der Versuch, Erinnerung zu bewahren. Durch dynastische Verbindungen gelangte eine opulente Darstellung des Trauerzugs des Kurfürsten Christian II. von Sachsen nach Gottorf. Auf 17 Metern Länge stellt ein Künstler im Detail dar, wer alles an der Totenprozession anno 1612 teilnahm.

Die Trauernden wurden aber nicht als Individuen gekennzeichnet. Vielmehr demonstriert das Defilée der Untertanen mit Wappen und Bannern die Macht des Landesherrn.

Carsten Fleischhauer: " Man verschickte Kopien davon an befreundete Fürstenhäuser, um diesen flüchtigen Moment des Leichenzugs festzuhalten auf Dauer und so auch den Nachruhm des Verstorbenen festzuhalten und zu fixieren."

Schließlich umkreist die Ausstellung die Vorstellungen, die unsere Vorfahren vom Jenseits hatten. Wie wurde ein Toter etwa in der Eisenzeit proviantiert, damit er in der "anderen Welt" zurechtkam? Grabbeigaben sind da ein gefundenes Fressen für die Archäologen. In Holstein etwa wurden den Männern Waffen und Schmuck mit ins Grab gegeben, den Frauen aber Nähnadeln und kleine Bügeleisen.

Gebähr: " In Schleswig, hier im Nordteil, und in Dänemark, sieht es jetzt genau andersrum aus. Frauen bekommen Alkohol mit ins Grab, reiche Frauen, reichen Goldschmuck, römisches Luxusgeschirr, und die Männer sind höchst unauffällig. Aber was in beiden Fällen das Gleiche ist: sie bekommen kein Arbeitsgerät mit ins Grab. Die gehen nicht zum Arbeiten nach drüben, die gehen zum Feiern."

Moderne Jenseitsvorstellungen sind da weit nüchterner. 1975 veröffentlichte der US-amerikanische Mediziner Raymond Moody so genannte Nahtod-Interviews. Er hatte mit Patienten gesprochen, die bereits klinisch tot gewesen waren. Erstaunlich: Die Berichte - in Gottorf an die Wand projiziert - stimmen in vielen Details überein.

Fleischhauer: " Immer wieder berichten die Leute, sie seien "aus ihrem Körper herausgetreten", hätten von außen auf ihren Körper geblickt. Sie hätten ein Licht gesehen, sie seien bestimmten Persönlichkeiten begegnet."

Christen war das Licht häufig in Form eines Kreuzes erschienen, im Empfangspersonal an der Schwelle zum Jenseits erkannten sie Christus oder Petrus ....

Fleischhauer: " ... während Leute, die nicht kirchlich gebunden sind, einen Zaun sehen und kein Himmelstor, das Licht nur als reines Licht sehen und manchmal sogar glauben, die Menschen, denen sie begegnen auf ihrem Weg ins Jenseits, seien so etwas wie Geheimagenten und anderes."

"Mehr Licht!" soll Goethe auf dem Totenbett gerufen haben. Und das ist es, was die Schau in Schloss Gottorf in unsere Vermutungen vom Jenseits bringt.

Service:

Die Ausstellung "Wege ins Jenseits" ist im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf in Schleswig zu sehen.

Link:

Schloss Gottorf