Weihbischof Losinger gegen "Bad Bank"

Bischof Losinger im Gespräch mit Leonie March |
Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger hat sich gegen die Einrichtung einer nationalen "Bad Bank" ausgesprochen. Ein vergleichbares Modell könne aber auf Unternehmensebene angesiedelt werden, sagte der Volkswirt, der auch Mitglied im Ethikrat des Deutschen Bundestages ist.
Leonie March: Ob dieser Weg auch anderen Instituten aus der Krise helfen könnte, das möchte ich von Dr. Anton Losinger erfahren. Er ist Volkswirt und Weihbischof in Augsburg. Guten Morgen, Bischof Losinger!

Anton Losinger: Schönen guten Morgen!

March: Ist dieses Modell einer bankeigenen Bad Bank tatsächlich ein Vorbild?

Losinger: Mir ist dieses Modell sehr viel sympathischer, als dass es immer wieder auch im großen Stil angedacht wird als eine nationale, große Bad Bank, die sozusagen in Summe die Bankrisiken der gesamten Nation übernehmen würde. Bad Bank auf dieser Unternehmensebene angelagert wie bei Phoenix und WestLB, hat auch aus einer ethischen Perspektive den großen Vorteil, dass die Verantwortlichkeiten dort zugeordnet werden, wo die Probleme entstanden sind, nämlich in den Bankhäusern, die auch durch unternehmerische Fehlentscheidungen in die Schieflage geraten sind.

March: Für das zweite Modell, eine staatliche Bad Bank, die Sie gerade angesprochen haben, gibt es derzeit ja auch keine politische Mehrheit, stattdessen soll eine vorübergehende Verstaatlichung von Geldinstituten möglich gemacht werden. Welche Vorteile hätte das?

Losinger: Die staatliche Bad Bank, zu sagen die Befürworter, hätte den Vorteil, dass zunächst einmal vom Staat aus und sozusagen von der Beamtenstruktur aus ein direkter Zugriff auf das Gesamtgeschehen möglich wäre. Das ist bei Phoenix in dieser direkten Linie nicht unbedingt möglich, weil die Verantwortlichkeiten auf unternehmerischer Ebene der WestLB angelagert sind. Ich neige dennoch dem Fall zwei deutlicher zu, weil er auch in etwa dem ordnungspolitischen Rahmenkonzept der Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Dort wird immer Verantwortung dem zugeordnet, der die Entscheidungen trifft. Und ein zweites Argument, das gegen die große, nationale Bad Bank spricht, ist tatsächlich die Frage: Kann der Staat es tatsächlich besser machen als der Banker, und sind Beamte, die dann letztendlich die Entscheidungen in den Ministerien treffen würden, diejenigen, die effektiver arbeiten würden als in diesem Umfeld der geplanten Phoenix-Bank?

March: Ein drittes Modell ist eine vorübergehende Verstaatlichung von Banken, was halten Sie davon?

Losinger: So etwas wie vorübergehende Verstaatlichung, was immer das bedeuten mag, weil ja die Aussagen, die wir derzeit aus der Politik hören, noch unterschiedlich und nicht eindeutig zuordenbar sind, ist in der Tat notwendig. Wenn der Staat einen Schutzschirm aufspannt, und wenn der Staat Verantwortung übernimmt dafür, dass ein Finanzsystem wieder in die Gänge kommt, dann muss er auch die Rechte, die dafür notwendig sind, haben. Und insofern wäre Verstaatlichung in diesem Sinne ein richtiger Begriff, dass man sagt, der Staat muss in diesem Falle auch so etwas wie Eigentümer der Werte sein, für die er dann haftet.

March: Kritiker befürchten ja eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten der staatlichen Banken und zulasten der verbleibenden privaten. Teilen Sie diese Befürchtung also nicht?

Losinger: Diese Befürchtung trifft in der Tat zu, denn wenn tatsächlich der Staat bestimmte einzelne Unternehmungen mit seinem eigenen Schutzschirm deckt und wenn dadurch günstigere Finanzierungsbedingungen etwa angeboten werden könnten, als das gesunde Unternehmungen auf eigener Basis könnten, dann wäre tatsächlich eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten staatlich gedeckter Banken da. Und das würde genau das Gegenteil dessen erreichen, was Marktwirtschaft will, nämlich dass die fitten, unternehmerisch geleiteten Banken auch ihren Vorteil haben sollten und nicht die schlechten.

March: Unter welchen Umständen also sollte eine Bank vom Staat gerettet werden und wann sollte man sie einfach abwickeln?

Losinger: Das ist eine äußerst komplizierte Frage, weil damit zunächst einmal eine Bewertung vorgenommen werden muss über die Lage der Bank, auch über die Lage der Wertpapiere, die dort eingelegt sind und die als poison papers, als vergiftete Wertpapiere da sind. Das zu beurteilen und zu bewerten, ist äußerst schwierig. Und dann müsste der Staat zusätzlich auch die operationalen Faktoren klären, also wer sind die Menschen, wer sind die Beamten, wer sind die Verantwortungsträger, die dann dieses operationale Geschäft machen.

March: Sie haben ja eben schon die ethische Perspektive auch angesprochen, Bischof Losinger, in der Bevölkerung wird die Diskussion ja mit Sorge, einer gewissen Ohnmacht und auch mit Wut gesehen, weil letztendlich auch bei der Verstaatlichung die Steuerzahler für die Fehler der Banker gerade stehen müssen. Ist das unvermeidbar?

Losinger: Das ist, so wie es derzeit aussieht, unvermeidbar und auch in der Tat unglücklich. Der Steuerzahler, auf den letztendlich die Verantwortung für Probleme zukommt, die er nicht verursacht hat, ist zu Recht sauer, und der Steuerzahler als der Träger dieser Verantwortung und der Kosten darf sich darüber aufregen. Ich mache auch ethisch noch ein zweites Problem geltend: Die Frage, wie wir derzeit mit diesen poison papers, mit diesen negativen Situationen umgehen, ist eine Situation, die die Zukunft belastet. Denn wo der Steuerzahler heute über große Kreditaufnahmen diese Probleme finanziert, werden zukünftige Generationen belastet, weil sie es bezahlen müssen. Und insofern sehe ich derzeit auch ein Ungleichheitsgefälle zu ungunsten der zukünftigen Generation, was nicht sein darf.

March: Haben Sie also den Eindruck, dass die Politik derzeit zu kurzfristig denkt?

Losinger: In der Tat wäre das mein zentraler Vorwurf. Nach den Grundlinien der Ordnungspolitik hätte ja in der Tat die Politik die Rahmenordnung zu setzen und zu kontrollieren, etwa im Wettbewerbsrecht, dass alles richtig läuft. Hier sind in der Tat auch Versäumnisse geschehen, was unter anderem auch die Schieflage einer Reihe von politischen Banken, der Landesbanken belegt. Was hier getan werden müsste, wäre in der Tat, auch die Art und Weise der Verantwortungsübernahme von Politikern neu zu sehen. Also wenn ich es einmal zuspitzen darf: Ich sehe ein größtes Problem heute darin, dass Politiker auch aufgrund der Struktur unserer Demokratie in die Falle des Denkens in Legislaturperioden tappen und damit nur kurzfristig taktische Entscheidungen, aber nicht langfristig strategische Entscheidungen verantworten, eben, weil sie wiedergewählt werden wollen.
March: Sehen Sie denn Anzeichen dafür, dass sich das ändert jetzt durch die Krise?

Losinger: Ich könnte mir kaum einen besseren Incentive, wenn ich es englisch ausdrücken darf, vorstellen als die derzeitigen Riesenherausforderungen unseres Finanzmarkts, dass wir tatsächlich in unserem Gemeinwesen insgesamt und vor allem in der Finanzpolitik umdenken müssen in Blick auf eine langfristige Verantwortungsübernahme.

March: Dr. Anton Losinger, Volkswirt und Weihbischof in Augsburg, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Losinger: Ich danke Ihnen!