Weichenstellung zur Reichsgründung

Von Anselm Weidner |
Die Schlacht von Königgrätz im Krieg Preußens gegen Österreich vor 140 Jahren war die entscheidende für ein Deutsches Kaiserreich von Aachen bis Königsberg und Schleswig bis München. Sie hat Weichen der europäischen Geschichte gestellt, mit Fernwirkungen weit ins 20. Jahrhundert hinein.
„Und am Morgen des 3. Juli stand neben Effis Bett eine Wiege. Doktor Hannemann patschelte der jungen Frau die Hand und sagte: ‚Wir haben heute den Tag von Königgrätz; schade, dass es ein Mädchen ist. Aber das andere kann ja nachkommen, und die Preußen haben viele Siegestage.‘“

Hintersinnig lässt Theodor Fontane in seinem Roman „Effi Briest“ die Titelfigur ihr einziges Kind Annie am 3. Juli zur Welt bringen. Denn der Sieg Preußens über Österreich beim böhmischen Königgrätz an diesem Tag im Jahr 1866 hatte die politische Landkarte in Europa schlagartig und tiefgreifend verändert. – Im Streit über die Vorherrschaft in Deutschland war Preußen unter Ministerpräsident Fürst von Bismarck aus dem Deutschen Bund ausgetreten und hatte Österreich den Krieg erklärt.

Am 16. Juni dringen preußische Truppen in Hannover, Kurhessen und Sachsen ein. Im Bund mit kleineren norddeutschen Verbündeten und Italien kämpft Preußen in Süddeutschland, Italien und Böhmen gegen Österreich und seine Verbündeten. Nach 18 Tagen Krieg gibt der österreichische General Ludwig von Benedek seinen Truppen den Befehl zum Rückzug auf das böhmische Königgrätz, heute Hradec Kralove, 100 Kilometer östlich von Prag. Preußen hatte unter dem Oberbefehl von König Wilhelm die Österreicher vernichtend geschlagen.

„Der glückliche Schlachtausgang beendete das Vabanquespiel, bei dem Bismarck mit dem Krieg gegen eine Großmacht alles auf eine Karte gesetzt hatte,“

schreibt der Historiker Hans-Ulrich Wehler. Der auf die Schlacht folgende Friedensschluss von Prag am 23. August 1866 schuf

„eine neue politische Struktur des deutschsprachigen Mitteleuropa. Der Deutsche Bund wurde aufgelöst, ohne jede österreichische Beteiligung wurde das deutsche Staatensystem neu geordnet, indem ein norddeutscher Bund unter preußischer Führung entstand (...) Schleswig-Holstein fiel ebenso an Preußen, wie jetzt Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt annektiert wurden.“

„Bismarck ist jetzt der populärste Mann Preußens. Alles schwärmt für ihn, auch die Demokraten",“

begeistert sich der Maler Wilhelm von Kügelgen zwei Tage nach dem überragenden Sieg Preußens. Die kleindeutschen Nationalisten feierten den Sieg von Königgrätz als Sieg des Protestantismus über den Papismus. Großdeutsch Gesinnte, wie Franz Grillparzer, beklagten sich bitter:

„"Ihr glaubt , ihr habt ein Reich geboren und habt doch nur ein Volk zerstört.“

Was Bismarck seit eh und je angestrebt hatte, die deutsche Einheit ohne Österreich, die „Kleindeutsche Lösung“ war nun nahe gerückt. Noch im Monat des Prager Friedens unterzeichnet Preußen Verträge mit den ersten 15 Staaten zum Norddeutschen Bund, dem sich in der Folgezeit alle Staaten nördlich der Mainlinie mit Billigung Frankreichs anschlossen. Einem geeinten Deutschland einschließlich der südlichen deutschen Staaten, da war sich Bismarck sicher, konnte
Frankreich nicht zustimmen. Dazu musste Napoleon III. in einen Krieg gezwungen werden. Durch diplomatische Schachzüge wurde er zur Kriegserklärung gegenüber Preußen gedrängt. Nach 180 Tagen blutigen Kampfes mit Frankreich wird am 18. Januar 1871 die deutsche Einheit im Spiegelsaal von Versailles proklamiert und der preußische König Wilhelm I. zum deutschen Kaiser gekrönt. Die staatliche Einheit von 40 Millionen Deutschen war zwar erreicht, nicht aber die Einheit in Freiheit. Denn der Sieg von Königgrätz 1866, der zur Kaiserkrönung in Versailles geführt hatte, bestärkte Bismarck in dem, was er immer angestrebt hatte: Das unter der Führung Preußens vereinte Deutschland sollte Monarchie, wenn auch eine konstitutionelle, bleiben, auf keinen Fall eine parlamentarische Demokratie werden.

„Die Eisenbahnen erlaubten einen rascheren Transport von Truppen; (...) die Verwendung von Telegraphen garantierte schnellere Nachrichten- und Befehlsübermittlungen; das Zündnadelgewehr, womit nur die preußische Feldarmee voll ausgerüstet war, verstärkte in
außerordentlichem Maße die Feuerkraft, (...) die Heeresreorganisation der vergangenen Jahre erhöhte die Schlagkraft der (...) taktisch beweglicher gewordenen Infantrie.“

Im letzten deutsch-deutschen Krieg setzte Generalstabschef Helmuth von Moltke konsequent modernste Technologie und moderne flexiblere Strategien ein, schreibt der Berliner Historiker Ernst Engelberg in seiner Bismarckbiografie. Die Schlacht von Königgrätz, die größte Schlacht des 19. Jahrhunderts, gilt auch als Markstein der militärtechnischen und strategischen Entwicklung in Europa.