Wehrpflicht

Immer noch eine Großbaustelle

02:26 Minuten
Wehrpflichtige in der Grundausbildung stehen auf einem Truppenübungsplatz bei Münster.
Wehrpflichtige in der Grundausbildung eines Panzergrenadierlehrbataillons 2010 auf einem Truppenübungsplatz bei Münster. Die damals geltende Wehrpflicht wurde am 1. Juli 2011 ausgesetzt, der Beschluss war bereits 2010 gefallen. © picture alliance / dpa / Peter Steffen
Von Klaus Remme · 15.12.2020
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Vor zehn Jahren beschloss die Bundesregierung, die Wehrpflicht auszusetzen. Das ging damals alles ziemlich schnell, findet Klaus Remme – zu schnell. Ein Dienstjahr für alle, möglicherweise im europäischen Kontext, sei eine interessante Überlegung.
Gemessen am grundsätzlichen Stellenwert der Wehrpflicht für die Bundeswehr ging das vor zehn Jahren alles ratzfatz. Als Verteidigungsminister war Karl-Theodor zu Guttenberg gerade mal ein Jahr im Amt, da präsentierte er eine Strukturreform inklusive Wehrpflicht-Aussetzung, ein paar Wochen später entschied das Kabinett – und als der Bundestag dann abstimmte, war zu Guttenberg schon gar nicht mehr im Amt.
Seine Amtsnachfolger konnten sehen, wie sie mit der politischen und militärischen Großbaustelle zurechtkamen. Eine breite nationale Debatte, wie sie eine solche Weichenstellung verdient hätte, hat es nicht gegeben.
Ja, es gab seinerzeit massive Ungerechtigkeiten in der praktischen Umsetzung. Nur die Minderheit eines Jahrgangs wurde tatsächlich eingezogen. Dennoch: Das Ende der Wehrpflicht wurde übers Knie gebrochen. Und gespart hat man auch nichts. Ab 2011 lag der Verteidigungshaushalt bei 32,33 Milliarden Euro. Heute sind es 47 Milliarden.
Aus unterschiedlichen Gründen und unterschiedlichen Richtungen wird über eine Rückkehr zur Wehrpflicht nachgedacht. Die AfD zitiert preußische Heeresreformer und sieht die Bürger als geborene Verteidiger des Staates. Andere sehen im Wehrdienst ein Instrument gegen rechte Abschottungstendenzen in der Truppe. Wie in der reformierten, kleineren, spezialisierten Bundeswehr Wehrgerechtigkeit hergestellt werden könnte, sagt die AfD nicht.
Und wer sich Sorgen um rechtsextreme Soldaten macht, der muss bei der Rekrutierung genauer hinschauen, die Sicherheitsdienste stärken und die politische Bildung verbessern. Die Strukturen für Wehrpflichtige in der Bundeswehr wurden mühsam abgeschafft. Sie wieder aufzubauen, würde viel Zeit und viel Geld kosten – und dies ohne sicherheitspolitischen Gewinn.
Ein Dienstjahr für alle, mit sozialem, kulturellem, militärischem oder entwicklungspolitischem Schwerpunkt, möglicherweise gar im europäischen Kontext, darüber lohnt es sich, nachzudenken. Doch das ist etwas ganz anderes. Darüber sollte es die breite Debatte geben, die damals, vor zehn Jahren, als die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, gefehlt hat.
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