Wehmütige Welterben

Von Alexandra Gerlach |
Am Sonntag haben sich bundesweit über 30 Kulturstätten beim Unesco-Welterbetag präsentiert. Auch Dresdener Bürger begingen diesen Tag feierlich, allerdings in dem Wissen, dass dies der letzte Welterbetag in Dresden gewesen sein könnte: Die Unesco will Dresden den Titel wegen des Baus der umstrittenen Waldschlösschen-Brücke wieder aberkennen.
Dresden heute Abend. Auf dem Neumarkt an der Frauenkirche haben sich Vertreter verschiedener Welterbe-Initiativen sowie interessierte Bürger am Ende des 5. Welterbe-Tages versammelt. Gemeinsam wollen sie für den Erhalt des Unesco-Titels für das Dresdner Elbtal werben. Ihr Motto: Der Titel könnte zwar schon verloren sein …

"...aber das Erbe selbst, dafür engagieren sich ganz viele Initiativen zwischen Pillnitz und Übigau, das haben wir heute hier gefeiert, mit einem lachenden und einem weinenden Auge ... Wir Dresdner wollen gerne Welterben bleiben, und dafür engagieren wir uns!"

Zum Auftakt der Kundgebung werden Plakate versteigert, die in der letzten Woche einen kleinen Skandal in der Stadt ausgelöst hatten. Sie zeigen den US-Präsidenten Barack Obama vor der berühmten Dresdner Elbauenlandschaft, daneben der Schriftzug auf Englisch "Sorry, I can't understand your Mrs Orosz", zu Deutsch: "Es tut mir leid, ich kann Ihre Frau Orosz nicht verstehen". Helma Orosz ist CDU-Mitglied und Oberbürgermeisterin der Stadt Dresden. Sie hatte jüngst an das Welterbezentrum der Unesco appelliert, sowohl den Bürgerentscheid für die Brücke, als auch entsprechende Urteile der Gerichte zu respektieren.

In der Nacht vor Obamas Ankunft in Dresden ließ die Stadt die Plakate polizeilich konfiszieren, Begründung:

"Gefahr im Verzuge, es war eine regelrechte Beschlagnahme und mit dieser 'Gefahr im Verzuge', das ist ein regelrechtes Totschlagargument und damit kann die Polizei dann alles."

Die Aktion wird ein juristisches Nachspiel haben, soviel steht schon fest. Der Erlös der Auktion an diesem Abend soll helfen, Anwaltskosten teilweise zu decken.

Die Episode zeigt, wie blank die Nerven in der Brückenfrage liegen. Als wahrscheinlich gilt, dass das Welterbekomitee auf seiner Sitzung im spanischen Sevilla am 23. Juni das letzte Kapitel im Dresdner Brückenstreit aufschlagen wird. Dann wird sich entscheiden, ob Dresden überhaupt auf der kulturellen Welterbeliste bleibt oder nicht. Das Welterbezentrum in Paris hat sich erst kürzlich für eine Streichung des Dresdner Welterbetitels wegen des umstrittenen Brückenbaus ausgesprochen. Dieses Papier soll allen 21 Mitgliedstaaten des Komitees als Vorlage zugeleitet werden.

Schon diese Vorstellung treibt so manchen Dresdner Bürgern an diesem 5. Welterbetag im Dresdner Elbtal die Tränen in die Augen:

"Na ja, das wäre furchtbar, wer gibt denn ein Welterbe weg, es wäre doch möglich gewesen, eine kleinere Überführung zu machen, oder unterirdisch, war doch alles im Gespräch, und wenn die Bürger das vorher gewusst hätten, was das für Ausmaße annimmt, hätten die ja alle nicht zugestimmt."

"Warum tut die Bundesregierung nichts? Sie hat den Vertrag unterschrieben mit der Unesco? Tut nichts! Und wir können nicht an die Kanzlerin ran, weil de Maiziere, der Kanzlersekretär ... Die Kanzlerin kriegt nicht mal Post von uns."

"Dresden würde in der Welt viel Ansehen verlieren, ... mit dem Aufbau der Frauenkirche, der Flut und all der Hilfsbereitschaft, das alles setzen wir aufs Spiel."

Man dürfe die Hoffnung noch nicht aufgeben, meint Achim Weber von der Grünen Liga. Obwohl die Widerlager für die neue Waldschlösschenbrücke beiderseits der Elbe bereits in Beton gegossen sind, meint Weber:

"Ich denke mir, es ist alles immer noch möglich. Wenn der politische Wille besteht, kann man sofort den Bau vorübergehend einstellen und zum Bau eines Tunnels umschwenken, alles ist noch möglich."

Dieser Auffassung widerspricht der Leiter des Dresdner Straßen- und Tiefbauamtes, Reinhard Koettnitz, bei einem Baustellenbesuch ganz entschieden:

"Technisch ist ein Tunnel machbar, das haben wir auch immer gesagt, da sind die Rampen länger, das kann man alles hinkriegen, aber dann muss man von Anfang an einen Tunnel bauen wollen. Den Tunnel jetzt irgendwie hier anzuflanschen, um dann hier oben irgendwie unter der Elbe durchzukommen, geht nicht, das geht einfach nicht!"

Für Achim Weber von der Grünen Liga geht es inzwischen um weit mehr, als nur um diese Brücke, schon deshalb will er mit seiner Organisation weiter für einen Tunnel kämpfen:

"Es ist schon die Frage, wie man dann weltweit mit Welterbestätten umgeht, das ist überhaupt das Problem, das jetzt entstanden ist, durch diese Entwicklung in Dresden. Ob der Titel bleibt oder aberkannt wird, es bleibt die Frage, wie steht es um ihren Schutz?"

Etwas verstört steht indessen ein älteres Dresdner Paar vor den Fotos einer Ausstellung über das Dresdner Elbtal und die Geschichte der strittigen Brücke. Ihr Blick fällt auf eine Brücken-Studie, die vor einigen Monaten in den Tageszeitungen abgedruckt war und die schon damals in der Stadt für Empörung sorgte, weil die neue Brücke auf dem Bild so klobig wirkte:

"Nicht so gut, ich finde das nicht gut, wir wohnen dahinten, ... das war so eine wunderbare Begehung da, man konnte da so schön spazieren gehen, ... traut man sich gar nicht mehr hin ...

Dass das solche Ausmaße annimmt, rundherum, ehe die Brücke dort stehen wird, dass das so ein mächtiges Bauwerk wird, das haben wir ja alle gar nicht gewusst."

Der endlose Streit um diese Brücke, die schon seit Jahrzehnten die Elbmetrople mehr spaltet denn verbindet, stößt auch bei guten Freunden der Stadt auf Unverständnis. Star-Dirigent Kurt Masur, der erst vor gut einer Woche hier zu Gast war, resümierte kopfschüttelnd und ernüchtert:

"Ihr seid ja nie zu einer Einigung gekommen, ob das die Brücke war oder der Tunnel, es wurde diskutiert und am Schluss fand sich doch der, der die schlechtere Lösung gemacht hat."