Wegwerfen und seine Folgen

14.05.2010
Annie Leonard, ehemalige Expertin für Umweltfragen bei Greenpeace, zeigt die internationalen Stoffströme auf und demonstriert, wo unser Müll landet oder wieviel Ressourcen die Handyherstellung verschwendet. Zugleich zeigt sie Alternativen auf.
Wissen Sie, wo Ihr Handy zusammengebaut wird, aus welchen Materialien es besteht und was mit ihm passiert, wenn Sie es ausrangieren? Vermutlich stammt es aus China, die Metalle werden in Afrika abgebaut und es landet später in indischen Hinterhöfen, um zerlegt zu werden. Es hat allerdings so viele Einzelteile, dass selbst die amerikanische Buchautorin Annie Leonard Schwierigkeiten hat, genau zu sagen, woher alle Teile kommen und enden. Dabei ist sie nun wirklich eine ausgewiesene Expertin für Stoffströme, wie sie in ihrem neuen Buch pointiert beweist.

Zeigt doch das Handybeispiel überdeutlich, wie wenig wir über Werden und Vergehen unserer Alltagsprodukte wissen. Und genau hier setzt Annie Leonard an und schafft Abhilfe: Systematisch hat die Amerikanerin den Weg zahlreicher Konsumgüter vom T-Shirt bis zum Computer zurückverfolgt und den einzelnen Etappen jeweils ein Kapitel gewidmet.

Sie beginnt mit der Rohstoffgewinnung. Um eine Tonne Papier herzustellen, braucht man zum Beispiel rund 98 Tonnen Rohstoffe. Dazu gehören nicht nur die gefällten Bäume, sondern auch die Materialien, die benötigt werden, um Erntemaschinen zu bauen, LKWs für den Transport, die Sägewerke und Papierfabriken, die Chemikalien, die Energie, das Wasser. Schnell wird so klar, Konsumgütern sieht man nicht an, wie viel Ressourcen sie auffressen.

Dabei verbrauchen die Industrienationen heute schon weit mehr als das 1,4-fache dessen, was nachwachsen kann. Von Nachhaltigkeit also keine Spur, vielmehr vom Raubbau am Naturerbe.

Was für die Rohstoffgewinnung gilt, ist auch auf die Produktion übertragbar. Die Verlagerung der Herstellung in die Entwicklungsländer, um Kosten zu sparen, funktioniert nur auf Kosten der Gesundheit von Abermillionen Billigstlohnkräften, schreibt Leonard. Werden doch zahlreiche giftige Stoffe zur Produktion eingesetzt, die dann entweder in den Produkten stecken oder als Abfall in die Umwelt entlassen werden.

Ressourcenverschwenderisch ist auch die globale Distribution der Waren. Psychologisch raffiniert versteht es die Werbung, uns zum Konsumieren zu verleiten. Die Entsorgung der weggeworfenen Konsumgüter ist kriminell: Giftmüllexporte in die 3. Welt, leckende Deponien, Luftverschmutzung durch Müllverbrennung. Annie Leonard führt deutlich vor Augen, dass es so nicht weitergehen kann.

Sie kann glänzend zusammenfassen und ihre Themen zielgenau auf den Punkt bringen. Die Autorin belässt es nicht bei der Auflistung der zahlreichen Probleme, sie erwähnt stets auch positive Beispiele für die Vermeidung von Umweltbelastungen. Ein Richtungspfeil neben dem Text verweist auf Unternehmen, die sich vorbildlich verhalten und damit auch noch Gewinne machen. Und schließlich zeigt eine kleine Strichfigur, die ein Schild mit der Inschrift "Hoffnung" hochhält, dass neue Vorschriften oder Bürgerinitiativen dabei sind, die Situation zu verbessern.

Annie Leonard strahlt Optimismus aus – angesichts der Fülle der aufgeführten Probleme erstaunlich und ermutigend. Ein starkes Buch, das, wenn nicht zum Handeln, so doch zum Nachdenken über unseren Lebensstil animiert.

Besprochen von Johannes Kaiser

Annie Leonard: The Story of Stuff - Wie wir unsere Erde zumüllen
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christoph und Carola Bausum sowie Stephan Gebauer
Econ Verlag, Berlin 2010
399 Seiten, 18 Euro

Service:
Die Autorin hat auch eine Website zum Thema eingerichtet, wo auch der gleichnamige Videofilm zu finden ist: The Story of Stuff