Wegen Schwänzens von Russisch ins Gefängnis
Im früheren Potsdamer KGB-Gefängnis ist am Dienstag der Grundstein für eine Gedenk- und Begegnungsstätte gelegt worden. Von 1945 bis 1955 inhaftierte der sowjetische Geheimdienst dort Deutsche, danach Angehörige der sowjetischen Armee. Das Haus, dessen Erhalt unter anderem von der EU gefördert wird, soll im Mai 2008 eröffnet werden.
" Ich wurde am 18. Dezember 1945 verhaftet, das war morgens zwischen halb sechs und sechs Uhr, wir schliefen noch, sie wollten mich zur sowjetischen Kommandantur mitnehmen. Meine Mutter wachte auf, die wollte mich verteidigen, aber die beschwichtigten und sagten, diese Unterredung würde ungefähr eine halbe bis eine dreiviertel Stunde dauern. "
Aus der halben Stunde werden 5 Jahre. Ein sowjetisches Militärgericht verurteilt den Potsdamer Schüler Hermann Schlüter im Januar 1946 zum Tode. Der Vorwurf: antisowjetische Propaganda und Gruppenbildung - da ist er gerade 15 Jahre alt. Er hat mit Freunden Fußball gespielt statt am Russischunterricht teilzunehmen.
" Eigentlich lautete das Urteil nur: Schlüter war im Oktober und November feindlich gegen die Sowjetunion eingestellt und hat den Russischunterricht verweigert, das war der ganze Anklagepunkt. "
Zusammen mit drei Klassenkameraden wird Hermann Schlüter in das Potsdamer KGB-Gefängnis gesteckt, wartet dort auf seinen Tod. Ohne Heizung, ohne Wasser, ohne Tageslicht. Zusammengepfercht mit zehn anderen Todeskandidaten auf einer Holzpritsche.
" Es gab auch keine Decken, es gab gar nichts, kein Stroh, auf dieser Pritsche konnten wir am Tage sitzen, da war eine Lampe über der Tür, die Tag und Nacht brannte. "
Die drei Klassenkameraden von Hermann Schlüter werden erschossen, er selber begnadigt, das Todesurteil umgewandelt in 20 Jahre Arbeitslager. Die sowjetischen Besatzer schicken viele Häftlinge von Potsdam aus in die Straf- und Arbeitslager des stalinistischen Gulag-Systems. Hermann Schlüter hat Glück, er muss noch fünf Jahre Haft in Torgau und Bautzen absitzen - 1950 ist er wieder frei.
Seine damalige Zelle im Potsdamer KGB-Gefängnis sieht heute noch genauso aus wie vor 60 Jahren. Im Keller riecht es muffig. In der Ecke eine Art Dusche aus Beton – ein Folterinstrument.
" Das war ein Wasserkarzer, da war Wasser, bis zum Knöchel oder bis zum Knie eingefüllt, und der Gefangene musste darin stehen. "
erklärt Peter Leinemann, Geschäftsführer des Evangelisch-kirchlichen Hilfswerks, dem das Gebäude jetzt wieder gehört. Die Kirche hat die Leistikowstraße 1 1916 als Villa gebaut, 1994 als Gefängnis wiederbekommen, sagt Leinemann, und erzählt von den vielen Gesprächen mit ehemaligen Häftlingen, die er in den letzten Jahren geführt hat.
" Viele haben uns berichtet, dass sie gar nicht wussten, warum sie hier waren. Hier kann man es am Orte noch nachfühlen, und die Gefangenen berichten es auch, dass Geständnisse, die gebraucht wurden, hier erpresst worden sind. "
"Eine Besichtigung dieses Ortes ist besser als zehn Stunden Geschichtsunterricht" - ist im Besucherbuch zu lesen. Oder auch: "Mein Mann hat hier ein halbes Jahr gesessen, dann ist er in den Gulag nach Workuta gekommen. Ich bin sehr traurig." Oder: "Hoffentlich bleibt dieses Mahnmal erhalten." Dies wünschen sich auch die Zeitzeugen.
" Ich persönlich halte es für sehr wichtig. Wenn Sie an dem Punkt stehen, an dem Zimmer, wo ich begnadigt wurde, zum Beispiel. Deshalb ist es sehr wichtig, man sollte so etwas erhalten. "
Der Wunsch der ehemaligen Häftlinge wird nun Realität. Mit 2,3 Millionen Euro vom Land Brandenburg, dem Bund und privaten Sponsoren bleibt der authentische Ort erhalten, nebenan entsteht ein Ausstellungsgebäude, in dem auch Begegnungen zwischen Zeitzeugen und Interessierten stattfinden können. Bischof Wolfgang Huber sagte bei der Grundsteinlegung:
" Vor diesem Haus, das Menschen Heimat bot und später zur Falle wurde, vor diesem Haus verstehen wir, warum der russische Schriftsteller Daniel Granin das 20. Jahrhundert als Jahrhundert der Angst beschrieb. Und wenn wir an diese Zeit erinnern, dann mit der festen Absicht, dass das 21. Jahrhundert nicht mehr ein solches Jahrhundert der Angst sein soll. "
Noch ist die Geschichte des Potsdamer KGB-Gefängnisses nicht erforscht. Zwar liegen viele Zeitzeugenberichte vor, aber die Akten des früheren Sowjetischen Ministeriums für Staatssicherheit bleiben bis heute für Historiker und ehemalige Häftlinge verschlossen. Wie viele Menschen in Potsdam insgesamt einsaßen ist ebenso wenig bekannt wie die Zahl der Toten. Bis 1955 inhaftiert der sowjetische Geheimdienst Deutsche, danach nur noch Angehörige der sowjetischen Armee - auch über ihr Schicksal ist bislang wenig bekannt.
Hermann Schäfer, Vizebeauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien:
" Wer sich hier umschaut, lernt rasch. Über das Ende des Zweiten Weltkriegs, über den menschenverachtenden Umgang der Roten Armee mit deutschen Bürgern und sowjetischen Soldaten, über die sowjetische Militäradministration, über politische Terrorapparate. "
Im Mai nächsten Jahres wird das ehemalige Potsdamer KGB-Gefängnis wiedereröffnet - als Gedenk- und Begegnungsstätte.
Aus der halben Stunde werden 5 Jahre. Ein sowjetisches Militärgericht verurteilt den Potsdamer Schüler Hermann Schlüter im Januar 1946 zum Tode. Der Vorwurf: antisowjetische Propaganda und Gruppenbildung - da ist er gerade 15 Jahre alt. Er hat mit Freunden Fußball gespielt statt am Russischunterricht teilzunehmen.
" Eigentlich lautete das Urteil nur: Schlüter war im Oktober und November feindlich gegen die Sowjetunion eingestellt und hat den Russischunterricht verweigert, das war der ganze Anklagepunkt. "
Zusammen mit drei Klassenkameraden wird Hermann Schlüter in das Potsdamer KGB-Gefängnis gesteckt, wartet dort auf seinen Tod. Ohne Heizung, ohne Wasser, ohne Tageslicht. Zusammengepfercht mit zehn anderen Todeskandidaten auf einer Holzpritsche.
" Es gab auch keine Decken, es gab gar nichts, kein Stroh, auf dieser Pritsche konnten wir am Tage sitzen, da war eine Lampe über der Tür, die Tag und Nacht brannte. "
Die drei Klassenkameraden von Hermann Schlüter werden erschossen, er selber begnadigt, das Todesurteil umgewandelt in 20 Jahre Arbeitslager. Die sowjetischen Besatzer schicken viele Häftlinge von Potsdam aus in die Straf- und Arbeitslager des stalinistischen Gulag-Systems. Hermann Schlüter hat Glück, er muss noch fünf Jahre Haft in Torgau und Bautzen absitzen - 1950 ist er wieder frei.
Seine damalige Zelle im Potsdamer KGB-Gefängnis sieht heute noch genauso aus wie vor 60 Jahren. Im Keller riecht es muffig. In der Ecke eine Art Dusche aus Beton – ein Folterinstrument.
" Das war ein Wasserkarzer, da war Wasser, bis zum Knöchel oder bis zum Knie eingefüllt, und der Gefangene musste darin stehen. "
erklärt Peter Leinemann, Geschäftsführer des Evangelisch-kirchlichen Hilfswerks, dem das Gebäude jetzt wieder gehört. Die Kirche hat die Leistikowstraße 1 1916 als Villa gebaut, 1994 als Gefängnis wiederbekommen, sagt Leinemann, und erzählt von den vielen Gesprächen mit ehemaligen Häftlingen, die er in den letzten Jahren geführt hat.
" Viele haben uns berichtet, dass sie gar nicht wussten, warum sie hier waren. Hier kann man es am Orte noch nachfühlen, und die Gefangenen berichten es auch, dass Geständnisse, die gebraucht wurden, hier erpresst worden sind. "
"Eine Besichtigung dieses Ortes ist besser als zehn Stunden Geschichtsunterricht" - ist im Besucherbuch zu lesen. Oder auch: "Mein Mann hat hier ein halbes Jahr gesessen, dann ist er in den Gulag nach Workuta gekommen. Ich bin sehr traurig." Oder: "Hoffentlich bleibt dieses Mahnmal erhalten." Dies wünschen sich auch die Zeitzeugen.
" Ich persönlich halte es für sehr wichtig. Wenn Sie an dem Punkt stehen, an dem Zimmer, wo ich begnadigt wurde, zum Beispiel. Deshalb ist es sehr wichtig, man sollte so etwas erhalten. "
Der Wunsch der ehemaligen Häftlinge wird nun Realität. Mit 2,3 Millionen Euro vom Land Brandenburg, dem Bund und privaten Sponsoren bleibt der authentische Ort erhalten, nebenan entsteht ein Ausstellungsgebäude, in dem auch Begegnungen zwischen Zeitzeugen und Interessierten stattfinden können. Bischof Wolfgang Huber sagte bei der Grundsteinlegung:
" Vor diesem Haus, das Menschen Heimat bot und später zur Falle wurde, vor diesem Haus verstehen wir, warum der russische Schriftsteller Daniel Granin das 20. Jahrhundert als Jahrhundert der Angst beschrieb. Und wenn wir an diese Zeit erinnern, dann mit der festen Absicht, dass das 21. Jahrhundert nicht mehr ein solches Jahrhundert der Angst sein soll. "
Noch ist die Geschichte des Potsdamer KGB-Gefängnisses nicht erforscht. Zwar liegen viele Zeitzeugenberichte vor, aber die Akten des früheren Sowjetischen Ministeriums für Staatssicherheit bleiben bis heute für Historiker und ehemalige Häftlinge verschlossen. Wie viele Menschen in Potsdam insgesamt einsaßen ist ebenso wenig bekannt wie die Zahl der Toten. Bis 1955 inhaftiert der sowjetische Geheimdienst Deutsche, danach nur noch Angehörige der sowjetischen Armee - auch über ihr Schicksal ist bislang wenig bekannt.
Hermann Schäfer, Vizebeauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien:
" Wer sich hier umschaut, lernt rasch. Über das Ende des Zweiten Weltkriegs, über den menschenverachtenden Umgang der Roten Armee mit deutschen Bürgern und sowjetischen Soldaten, über die sowjetische Militäradministration, über politische Terrorapparate. "
Im Mai nächsten Jahres wird das ehemalige Potsdamer KGB-Gefängnis wiedereröffnet - als Gedenk- und Begegnungsstätte.