Wege zu Kraft und Weisheit

Von Peter Kaiser · 25.08.2012
Seit Jahrtausenden gleichen chinesische Mönche mit von Tieren abgesehenen Bewegungen stundenlanges Sitzen beim Meditieren aus. Aus der Konzentration und den Bewegungen entstand so Kung Fu, die Mutter aller Kampfkünste. Karate, Judo, Taekwondo, Ninjutsu, Kendo, Aikido, Kyudo – die Liste der Kampfkünste, die heutzutage weltweit praktiziert werden, ist lang.
Grundlegend für alle martialischen Künste ist dabei, dass der Kampfsportler nicht angreift, sondern das Erlernte zur Abwehr oder sogar zur Friedfertigkeit nutzt. Doch vorher steht dem Anfänger, welcher Kampfkunst auch immer, stets ein jahrelanger Weg des Erlernens bevor. Denn die zahlreichen Faustschläge, Sprünge, Hebel- und Abwehrtechniken, später die Ausweichmanöver oder Angriffskombinationen, sind ungewohnt und schwierig.

Bei allem wird der Schüler noch mit dem konfrontiert, was in ihm ist, und was er zu jedem Training mitbringt: Angst, schlechte Konzentration, fehlende Kraft und eine ungenügende Körperhaltung.

Das stetige Üben, der Durchhaltewille, nicht verbissen, doch beharrlich, bauen diese Mängel nach und nach ab. Dabei spielt der Lehrer, der Meister, eine wichtige Rolle. Er zeigt Wege auf, fordert und fördert so seinen Schüler. Und wenn aus dem Anfänger mit dem weißen Gürtel nach vielen Jahren ein Träger des schwarzen Meistergürtels geworden ist, dann liegt ein langer Weg zu Weisheit und Kraft hinter ihm.

Gesprächspartner der Langen Nacht:

Frank Takacs - Berlin, Karatemeister

Frank Takacs: "Es gibt ja dieses Buch der 5 Ringe. Und es gibt andere Kampfkunst- oder Kriegskatechismen, nach denen sich die Leute dann orientieren. Das hat schon wieder was mit einer Begrenztheit zu tun. Das denke ich, ist nicht wirklich förderlich."

Der heute 50-jährige Frank Takacs ist sowohl Diplomingenieur als auch Träger des 5. Dan im Shotokan-Karate. Seit rund 30 Jahren unterrichtet Frank Takacs das Shotokan-Karate des Gichin Funakoshi.

Frank Takacs: "Am besten ist es, man kann alle Bücher wegwerfen. Und das sage ich jetzt sowohl als Kampfkünstler, ich habe hier ja meterweise Karatebücher im Regal stehen, habe ich alle gesehen. Muss ich im Prinzip nicht weiter haben. Die stehen da, weil es schöne Bücher sind."

Nadine Zahn, Nadine - NRW - Asemissen, Shaolin-Karatemeisterin

"Shaolin bedeutet ja eigentlich kleiner oder junger Wald. Das heißt, es war früher so, dass die Mönche sich um den Tempel so'n Kiefernwald gepflanzt haben als Schutz. Deshalb Shaolin. Kempo bedeutet ja Faust, oder der Weg der Faust und Karate heißt ja auch Weg der leeren Hand. Und für mich ist es einfach interessant, sich mit der leeren Hand, ohne Waffen zu wehren."

Bei allen Wesenverwandtheiten gibt es dennoch Unterschiede vom Shotokan zum Shaolin-Kempo-Karate.

Nadine Zahn "Wir machen nicht nur starres Vor- und Zurückgehen. Das ist ja oft beim Shotokan so, dass da viel Grundschule ist mit Vor- und Zurückgehen. Sondern wir haben beim Kempo auch extrem viele Partnerübungen, wir machen sehr viel Selbstverteidigung, bringen wir auch mit rein, wir haben Hebel- und Würgetechniken aus dem Jiu Jitsu, Fallschule aus dem Judo, aus dem Kobudo, das heißt, wir nehmen auch Waffen in die Hand, nicht nur Stöcker, Messer und Tonfa, und BOs."

Tonfa ist ein Schlagstock, den auch Polizisten benutzen. Die Tonfa kommen aus China, und sind - in größeren Ausfertigungen - einmal Kurbeln an Mühlsteinen gewesen. Der 1,82 Meter lange Stock BO, ursprünglich Rokushaku-BO, lässt sich als Waffe bis ins japanische 5. Jahrhundert zurückverfolgen. Erst wurde er zum Tragen von Lasten über die Schulter gelegt, dann fand er auch als Waffe Verwendung. Shaolin-Kempo-Karate ist durchmischt von chinesischen Kung Fu-Elementen und japanischem Karate. Daher auch der Zwittername. Diese Synthese von Elementen hat womöglich seinen Ursprung im Zweiten chinesisch-japanischen Krieg, als der 1928 in der Mongolei geborene Dschero Kahn Chen Tao diese Kampfkunst entwickelte. Ab den 1960er Jahren verbreitete sich Shaolin-Kempo-Karate in Europa. Doch welche Unterschiede es zum Kung Fu und zum Shotokan-Karate es auch geben mag, eines ist mit allem gemeinsam, sagt Nadine Zahn, die noch recht junge Trägerin des 3. Dan...

Nadine Zahn: "Man hat ein Ziel, den Weg, den man eben geht. Man sagt ja auch: der Weg ist das Ziel. Das heißt, man setzt sich Grenzen. Man sagt sich, ich möchte mal nen Schwarzgurt haben. Und daraufhin habe ich trainiert. Mittlerweile habe ich den dritten Schwarzgurt und sage mir natürlich ist das noch nicht alles. Ich gebe mich damit noch nicht zufrieden. Möchte noch mehr Erfahrung, noch mehr Aufnehmen, saugen. Man entwickelt sich so als Schwarzgurt, man guckt halt. Die eine geht mehr so in die Selbstverteidigung rein, die Schiene, der andere mag mehr so dieses statische Karate."

Su-Ung Chae, - Berlin-Seoul - Taekwondomeister

Seit über 30 Jahren steht im Berliner Schöneberg im Dojo Meister Chae und unterrichtet Taekwondo des WTF-Stils. Chae, Su-Ung,- Su-Ung ist der Vorname - ist inzwischen 67 Jahre alt und Träger des 9. Dan.

Chae-Su-Ung: "Taekwondo ist koreanischer Kampfsport. Und Tae bedeutet Fuss, und Kwon bedeutet Faust und Arm und Abwehr. Do ist ein geistlicher Weg."

Der geistige Weg, ist auch im Koreanischen Nationalkampfsport Taekwondo präsent. Auch hier waren die ursprünglichen Handkantenschläge, Tritte und Sprünge dem chinesischen Kung-Fu und damit der Zen-Praxis entlehnt. Anders aber als Karate, Kyudo oder Kendo, die eher Menschen ansprechen, die einen Weg zur Erkenntnis suchen, zieht das dynamische, moderne und mit seinen Drehsprüngen attraktive Taekwondo Millionen Jugendliche weltweit an. Taekwondo ist eher ein Kampfsport als eine Kampfkunst, darum ist es auch seit kurzem eine olympische Disziplin. Wie sehr sich die jahrzehntelange Praxis des Taekwondo auf die Gesundheit auswirkt, sieht man am unmittelbarsten am Lehrer selbst. Chae Sabumnim, was ehrenhafter Meister Chae bedeutet, ist nicht das, was man einen Rentner nennt. Der etwa 165 cm große, dunkel-haarige Mann ist noch immer drahtig, kräftig und ungemein wendig. Und noch immer - wie vor dreißig und mehr Jahren - setzt er federleicht die Fußhacke auf die Stirn seines Gegners im Freikampf, dreht sich um sich selbst im 360-Grad-Sprung, und trifft mit dem Fußspann den Hinterkopf. Und noch immer sind die von ihm demonstrierten Fauststöße, Fußtritte und Sprünge noch ein wenig besser und schneller, noch ein wenig exakter, noch ein wenig gefährlicher als die seiner Schüler, selbst wenn die nun auch Träger mehrfacher Meistergrade sind.

Chae-Su-Ung: "Taekwondo ist nicht brutal, sondern intelligente Sportart. Selbstverteidigung. Weltmeister natürlich bessere Technik zeigen, bessere Motivation zeigen, bessere Moral. Schmerz muß durchhalten. Weltmeister auch ein Mensch, muß Mühe geben, dafür Schmerz, dafür Weltmeistertitel. Mehr trainiert, mehr Schmerzen gehabt."

Taekwondo ist wie Judo olympische Disziplin. Zählt man die wichtigsten - also die weltweit am häufigsten - betriebenen Kampfsportarten und Kampfkünste auf, dann darf das koreanische Taekwondo nicht fehlen. Vielleicht könnte ein Ranking so aussehen: Karate, Kung Fu, Kickboxen, Judo, Taekwondo. Danach kommen die unendlichen Variationen und Abwandlungen der jeweiligen Hauptsysteme. Doch was ist Taekwondo? Wann ist es entstanden? Und warum ist Taekwondo olympische Disziplin, und Karate etwa oder Kung Fu nicht?

Jörg Potrafki - Berlin, Kendomeister

Jörg Potrafki ist Träger des 7. Kendo-Dan. Der mehrfache Europa-und Deutsche Kendomeister leitet seit mehr als 25 Jahren das Training der Kendo-Gruppe an der Berliner Freien Universität.

Jörg Potrafki: "Musashi ist ein Mythos, und auch dieser Schwertkampf in dieser Form wie er ausgetragen wurde, unterscheidet sich deutlich von dem, was wir mit dem Shinai machen. Vielleicht zwei grundlegende Unterschiede: mit dem Schwert schneiden wir durch, ziehen, mit dem Shinai schlagen wir. Das sind zwei entgegen gesetzte Bewegungen im Grunde genommen."

Zitator: Das Shinai ist ein Schwert aus vier Bambuslamellen, das im modernen Kendo, dem Schwertkampf verwendet wird.

Jörg Potrafki: "Dennoch sind die Haltung und die Idee Musashis im Kendo nach wie vor angelegt. Dass man seinen Weg findet, das war die Aussage Musashis im Grunde genommen, dass man im Sinne des ZEN zur Erleuchtung gelangen kann. So weit will ich hier gar nicht gehen, aber man kann seine Sache hier finden, die ja vielleicht eine Sache ist, die neue Horizonte öffnet."

Vincente de Oliveira, - Berlin, Kyudomeister

Vincente de Oliveira: "Dozukuri. Das Aufrichten des Oberkörpers, also nachdem er die Füße gesetzt hat und unten den Stand aufgebaut hat, setzt sich das in den Oberkörper fort, wobei man dann versucht Spannung in den Unterbauch zu bringen, um die Körpermitte stabil zu kriegen. Der Schütze ist ja letztendlich nicht anders als ne Lafette. Man muss einerseits stabil sein, andererseits aber ne dynamische Abschussbewegung so produzieren können, dass der Körper nicht hin und her wackelt. Denn sonst wird man nicht sicher treffen."

Dann greift man den Bogen auf eine spezielle Art und Weise. Denn so gleicht man die Besonderheiten des asymmetrischen japanischen Bogens aus.

Vincente de Oliveira: "Der Griff ist nicht in der Bogenmitte, sondern so, dass der untere Wurfarm ein Drittel ist, der obere zwei Drittel. Und allein diese Aufteilung, die ja von den westlichen Bögen abweicht, wo der Griff einfach ist der Mitte ist, führt dazu, dass der Bogen, wenn er voll aufgespannt ist, die untere Sehne kürzer ist als der obere Teil im vollen Auszug ist der untere Teil der Sehne da kürzer, in dem Moment, wo der Pfeil sich löst schneller als der obere Teil. Also er ist schneller wieder in der Ausgangsposition. Und das führt physikalisch dazu, dass der Bogen im Anschluss die Tendenz hat mit dem oberen Ende zum Schützen hin zu kippen. Das heißt, der Griff am Bogen muss am Abschuss den Bogen nach vorn unten drücken um diese Gegenkraft auszugleichen, damit der Bogen am Abschuss vertikal steht und sich um die eigene Achse drehen kann."

Michael Haller - MV-Plüschow, Kyudomeister

Michael Haller: "Zum Beispiel als Mori-Sensei hier im Dojo geschossen hat und wir hier ein Seminar hatten, sagte er am Schluss: vergesst nicht, das Bogenschießen macht erst mal schlechte Menschen.' Das meint: die ganzen Eigenschaften, die wir so mitbrin-gen kommen dabei raus. Also nicht nur Eitelkeit, sondern Gier, Ruhmessucht, Erfolgreich sein wollen, Lösungen suchen, was auch immer. Eifersucht, Konkurrenzdenken und so weiter. Das wird aber gemeint als Erfahrungsschätze. Also ich muss sie tatsächlich auch durchlaufen und sammeln. Ich muss sie kennen lernen. Und sie sozusagen in meinen Erfahrungsbereich rein nehme, damit ich auch nicht nur schießen und mich entwickeln kann Also ich kann mich erinnern, dass wir damals alle überrascht waren, als Mori-Sensei das so entschieden sagte: vergesst das nicht. Aber es ist eine ganz wichtige Sache zu sagen, ich werde jetzt mit mir, was wir eben schon angesprochen haben, auch ganz unmittelbar konfrontiert. Aber es ist eine Bereicherung für mich, dass ich das kennen lerne, und dass ich das durchlaufen kann. Und eines Tages werde sogar davon frei sein. Es gibt ja auch Texte, die sagen, du brauchst diesen Geist erst einmal zur Konzentration für einzelne Dinge, dann vielleicht für das Ganze, dass du dich auch in dem Schuss als ganzheitlich wahrnimmst, aber irgendwann musst du ihn auch loswerden. Die Freiheit liegt darin, dass ich nichts mehr davon auch wiederum zur Verfügung habe. Sondern wirklich davon frei, unabhängig und ein selbstdenkender Mensch bin. Und das ist natürlich ein Ideal, eine Illusion. Wer hat das erreicht? Wahrscheinlich niemand bis heute."

Es gehe um die Stärkung des individuellen Selbstbewusstseins, sagt Michael Haller. Das kann man im Karate ebenso üben wie beim Judo, im Kendo, der japanischen Schwertkunst, oder eben hier beim Schießen mit dem Kyudo-Bogen. Denn die meisten direkten persönlichen Angriffe, derer man sich im Laufe des Lebens in der Regel zu erwehren habe, sind weniger auf körperlicher als auf persönlicher Ebene. Die Menschen, glaubt Kyudo-Lehrer Haller, würden in ihrem Selbst direkt angegriffen und verformt. Auch wenn Kyudo keine Therapie sei, so unterstütze es den Übenden doch, denn

"Michael Haller: Dabei entstehen Prozesse, die mich entsprechend weiterbringen. Um das zu lernen und zu können, muss ich den Alltag draußen lassen. Das heißt, ich muss im Dojo wirklich diese Technik üben, und nicht meinen Alltag mit reinnehmen und ihn therapieren. im Wesentlichen soll ja die Substanz dieser Persönlichkeit nicht verändert oder korrigiert werden. Er wird albern bleiben oder dumm, irgendwie oberflächlich, was auch immer. Vielleicht bleibt er auch ungeduldig. Also mit dem Bogen gilt es, erst einmal diese Technik zu üben, und das Mato treffen zu können."

Ninja-Lehrer Tino Schilinski - Chemnitz, Ninja

Tino Schilinski: "Also Ninjutsu hat nichts mit Magie zu tun. Ninjutsu hat auch nichts mit Guerillakriegern zu tun. Ninjutsu ist eine Form den Praktizierenden die Flexibilität zu lehren, die man in seinem alltäglichen Leben benötigt. Egal in welcher Situation. Die Flexibilität bezieht sich zum Einen auf die physischen Fähigkeiten, aber auch die psychischen Fähigkeiten. Nämlich im Kopf jederzeit so flexibel zu sein, um jede Situation erfolgreich zu bestreiten."

Zitator: "Sein Opfer, Barry Braughm, war schon auf dem Weg ins Haus."

Tino Schilinski: "Also Hollywood-Filme dienen dazu den Zuschauer zu begeistern, und dementsprechend wird da auch zur Realität viel Fiktion hinzugedichtet, ganz einfach um es attraktiver zu machen. Das ist aber nicht das, was wir hier trainieren und was uns Großmeister Hatsumi lehrt."


Sören Heiko - Berlin, Ninja

Heiko Nowak ist 38 Jahre alt, Tischler und Träger des 4. Dan im Ninjutsu. Im Berliner Dojo unterrichtet er seit mehreren Jahren.

Sören Heiko: "Ich betreibe seit 1990 Ninjutsu. Warum? Weil die halt viel mit unterschiedlichsten Waffen unter anderem kämpfen Die anderen Sportarten sind ziemlich beschränkt auf kleinere Sachen. Ninjutsu ist ein richtiges Kampfsystem. Da ist man nicht eingeschränkt auf ....beim Karate ist man eingeschränkt auf Schläge, Tritte, von mir aus noch mal kurz einen Feger oder so....beim Aikido ist man eher eingeschränkt auf defensive Arbeiten, sprich Hebeltechniken, Würfe, beim Jiujitsu sind es schon mehr Sachen, aber da ist man eingeschränkt von mir aus auch in den Waffen. Man hat drei Standardwaffen. Man arbeitet recht fair zwar, aber beim Ninjutsu heißt es immer, da wo die anderen aufhören beginnt Ninjutsu. Das heißt, wenn man am Boden ist, und das heißt draußen Straßenkampf, da ist am Boden noch nicht Ende. Deswegen Ninjutsu ist wirklich ein komplettes Kampfsystem. Ninjutsu bedeutet halt wirklich, man will überleben, egal wie. Und im Straßenkampf ist es nicht anders. Wenn man da mit Regeln kommt, hat man wahrscheinlich sowieso schon verloren."

Marlies Bollow, Heilpraktikerin, Qi Gong, Berlin

Viele Jahre schon unterrichtet die Berliner Heilpraktikerin Marlies Bollow Qi Gong, dass sie von einer chinesischen Meisterin erlernt hat.

Marlies Bollow: "In der chinesischen Vorstellung läuft alles in zyklischen Prozessen ab. die traditionellen Vorstellungen sind immer Kreise oder Spiralen, in denn wir uns bewegen. Und nach dem Winter kommt ein neuer Frühling. Und in dieser Vorstellung, finde ich, lebt es sich wesentlich einfacher mit dem Älterwerden. nach dieser Vorstellung geht nichts verloren im Universum. Wenn nichts verloren geht, sondern sich die Energie nur permanent umwandelt, dann könnte das zumindest etwas mehr Vertrauen in den Fluss des Lebens und Älterwerdens machen.

Der chinesische Ansatz ist so, dass ich mit Qi Gong das Leben verlängern kann. Es gibt ein schönes Bild von der Öllampe. Das Öl ist das Qi, die Energie, die uns unsere Eltern mitgegeben haben. Wenn die Lampe angezündet wird, beginnt das Leben. Wenn sie erlischt, ist es zu Ende. Und was wir tun können ist das Öl nachzufüllen zum Beispiel über Qi Gong, aber auch über gute Nahrung, gute Luft, gesunden Rhythmus, genug Schlaf. Und in diesem Sinne mag es das Leben verlängern. Aber was ich viel wichtiger finde ist, dass es die Lebensqualität verbessert. Dass es im Älterwerden ein Beweglichbleiben ermöglicht, und zwar nicht nur auf der muskulären Ebene. Sondern ein inneres Beweglich-bleiben oder-werden, ein Reifungsprozess, ein Sich-lebendig-Fühlen. Und ja. Diesem Schreckensbild, was unsere Gesellschaft vom Altsein macht, etwas entgegen zu setzen. Also viele der Qi-Gong -Übungen, da kommen auch Unsterbliche vor in den Texten, und das hat einfach damit zu tun mit einem anderen Zugang zu der Vorstellung, dass wir eigentlich größer und schöner werden im Älterwerden. Und das es eine Stärke ausmacht und keine Schwäche."

Alles hat die eine Wurzel, Wushu, Kung Fu, die Mönche in den Klöstern, die den Körper spannen und entspannen, die Atmen um zu meditieren, um Zen zu erfahren, das vollkommene Nichts. Man könnte sagen:Qi Gong oder auch Thai Chi sind die weichen Varianten der Kampfkünste. Die Qi Gong - Übungen, auch hier gibt es viele unterschiedliche Stile mit noch unterschiedlicheren Formenläufen, sollen zur Harmonisierung und Gesundung des Körper beitragen. wird dabei erst zum echten Qi Gong, also auch wirksam, wenn mindestens zwei von wesentlichen vier Komponenten sich zu einer Einheit in einer Übung verbinden. Ruhe -Natürlichkeit - Bewegung -Atmung - mentale Vorstellung - Ton.

Marlies Bollow: "Was wir überall auf der Welt haben, ist die Natur und das Universum um uns herum. Und das, was wir wahrnehmen können, wie es uns darin geht als kleinen Wesen, der Mikrokosmos im Makrokosmos. Alles, was ich im Qi Gong mache, hat mit der Entsprechung dieser beiden Systeme zu tun. Mit der Vorstellung, dass sich alles entspricht. Alles, was ich in meinem Körper erleben kann, gibt es auch draußen in der Natur. Kälte und Wärme, Ausdehnung und Zusammenziehen, Feuchtigkeit und Trockenheit, und alles muss in einem fließenden Gleichgewicht sein, sonst können wir nicht leben. Und das ist in China genauso wie hier. Und wenn ich Qi Gong übe, versuche ich einfach dieses Gleichgewicht, diese Balance zu fördern, und ja, und es gibt keinen Grund, warum das hier nicht funktionieren sollte."

Thor Kunkel, Schriftsteller und Kung-Fu-Experte - Schweiz

Thor Kunkel trainiert APG, eine Variante des Jeet Kune-Do in Berlin bei einem französischen Meister. Der drahtige und durchtrainierte Schriftsteller berichtet über das Training.

Thor Kunkel: "Jeet Kun-Do beschreibt eigentlich eine Art offene Form des Kung-Fu. Das ist eine unglaubliche Flexibilität, die man auch nur durch langjähriges Training eigentlich erreichen kann. Ich stecke da absolut in den Kinderschuhen. Angefangen haben wir mit einem Tennisball, der an einem Gummi von der Decke herunterschwebt, wir spielen mit Federbällen, um unterschiedliche hohe Tritttechniken auszuprobieren, alles ist sehr sehr spielhaft, auch die Leute in der Schule sind ganz, ganz anders, als man es vielleicht von sogenannten Kampfsportschulen her kennt. Sind im Gegenteil eher Leute, die überhaupt nicht daran interessiert sind sich nun so zu prügeln, sondern eher Leute, die teilweise eher von Ballett her kommen, von den darstellen-den Künsten, und da tatsächlich an einer Vervollkommnung ihres Selbst arbeiten. Sicherlich Menschen, die eben nicht die Möglichkeit haben Romane zu schreiben, Filme zu schreiben, sondern die grade auch zurückgeworfen auf ihren Körper reduziert so viel herausholen, dass es für mich eine Freude ist da zuzusehen. Ich gehe da gerne hin, und das gibt mir sehr viel positive Energie."

So beschreibt Thor Kunkel die Wechselwirkung zwischen dem Training und seiner schriftstellerischen Arbeit.

Thor Kunkel: "Ich glaube jetzt, nach anderthalb Jahren intensivsten Trainings, kann ich sagen, es gibt so eine Art Wechselwirkung. Ich sehe einfach, wenn ich Geschichten beschreibe, dass ich sehr oft eine viel klarere Vorstellung habe, wo diese Geschichten spielen. Weil eine der wichtigsten Sachen im Kampfsport ist, dass man den Raum in klare Richtungen unterteilt. Es gibt da nicht so etwas wie ein diffuses Sein, sondern man ist präzise in einem Raum, präzise mit einer anderen Person, dem Sparringpartner in dem Fall, und das hat sich tatsächlich auf die Beschreibung von vielen Szenen, ich arbeite jetzt grade an einem neuen Roman, und habe da tatsächlich gesehen, dass sich mein Vorstellungsvermögen dadurch noch mehr präzisiert hat."



Wolfgang Weinmann - Berlin, Judomeister und Sportbuchverleger

Wolfgang Weinmann, der einen Sportbuch-Verlag in Berlin hat, und den 8. Dan im Judo trägt, spricht noch heute vom legendären Erich Rahn mit höchster Ehrerbietung.

Wolfgang Weinmann: "Er ist ja im Zirkus aufgetreten und hat gefragt, wer möchte denn mal? Und dann sind bestimmt nicht die Ängstlichsten und Dünnsten aufgetreten. Und er hat die dann unter Kontrolle gebracht, erstaunlicherweise. Wenn er etwas erklärte, dann war das nicht Pillepalle, sondern hatte Hand und Fuß. Ich habe Herrn Rahn geschätzt."


Dr. Ursula Dahmen-Zimmer, Ursula - Regensburg, Karatemeisterin und Psychologin

Artikel aus der Mittelbayerische Zeitung vom 14.11. 2011 (PDF)
Studie Karate im Alter (PDF)
Psychologienachrichten

Wir leben in Zeiten einer sich rasant verändernden Demografie. Heute fangen manche Menschen mit dem Kampfsport erst an, wenn sie Rente beziehen, weil sie dann endlich dafür Zeit haben. Was das dann macht, haben kürzlich Wissenschaftler von der Universität Regensburg anhand eines Shotokan-Karate-Trainings untersucht. Die heute 60-jährige Ursula Dahmen-Zimmer ist Psychologin an der Universität Regensburg und selbst Trägerin des 2. Dan im Shotokan-Karate.

Dr. Dahmen-Zimmer: "Wir hatten eine Gruppe, die ein Karatetraining gemacht hat. Wir hatten eine Gruppe, die ein reines sportliches Training gemacht hat, das waren vor allem Dehnungsübungen, Kräftigungsübungen und motorische Trainingseinheiten. Eine Gruppe hat teilgenommen an einem kognitiven Training, das kann man sich so vorstellen als eine Art Gehirnjogging, und wir hatten eine Gruppe, die wir nur als Kontrollgruppe dabei hatten. Das waren Senioren, die ein übliches Sturzpräventionstraining mitgemacht haben, was in ihrem normalen Alltag schon durchgeführt wurde, und die uns dazu diente festzustellen was passiert, wenn kein gezieltes zusätzliches Training erfolgt. Die Gruppe mit der wir gearbeitet haben, waren Senioren und zwar bei der Karategruppe im Durchschnittsalter von 73 Jahren."

"Fit und Glücklich: Karate stärkt die Gesundheit von Senioren". So der Übertitel der Studie, an der auch Prof. Petra Jansen vom Regensburger Institut für Sportwissenschaft mitgewirkt hat. Frau Dr. Dahmen-Zimmer sagt:

Dr. Dahmen-Zimmer: "Die Idee war einfach mal zu untersuchen die Effekte, die wir eigentlich aus unserem Karatetraining kennen. Wir stellen fest, dass Leute, die länger Karate betreiben nicht nur körperlich fit bleiben, sondern wir haben auch den Eindruck, dass da die geistige Fitness länger erhalten bleibt. Und auch das die Leute von ihrer emotionalen Befindlichkeit her besser drauf zu sein scheinen als der Durchschnitt der Bevölkerung."

Shi Heng Tsui, chinesische Kung-Fu-Nonne

Shi Heng Tsui : Das Shaolin-Kung-Fu ist die Geburtsstätte vom Zen-Buddhismus und Kampfkunst. Diese beiden Teile sind wesentlich für Shaolin-Kung-Fu

Zitator: Grundsätzlich wird als Kampfkunst jedes System bezeichnet, das Fertigkeiten und Techniken der körperlichen Auseinandersetzung mit einem Gegner formalisiert.

Shi Heng Tsui : Shaolin-Kung-Fu ist ein Name der Muttersportart von allen Kampfsportarten der ganzen Welt. Das ist eine einzigartige Kombination von Geist und Körperbeherrschung durch jahrelange Übung

Zitator: Shi Heng Tsui ist Nonne im legendären Yongtai-Kloster, dem 1. buddhistischen Frauenkloster, nahe des Shongshan-Gebirges. Vor rund 1500 Jahren entstand hier das spirituelle Zentrum des Zen-Buddhismus und Kung Fu. Unweit des Klosters ist die Stadt Dengfeng, auch"Kung Fu-City" genannt, weil hier in 80 Kampfkunstschulen etwa 60.000 Schüler trainieren.


Tipps und Infos vom Autor der Langen Nacht:

Sehr zu empfehlen sind die alten Kung-Fu-Filme, also die Staffel mit David Carradine in der Hauptrolle. Kung-Fu, die US-Serie aus den siebziger/achtziger Jahren hat nicht nur die Kampfsportschulen gefüllt, sondern auch viel vom inneren Geschehen der asiatischen Kampfkünste vermittelt.

An dieser Stelle möchte ich auf verschiedene "Kriegs-Katechismen" hinweisen:

Das "Go Rin No Sho" - Das Buch der fünf Ringe - von Miyamoto Musashi vermittelt für alle, die etwas tiefer in die Substanz der Budo-Kampfkünste eintauchen wollen, anschauliche Darstellungen von noch heute geübten Schwert-Techniken. Interessant ist, dass japanische Manager Denkgut des "Go Rin No Sho" zur Entwicklung der japanischen Nachkriegsindustrie anwandten.

Musashis Leben selbst ist Thema eines historischen Romans von Eiji Yoshikawa. Sehr lesenswert, aber natürlich auch eskapistisch.

Ein anderes Buch, das übrigens auch im Film "Ghost Dog - Der Weg des Samurai" von Jim Jarmusch eine Hauptrolle spielt, ist das "Hagakure", eine Art Bibel der Samurai mit Anleitungen zum rechten Leben ( und Sterben).

Dieser absolut sehenswerte Pulp-Fiction-Thriller mit dem noch sehenswerteren Forest Whitaker in der Hauptrolle ist unter Kampfkünstlern ein "Must see", ebenso Filme wie "Ong-Bak", "Bloodsport" oder auch die Jackie-Chan- und Jet Lee-Streifen. Besonders Chan und Lee sind hervorragende Artisten.

Ich möchte auch das etwas trockene, aber wichtige Buch von Ignazo Nitobe erwähnen, einem Samurai-Nachfahren in Japan. Sein Buch "Bushido" führt tief und nachvollziehbar in die Welt der Samurai und erläutert die Grundsätze des einstigen Folgens und Dienens, das für Kampfkünstler auch heute noch präsent ist.

Erwähnenswert ist auch, dass bei den diesjährigen olympischen Spielen in London die Deutsche Helena Fromm die Bronzemedaille errang. Man muss auch dabei sagen, dass Taekwondo, kurz TKD, in nahezu allen Kampffilmen, bzw. Thrillern mit Kampfsequenzen Eingang gefunden hat. die hohen und spektakulären Tritte und Sprünge sind in ihrer Akrobatik sehenswert und ästhetisch.

Wer anfangen will mit dem Kampfsport, mit welchem auch immer, dem sei eines vorausgesagt: Es wird viele Schmerzen geben, innere Blessuren wie Hämatome, Prellungen oder sogar Brüche sind nicht selten. Zudem ist sich der eigenen Angst vor dem Lehrer oder höher graduierten Schülern zu stellen, das habe ich selbst erfahren, und das ist mir auch in den Interviews zur Langen Nacht von allen Lehrern so bestätigt worden, eine der am schwierigsten zu überwindenden Hürden um weiterzukommen. Nicht selten ist die Lust aufzuhören und aus dem Dojo zu rennen, größer als hinzugehen.

Und das über Jahre hinweg.

Hinzu kommt, dass die Techniken in ihren Bewegungsabfolgen fremd sind, und oft schwierig. Und diese Techniken müssen dazu noch jahrelang, zigtausendmal geübt werden, meist lebenslang.

Es gibt nämlich keine Tricks und Kniffe und sonst was, sondern nur Techniken, die man üben muss, immer und immer wieder.

Doch wer all das übersteht, durchsteht und durchhält, dem steht eine innere Freiheit dann zu, die er so nie erreichen würde.

Wie sagt der Taekwondo-Meister Kwon, Jae Hwa, der das kontaktlose Taekwondo gegründet hat: "Geben Sie niemals auf, unter keinen Umständen."

Zu meiner Person noch etwas:

2. Dan Taekwondo ( WTF)
1. Kyu Shotokan-Karate derzeit
Peter Kaiser, Autor der Langen Nacht über asiatische Kampfkünste
Peter Kaiser, Autor der Langen Nacht über asiatische Kampfkünste© Peter Kaiser