"Weg mit dem Genmais!"

Von Claudia van Laak |
Seit 2005 dürfen Landwirte in Deutschland gentechnisch veränderten Mais anbauen. Einzige Voraussetzungen: Sie müssen die Felder rechtzeitig in ein so genanntes Standortregister eintragen lassen und beim Anbau einen Sicherheitsabstand zu anderen Maisfeldern einhalten. Fast die Hälfte des in diesem Jahr angebauten gentechnisch veränderten Maises wächst in Brandenburg. Und dort wächst auch der Widerstand.
Ein paar kräftige Schläge mit dem Hammer, dann ist die Holzlatte am Schild befestigt. "Vorsicht Gentechnik" ist darauf zu lesen. Das Barnimer Aktionsbündnis gegen Gentechnik macht sich bereit für den Sonntags-Ausflug.

"Das sind Hinweisschilder, die die Bevölkerung warnen sollen vor dem Genfeld bzw. sie aufmerksam machen sollen, denn das sieht man ja so nicht. Rein äußerlich sieht ja jedes Maisfeld gleich aus."

Eine junge Frau trägt zwei Bleche mit Bienenstich und Rhabarberkuchen zum Bus, Schilder und Megaphone werden eingepackt. Auch die Begleiter machen sich startklar. Zwei Mannschaftsbusse der Polizei stehen schon bereit, jetzt kommt ein weiterer PKW mit einem wütend kläffenden Polizeihund angefahren.

Die Polizeibeamten sind wenig auskunftsfreudig an diesem Sommersonntag. Wahrscheinlich säßen sie lieber auf dem Balkon oder am See statt einer Gruppe von Gentechnik-Gegnern hinterher zu fahren. Dieter Fuhmann von der Polizei Strausberg sagt knapp:

"Ich möchte keine Auskunft geben im Moment, zur Verhinderung von Straftaten sind wir hier, ist nicht auszuschließen hier."

Etwa 30 Aktivisten sitzen im Bus, wollen ihrem Unmut über gentechnisch veränderte Pflanzen Luft machen. Eine bunte Protestschar aus Berlin und Brandenburg. Männer und Frauen zwischen 20 und 60 in Latzhosen und Gesundheitsschuhen, mit Rasta-Locken und grauen Zöpfen, über die Ohren gezogenen schwarzen Strickmützen und T-Shirts mit Che-Guevara-Aufdruck. Steffen Reeder engagiert sich schon seit zehn Jahren im Barnimer Aktionsbündnis gegen Gentechnik.

"Warum mache ich das eigentlich? Die Landwirtschaft wird immer mehr vertechnisiert. Und das ist jetzt der nächste Schritt, mit der Gentechnik noch mehr Technik in die Landwirtschaft rein zu bringen. Ich als Verbraucher habe kein Interesse daran, diese vertechnisierte Landwirtschaft zu mir zu nehmen. Ich bin auch der Meinung, wir brauchen es nicht."

"Wehret den Anfängen" ist das Motto des gelernten Krankenpflegers und Studenten der Pflegepädagogik. Im Moment werde nur Genmais angebaut, bald werden es Raps und andere Pflanzen sein, vermutet Steffen Reeder.

"Genmais hat keine artverwandte Pflanze hier, aber der Genraps. Da wird's auf alle Fälle so sein, da kreuzen sich massiv Unkräuter aus, tendenziell in 10 oder 15 Jahren wird es keine Biolandwirtschaft ohne Gentechnik mehr geben, weil es kein Saatgut mehr gibt, was nicht gentechnisch verseucht ist."

Erste Station des Busses ist das Dörfchen Predikow. Mit Flugblättern und Warnschildern machen sich die Umweltschützer auf zum Maisfeld.

Die Hunde schlagen an, die Menschen blicken erstaunt aus ihren Vorgärten auf die ungewöhnliche Sonntagsdemonstration, die von drei Polizeiautos im Schritttempo begleitet wird. Eine Dorfbewohnerin winkt empört ab, als ihr jemand ein Flugblatt in die Hand drücken will.

"Weil ich nicht bin für solche Aktionen. Lassen Sie doch die Bauern machen, was sie wollen. Dat versteh ick nicht, dass sich da irgendwelche Menschen finden, um dagegen zu protestieren. Die Bauern haben es sowieso schon schwer genug. Dass die sich da noch reinmischen, wahrscheinlich haben sie Langeweile, weeß ick nich."

Der Einfamilienhausbesitzer vom Grundstück gegenüber nickt seiner Nachbarin zustimmend zu. Er schneidet gerade seine Hecke, während die Protestierer an seinem Vorgarten vorbeiziehen. "Das finde ich total schwachsinnig, was ihr hier macht", ruft er ihnen zu.

"Dat sind die Leute, die Langeweile haben. Wo kommt ihr denn her, aus Berlin, wa? Na, es gibt immer Leute, die sich über jeden Scheiß aufregen, die haben sich über Atomkraft aufgeregt, die haben sich über die Windräder aufgeregt. Was wollt ihr denn? Strom wollt ihr, fressen wollt ihr, ihr regt Euch doch über alles auf."

Ein älterer Mann mit langen grauen Haaren versucht, mit dem aufgeregten Dorfbewohner zu diskutieren. Seine Gesinnung trägt er auf der Brust: die blaue Latzhose ziert ein "Atomkraft? Nein Danke!"-Anstecker.

"Strom willste haben, essen willste auch wat."
"Ick hab einen Kachelofen, Strom verbrauche ich fast gar nicht, Kochen tue ich wenig". "Essen tuste auch nichts."
"Brot, Aufstrich, Müsli".
"Ick finde das totalen Schwachsinn. Hier im Dorf, da haben wir auch solche Knallköppe, das geht mir so auf den Sack."

Am Maisfeld angekommen, befestigen die Aktivisten ihre vorbereiteten Schilder, die vor den gentechnisch veränderten Pflanzen warnen. Die Polizisten beobachten die Aktion, greifen aber nicht ein. Hier in Predikow wächst so genannter bt-Mais. BT bedeutet Bazillus thuringensis, erläutert Thomas Janoschka vom Aktionsbündnis.

"Also diese Pflanze hat jetzt dieses Gen eingesetzt bekommen aus dem Bazillus thuringensis, und produziert während der gesamten Wachstumsphase dieses Eiweiß. Und jedes Insekt, das an dem Mais knabbert, nimmt dieses Eiweiß auf. Und für die Raupen vom Maiszünsler wirkt das dann tödlich, die können dann nicht mehr richtig verdauen und sterben dann daran."

Genau das ist der Grund, warum Landwirt Andreas Behnen in diesem Jahr erstmals gentechnisch veränderten Mais angebaut hat. Im letzten Jahr hat ihm der Maiszünsler ein Drittel seiner Ernte vernichtet.

"Und das ist einfach zu viel. Das geht in die Zigtausende. Und wir bauen ja insgesamt 150 Hektar Mais an, und Sie können sich vorstellen, wenn wir 30 Prozent Verlust haben, das sind zig Hektar, das geht nicht, das ist einfach zu viel."

Landwirt Behnen blickt skeptisch auf die Demonstration am Rande seines Maisfeldes und lauscht den Erklärungen der Gentechnik-Gegner. Die Bienenbrut werde geschädigt, wenn sie mit Pollen seines gentechnisch veränderten Maises gefüttert werde, hört er. Andreas Behnen hält dagegen. Wenn ich gegen den Maiszünsler Insektizide einsetze, werden alle Käfer getötet, sagt er.

Andreas Behnen: "Es gibt chemische Mittel, aber warum chemische Mittel, wenn es doch so viel einfacher ist. Die chemischen Mittel töten doch auch alles ab, das ist doch auch nicht gut."

Die Gentechnik-Gegner haben in Predikow ihren Protest öffentlich gemacht, überzeugt haben sie niemanden. Die Fahrt geht weiter nach Neureetz ins Oderbruch. An dem niedrigen Fachwerkhaus in der August-Bebel-Straße 32 hängt ein kleines weißes Schild: gentechnikfreie Zone.

Die Aktivisten besuchen Maria Wüllner. Sie und ihre Freundin sind die einzigen in Neureetz, die sich gegen die Genmaisfelder des örtlichen Landwirtschaftsbetriebes zur Wehr setzen. Das bringt Ärger - ihre Protestschilder wurden eines Nachts von wütenden Dorfbewohnern abgerissen. Die wenigen, die in Neureetz noch einen Job haben, arbeiten im Nachfolgebetrieb der LPG.

Maria Wüllner: "Seit diesem Vorfall bei uns, dass wir die Schilder draußen haben, haben wir den Kontakt ziemlich verloren. Die halten sich alle raus, sogar der Bürgermeister hier, der eigentlich gegen Gentechnik ist, hält sich raus. Alle, die man fragt, sagen, bitte nicht mit mir, lasst mich damit in Ruhe. Neureetz ist ein Dorf, das sehr überaltert ist, hier sind viele alte Bauern, die sagen, die paar, die noch hier sind, die sollen Arbeit haben."

Zwei zugereiste Frauen, die gemeinsam ein Haus gekauft haben und auf dem Markt mit Naturprodukten handeln - diese Lebensweise ist den Bewohnern des Oderbruchs fremd. Im Dorf werden die beiden geschnitten, ihre Ablehnung der Gentechnik als Spinnerei abgetan. Die Umweltaktivisten bieten den Frauen ihre Unterstützung an. Maria Wüllner zuckt mit den Schultern.

"Ich bin im Augenblick ratlos, muss ich sagen. So eine gewisse Wut ist oft in mir, wo ich sage, was lässt sich überhaupt noch verändern."

Mit dem Versprechen wiederzukommen, brechen die Gentechnik-Gegner zu ihrer nächsten Station auf. Bad Freienwalde. Dort wohnt der Lieblingsgegner des Aktionsbündnisses, der Landwirt Jörg Piprek - einer der wenigen in Brandenburg, der sich öffentlich zur Gentechnik bekennt und jetzt sogar im Garten seines Hauses Genmais anbaut.

Thomas Janoschka: "Wir sind deswegen hierher gekommen, weil der Herr Piprek auf einem Quadratmeter in seinem Garten Genmais anbaut, und wir dachten, es ist ganz angebracht, die Nachbarschaft zu informieren. Ich hoffe, es hört uns jemand, vielleicht ist der Herr Piprek da und mag mal rauskommen."

Sprechchor: "Genmais weg, Genmais weg, Genmais weg!"

Die Fenster gehen auf, Neugierige blicken auf die kleine Demonstration zur Sonntagsnachmittagskaffeezeit. Die Gentechnik-Gegner ernten auch hier misstrauische Blicke. Niemand nimmt ein Flugblatt, niemand schließt sich dem Protest an.

"Wir sind eine kleine Reisegesellschaft, die gegen genmanipulierten Anbau etwas hat, und wir wollen uns einen ansehen, der als Vertreter fungiert".

"Wenn der Mais billiger ist als der andere, ist doch okay. Ich habe mit so etwas kein Problem, in Amerika ist das sowieso gang und gäbe."

Die Haustür öffnet sich, Jörg Piprek tritt auf die Straße. Der 45-jährige studierte Landwirt will sich nicht verstecken, er vertritt offensiv den Anbau genveränderter Pflanzen. Die Diskussion mit seinen politischen Gegnern nimmt er sportlich.

"Sind Sie auch gegen Forschung generell? Insulin, Insulinherstellung? Sind Sie auch dagegen?"

"Die ganzen Forschungsgelder gehen da rein, die gehen nicht in die biologische Forschung."

"Ich will gar nicht biologisch anbauen".

"Was sagen Sie den Imkern? Der Honig wird verschmutzt."

Inzwischen ist die Polizei angekommen, beobachtet die aufgeheizte Diskussion, sperrt die Straße ab. Die Zahl der Schaulustigen wächst.

"Sie malen da irgendeinen Horror an die Wand, man muss die Leute aufklären, dass gar nichts passieren kann. In Afrika essen sie den Mais schon jahrelang und es passiert nichts".

"Es ist so was wie DDT wahrscheinlich. Alle sagen, es ist wunderbar und in 10 Jahren kommt´s raus, das ist unsere Erfahrung."

Jörg Piprek winkt ab und verschwindet wieder in seinem Haus. Im letzten Sommer haben Gentechnik-Gegner versucht, seine Maisfelder zu zerstören. Das Aktionsbündnis hat seine Privatadresse und seine Telefonnummer im Internet und auf Flugblättern veröffentlicht. Piprek lässt sich davon nicht einschüchtern. Er glaubt an den wissenschaftlichen Fortschritt und damit an die Segnungen der Gentechnik. Der Landwirt hat in diesem Jahr zweieinhalb Mal soviel Genmais angebaut wie im letzten, insgesamt 25 Hektar.

Jörg Piprek: "Wir haben am Mähdrescher so eine Ertragsanzeige, ständig wird der Ertrag gemessen und auf den Hektar umgerechnet, und nach dieser Anzeige hatten wir 20 Prozent mehr Körner beim bt-Mais als auf der Nachbarparzelle."

Der bt-Mais ist zwar teurer als der herkömmliche Mais, trotzdem hat sich der Anbau für Jörg Piprek finanziell gelohnt. Er musste kein Geld für Insektizide ausgeben, außerdem konnte der Maiszünsler keinen Schaden anrichten.

Jörg Piprek: "Und beim bt-Mais wurden die Insekten gezählt und da hatten wir eine unbehandelte Kontrolle und da war die Insektenwelt genauso vorhanden wie in der unbehandelten Kontrollfläche, das ist ein Aspekt, der wirklich zu kurz kommt."

Ökobauern, konventionell arbeitende Landwirte und diejenigen, die genveränderte Pflanzen anbauen, könnten ohne weiteres nebeneinander existieren, ist sich Piprek sicher. "Ich störe niemanden", sagt der überzeugte Verfechter einer grünen Gentechnik.

Jörg Piprek: "Die hundertprozentige Reinheit gibt es in der Natur sowieso nicht, wenn ich eine Sorte Mais anbaue, ganz normalen Mais Sorte A, der Bauer nebenan baut B an, dann wird's immer eine gewisse Durchmischung geben im Grenzbereich, die aber eigentlich keinen stört."

Doch, sagt Ralf Behring, Biolandwirt aus Leuenberg. Wenn demnächst gentechnisch veränderter Raps in der Nähe seiner Felder angebaut werde, könne er seinen Laden dicht machen.

Ralf Behring: "Weil der Raps kreuzt sich weit aus. Der kreuzt sich auch auf Unkrautarten aus, die ich natürlich auf dem Feld habe. Selbst wenn ich Raps nicht anbaue, gibt es eine Menge Pflanzen, die diesen Pollen auch mit aufnehmen, und den habe ich dann auch im Lager drin."

Und dann hat Biolandwirt Behring ein Problem - seine Produkte bekommen nur das Ökosiegel, wenn sie frei von Gentechnik sind.

Ralf Behring: "Und das kann ich dann nicht mehr garantieren, und wenn ich das nicht mehr garantieren kann, dann kann ich es nicht mehr verkaufen, und wenn ich es nicht mehr verkaufen kann, dann kann ich als Biobauer eigentlich aufhören."

Sagt Ralf Behring und beißt in ein Stück Rhabarberkuchen. Mittlerweile sind die politischen Sonntagsausflügler bei ihrer letzten Station angekommen. Kaffee, Pfefferminztee und Kuchen bei der Bürgerinitiative "Gentechnikfreie Höhe". Erfahrungsaustausch unter Gleichgesinnten.

Ralf Behring: "Ganz erfolglos sind wir auch nicht, es waren 60 Hektar insgesamt auf beiden Flächen angemeldet, ein Betrieb in Dannenberg hat seine Flächen zurückgezogen, zwei Tage nach dem Gespräch."

Ralf Behring spricht mit erkennbar schwäbischem Dialekt. Wie überall in Brandenburg sind es auch hier die Zugereisten, die Widerstand gegen die grüne Gentechnik leisten. Die meisten Einheimischen schweigen, mischen sich nicht ein.

Im Bus auf der Rückfahrt zieht Steffen Reeder vom Aktionsbündnis Bilanz.

"Wir hoffen, dass wir das hinbekommen durch eine tägliche Arbeit, Diskussion, dass man die Einheimischen dazu bringt, dass sie sich mal positionieren. Wir hoffen durch den langen Atem, dass man da auch eine Überzeugung hinbekommt."

Keine Straftaten, keine Ordnungswidrigkeiten, schreiben die Polizeibeamten anschließend in ihren Bericht. Dann haben auch sie Feierabend.