Weder Boxenluder noch Landschaftsbilder

Von Gerd Brendel |
Die Tour de France hat Landschaftsbilder, Fußball schöne Männerbeine, die Formel Eins Boxenluder: Aber worin besteht der Unterhaltungsmehrwert öffentlicher Pokerturniere? Im Fernsehen jedenfalls ist so eine Übertragung eine äußerst öde Veranstaltung.
Nein, ich bin nicht cool, und das war auch ich auch in der Schule nie. Beim Kartenspielen zum Beispiel: Als irgendwann mein Banknachbar Rainer, schulterlanges Haar, Rothändle-Raucher und zweimal sitzengeblieben, mit Pokern anfing, hatte ich gerade die Grundzüge von Mau-Mau gelernt. Höhnisch flüsterte er mir "Pech im Spiel, Glück in der Liebe" ins Ohr, während er seinen ersten satten Gewinn von 50 Pfennig einstrich.

Seitdem gehören Pokern, cooles Leben, Sex and Drugs and Rock and Roll zu einer Lifestyle-Klasse, die mir auf ewig verschlossen bleiben wird. Bis, ja, bis ich beim Zappen durchs Fernsehprogramm bei einer verheißungsvollen Kamerafahrt durch ein Las Vegas Casino hängen blieb.

"Nehmen sie Platz .. enorme Einsätze .. unglaubliche Bluffs. Der Pokersommer"

Ein großes Versprechen, aber die nächste Kameraeinstellung bot alles andere als Einblicke in das unendliche coole Leben kettenrauchender und Whiskey trinkender Pokerspieler, denen die Verachtung bürgerlicher Werte ins "Pokerface" geschrieben steht.

"Wir sind an unserem featured table. Mit dabei Scotty Nien, Weltmeister von 1998.. hat hier König und 10 und er erhöht auf 10.000, mit dabei Kaplan mit Bubenpärchen..."

Jeder Mau-Mau Spieler an meiner alten Schule sah cooler aus als Scotty, Kaplan und die anderen Durchschnittsmänner am Spieltisch. Okay, die Kamera enthüllte auch die beiden Karten der beiden Hauptkontrahenten, aber das rettete mir die Show nicht.

Die Tour de France hat Landschaftsbilder, Fußball schöne Männerbeine, die Formel Eins Boxenluder: Aber worin besteht der Unterhaltungsmehrwert öffentlicher Pokerturniere? Auch die nächste Runde blieb mir die Antwort schuldig. Sie präsentierte Scottys Gegenspieler Robert Varcami, den amtierenden Pokerweltmeister: Ex-Börsenmakler und vermutlich Ex-Klassenbester.

"Das Geld hilft, ich habe eine Familie gegründet."

Erzählte Robert Varcami im anschließenden Kurzporträt, hielt dabei einen Säugling in die Kamera und sah genau wie die Sorte Leute aus, vor denen mein alter Schulfreund Rainer mich immer gewarnt hatte: "Die schlimmsten Schummler sind die Spießer."