Wechsel ohne Illusionen
"Ich gehe mit absoluter Sicherheit nicht blauäugig nach Berlin", sagt der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner zu seinem Wechsel in die Bundeshauptstadt. Immerhin ist der SPD-Politiker nach 15 Amtsjahren in Mainz zu einem hochschulpolitischen Schwergewicht avanciert. Er weiß, dass er als Senator für Wissenschaft und Bildung vor allem eine rigide Sparpolitik wird durchsetzen müssen.
"Die 15 Jahre in diesem Landeskabinett waren für mich ohne Wenn und Aber die schönsten und besten Jahre, die ich gehabt habe."
So sprach der künftige Berliner Senator für Wissenschaft und Bildung, als er sich am Nachmittag offiziell aus der rheinland-pfälzischen Provinz in die Hauptstadt verabschiedete. In 15 Amtsjahren als Wissenschaftsminister in Mainz hat sich Jürgen Zöllner zu einem hochschulpolitischen Schwergewicht entwickelt, das bundesweit respektiert wird. Im Frühjahr, nachdem die SPD in Rheinland-Pfalz die absolute Mehrheit errungen hat, machte ihn Kurt Beck auch noch zum stellvertretenden Ministerpräsidenten. Damit hätte Zöllner es eigentlich bewenden lassen und sich auf den Ruhestand am Ende der Legislaturperiode einrichten können. Schöne Jahre wären das zweifellos geworden im idyllischen Rheingau, wo der Wein gut ist und das Wetter angenehm - beides Tatsachen, die der Genießer Zöllner durchaus zu würdigen weiß. Aber dann kam vor ein paar Wochen dieses Angebot aus Berlin. Von Wowereit, der einen Wissenschafts- und Bildungssenator suchte und der Jürgen Zöllner nicht lange erklären musste,
"dass für jeden, für den Wissenschaft und Wissenschaftspolitik so viel bedeutet wie für mich, die Verantwortung für eine Wissenschaftslandschaft mit einer Technischen Universität Berlin, einer Freien Universität Berlin, einer Humboldt-Universität, einer Charité - ich bin Mediziner - etwas Einmaliges ist und die Chance zu helfen, dass diese Schätze sichtbar werden und letzten Endes Rendite tragen, die reizvollste denkbare Aufgabe darstellt."
Der denkbar reizvollsten Aufgabe wollte Zöllner sich also nicht verschließen. Hauptstadtsenator - das soll nun die Krönung eines politischen Akademikerlebens sein, das am 11. Juli 1945 in Mährisch-Neustadt im heutigen Tschechien begann. Das Flüchtlingskind Zöllner wuchs ab 1946 in Bad Schwalbach im Taunus auf, machte in Wiesbaden Abitur, studierte in Freiburg und Mainz Medizin und promovierte schließlich über das zweifellos bedeutsame Thema "Neun verschiedene Formen des Pferdeherz-Cytochrom-C-Moleküls". Ende der 1970er Jahre wurde er zum ordentlichen Professor an der Mainzer Universität, wo man ihn 1990 zum Präsidenten wählte. Kurz darauf gewann Rudolf Scharping eine Landtagswahl und machte Zöllner zum Minister für Wissenschaft und Weiterbildung.
Dieser Minister sieht an schlechten Tagen genau so aus wie Lieschen Müllers Klischee vom linksliberalen Intellektuellen: Dann sind die grauen Haare außer Kontrolle, der graue Dreitagebart ist den entscheidenden Millimeter zu lang, das hagere Gesicht blickt magenkrank drein, und die Fliege, Zöllners Markenzeichen, hängt sehr schräg unter dem Kinn. An solchen Tagen gehen sie in seinem Ministerium besonders leise über den Flur und hoffen einfach auf bessere Laune.
An guten Tagen hingegen sind Begegnungen mit dem künftigen Berliner Wissenschaftssenator eine Bereicherung. Dann ist Jürgen Zöllner aufgeräumt und ironisch, dann beschreibt er mit Leidenschaft das perfekte Bildungssystem, und die hellen Augen hinter der Brille scheinen dabei viel jünger zu sein als der Rest des immerhin 61 Jahre alten Körpers.
In der Hauptstadt werden sie sich an den sperrigen Professor aus Mainz wohl erst gewöhnen müssen, denn als Politiker ist Jürgen Zöllner ein Überzeugungstäter: Wo das Bildungssystem seiner Ansicht nach nicht funktioniert, da wird reformiert, auch wenn es weh tut. Denn Bildung ist für Jürgen Zöllner der Schlüssel, mit dem das Tor zu einer gerechteren Gesellschaft geöffnet wird. Dass dieser Schlüssel niemandem verwehrt wird, dafür hat er immer wieder gestritten und gekämpft, zuletzt mit seiner, wenn auch vergeblichen, Weigerung, an den Universitäten in Rheinland-Pfalz Studiengebühren einzuführen.
Bildung als Mittel gegen soziale und gesellschaftliche Probleme, das ist das Credo des Jürgen Zöllner:
"Ich bin der festen Überzeugung, dass vor allem die Bildungspolitik darüber entscheiden wird, ob diese großen Herausforderungen erfolgreich bewältigt werden, ja oder nein. Wenn man das so sieht, dann sieht man, zumindest aus meiner Sicht, dass in Berlin zumindest zu einem relevanten Teil über unser aller Zukunft entschieden wird."
Aber Berlin ist anders als Rheinland-Pfalz. Vor allem ist Berlin pleite. Bildungspolitik so ganz ohne Geld, das dürfte für den Mann aus Mainz dann doch eine neue Erfahrung werden, der er sich allerdings ganz und gar gewachsen fühlt:
"Ich gehe ohne Illusionen, und ich gehe mit absoluter Sicherheit nicht blauäugig nach Berlin. Aber ich gehe mit einer Vorfreude und einem Tatendrang und mit Neugierde nach Berlin."
Vor dem Spagat zwischen politischem Anspruch und finanzieller Not ist ihm jedenfalls nicht bang:
"Sie haben doch schön öfters festgestellt, dass ich einen Spagat hinkriege."
So sprach der künftige Berliner Senator für Wissenschaft und Bildung, als er sich am Nachmittag offiziell aus der rheinland-pfälzischen Provinz in die Hauptstadt verabschiedete. In 15 Amtsjahren als Wissenschaftsminister in Mainz hat sich Jürgen Zöllner zu einem hochschulpolitischen Schwergewicht entwickelt, das bundesweit respektiert wird. Im Frühjahr, nachdem die SPD in Rheinland-Pfalz die absolute Mehrheit errungen hat, machte ihn Kurt Beck auch noch zum stellvertretenden Ministerpräsidenten. Damit hätte Zöllner es eigentlich bewenden lassen und sich auf den Ruhestand am Ende der Legislaturperiode einrichten können. Schöne Jahre wären das zweifellos geworden im idyllischen Rheingau, wo der Wein gut ist und das Wetter angenehm - beides Tatsachen, die der Genießer Zöllner durchaus zu würdigen weiß. Aber dann kam vor ein paar Wochen dieses Angebot aus Berlin. Von Wowereit, der einen Wissenschafts- und Bildungssenator suchte und der Jürgen Zöllner nicht lange erklären musste,
"dass für jeden, für den Wissenschaft und Wissenschaftspolitik so viel bedeutet wie für mich, die Verantwortung für eine Wissenschaftslandschaft mit einer Technischen Universität Berlin, einer Freien Universität Berlin, einer Humboldt-Universität, einer Charité - ich bin Mediziner - etwas Einmaliges ist und die Chance zu helfen, dass diese Schätze sichtbar werden und letzten Endes Rendite tragen, die reizvollste denkbare Aufgabe darstellt."
Der denkbar reizvollsten Aufgabe wollte Zöllner sich also nicht verschließen. Hauptstadtsenator - das soll nun die Krönung eines politischen Akademikerlebens sein, das am 11. Juli 1945 in Mährisch-Neustadt im heutigen Tschechien begann. Das Flüchtlingskind Zöllner wuchs ab 1946 in Bad Schwalbach im Taunus auf, machte in Wiesbaden Abitur, studierte in Freiburg und Mainz Medizin und promovierte schließlich über das zweifellos bedeutsame Thema "Neun verschiedene Formen des Pferdeherz-Cytochrom-C-Moleküls". Ende der 1970er Jahre wurde er zum ordentlichen Professor an der Mainzer Universität, wo man ihn 1990 zum Präsidenten wählte. Kurz darauf gewann Rudolf Scharping eine Landtagswahl und machte Zöllner zum Minister für Wissenschaft und Weiterbildung.
Dieser Minister sieht an schlechten Tagen genau so aus wie Lieschen Müllers Klischee vom linksliberalen Intellektuellen: Dann sind die grauen Haare außer Kontrolle, der graue Dreitagebart ist den entscheidenden Millimeter zu lang, das hagere Gesicht blickt magenkrank drein, und die Fliege, Zöllners Markenzeichen, hängt sehr schräg unter dem Kinn. An solchen Tagen gehen sie in seinem Ministerium besonders leise über den Flur und hoffen einfach auf bessere Laune.
An guten Tagen hingegen sind Begegnungen mit dem künftigen Berliner Wissenschaftssenator eine Bereicherung. Dann ist Jürgen Zöllner aufgeräumt und ironisch, dann beschreibt er mit Leidenschaft das perfekte Bildungssystem, und die hellen Augen hinter der Brille scheinen dabei viel jünger zu sein als der Rest des immerhin 61 Jahre alten Körpers.
In der Hauptstadt werden sie sich an den sperrigen Professor aus Mainz wohl erst gewöhnen müssen, denn als Politiker ist Jürgen Zöllner ein Überzeugungstäter: Wo das Bildungssystem seiner Ansicht nach nicht funktioniert, da wird reformiert, auch wenn es weh tut. Denn Bildung ist für Jürgen Zöllner der Schlüssel, mit dem das Tor zu einer gerechteren Gesellschaft geöffnet wird. Dass dieser Schlüssel niemandem verwehrt wird, dafür hat er immer wieder gestritten und gekämpft, zuletzt mit seiner, wenn auch vergeblichen, Weigerung, an den Universitäten in Rheinland-Pfalz Studiengebühren einzuführen.
Bildung als Mittel gegen soziale und gesellschaftliche Probleme, das ist das Credo des Jürgen Zöllner:
"Ich bin der festen Überzeugung, dass vor allem die Bildungspolitik darüber entscheiden wird, ob diese großen Herausforderungen erfolgreich bewältigt werden, ja oder nein. Wenn man das so sieht, dann sieht man, zumindest aus meiner Sicht, dass in Berlin zumindest zu einem relevanten Teil über unser aller Zukunft entschieden wird."
Aber Berlin ist anders als Rheinland-Pfalz. Vor allem ist Berlin pleite. Bildungspolitik so ganz ohne Geld, das dürfte für den Mann aus Mainz dann doch eine neue Erfahrung werden, der er sich allerdings ganz und gar gewachsen fühlt:
"Ich gehe ohne Illusionen, und ich gehe mit absoluter Sicherheit nicht blauäugig nach Berlin. Aber ich gehe mit einer Vorfreude und einem Tatendrang und mit Neugierde nach Berlin."
Vor dem Spagat zwischen politischem Anspruch und finanzieller Not ist ihm jedenfalls nicht bang:
"Sie haben doch schön öfters festgestellt, dass ich einen Spagat hinkriege."