Watson fordert europäische Lösung für Finanzkrise
Der Vorsitzende der Liberalen Fraktion im EU-Parlament, Graham Watson, hat die EU-Staaten zu einer gemeinsamen Lösung der Finanzmarktkrise aufgerufen. Viele Länder Europas seien zu klein, um eigene Rettungspakete umsetzen zu können, sagte. Europa brauche gemeinsame Regeln und müsse bereit sein, bei einer Wirtschaftskrise gemeinsam zu handeln.
Birgit Kolkmann: Es war ein schwarzer Tag an den Börsen gestern weltweit. Die Talfahrt der Kurse auf lange nicht gesehene Tiefststände. Der Dow Jones schloss mit unter 10.000 Punkten. Allein gestern wurde eine Geldmenge vernichtet, die in etwa der Hälfte des deutschen Bruttosozialprodukts entspricht. Eine hoch gefährliche Situation, sagte auch der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, und der ist mit dabei beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel. Seit gestern Abend tagen sie und suchen nach Auswegen aus der Krise. – Graham Watson ist der Vorsitzende der Liberalen-Fraktion im Europäischen Parlament und selbst gelernter Bänker mit langjähriger internationaler Erfahrung. Schönen guten Morgen in der "Ortszeit", Herr Watson.
Graham Watson: Guten Morgen.
Kolkmann: Was sagen Sie auch aus Ihrer Perspektive als gelernter Bänker? Brauchen wir einen europäischen Rettungspakt für die angeschlagenen Banken?
Watson: Ich glaube, es kann nur auf europäischer Ebene hier eine Lösung geben. Unsere Mitgliedsländer (nicht alle, aber viele) sind in der Tat zu klein – und das hat man mit Belgien gesehen -, um selbst Rettungspakete zu finden. Hier brauchen wir die Solidarität, die wir auf europäischer Ebene bekommen. Und wenn wir eine Europäische Zentralbank haben, dann müssen wir auch eine Regulation auf europäischer Ebene haben. Das heißt, wir müssen gemeinsame Regeln haben für die Banken und wir müssen auch bereit sein, wenn es nötig ist, um eine Wirtschaftskrise zu vermeiden (nicht nur eine Bankenkrise), zusammen zu agieren.
Kolkmann: Nun hat ja der Chef der Europäischen Zentralbank gesagt, diese werde so lange Liquidität in den Markt pumpen, wie es nötig ist. Wo kriegt man denn eine solch möglicherweise unbegrenzte Liquidität her? Aus einem Fonds, in den alle einzahlen zum Beispiel?
Watson: Es gibt keine unbegrenzte Liquidität und das weiß ich aus Zeiten, als ich in den 80er-Jahren als Bankier für die Hongkong Bank in Hongkong gearbeitet habe. Es gab zu der Zeit keine Zentralbank, aber alle Banken sind zusammengekommen, als es eine solche Krise gab, und es gab viele zu der Zeit. Zusammen haben sie Geld bereitgestellt für andere Banken, die sich in Schwierigkeiten befanden. Das hat die Europäische Zentralbank ganz gut in den letzten Wochen gemacht. Es ist sehr viel Geld von der Europäischen Zentralbank jeden Tag in die Märkte geflossen. Das müssen wir fortführen, aber wir müssen auch bereit sein, auf Regierungsebene etwas zu tun, und hier kann es nötig sein (ich hoffe nicht, aber es mag nötig sein), dass wir einen Spezialfonds dafür bereitstellen. Wenn es aber eine solche Maßnahme geben sollte, dann muss der Steuerzahler auch wissen, dass er auch eine gewisse Kontrolle hat. Das heißt, dann muss es neue Möglichkeiten geben, neue Aufsichtsregeln zum Beispiel, mehr Transparenz im System. Wenn wir die Banken retten und das mit Steuerzahlergeld, dann muss der Steuerzahler wissen, dass er auch eine gewisse Kontrolle hat.
Kolkmann: Das heißt, es müsste im Prinzip jetzt schon eingeführt werden, denn Steuerzahlergeld wird ja jetzt schon verwendet. Ist es denn so, wie auch manche Kommentatoren schreiben, dass die Finanzmärkte inzwischen schon ganze Nationen als Geisel genommen haben?
Watson: Nein, ich glaube nicht. Ich glaube auch nicht, dass es irgendwie einen Plan gab. Das Problem ist, dass unser Finanzsystem ein bisschen wie eine Pyramide aufgebaut ist, eine Art pyramide selling operation. Das heißt, es gab sehr, sehr viele Ausgaben, ohne dass ein Kredit dahinter stand. Das ist aber nicht nur ein Marktversagen. Das muss man sagen. Das ist auch ein Staatsversagen, weil die Aufsichtsbehörden den Banken nicht früh genug gesagt haben, das können sie nicht, das müssen sie nicht.
Kolkmann: Nun haben Sie ja selber schon an Krisen erinnert, die Sie in Hongkong in den 80er-Jahren erlebt haben. Schweden hat so eine Finanzkrise in den 90er-Jahren durchgemacht und da sehr hart durchgegriffen. Sie haben gute Banken und schlechte Banken voneinander getrennt, haben geholfen, wo es sich gelohnt hat, und nicht geholfen, wo es sich nicht gelohnt hat. Nach einer zweijährigen Rezession wurde alles besser. Sollte das möglicherweise eine Vorlage sein, eine Blaupause für die Europäische Union jetzt?
Watson: Schweden hat zu der Zeit rasch und effizient gearbeitet und ich glaube, wir brauchen auch eine solche Reaktion auf europäischer Ebene. Aber hier geht es um etwas ganz anderes. Diese Krise ist viel tiefer und viel breiter als das, was wir in Schweden gesehen haben. Es wird nicht Europa, sondern die ganze Welt davon betroffen. Wir müssen versuchen, alles zu machen, dass diese Finanzkrise nicht eine allgemeine Wirtschaftskrise wird.
Kolkmann: Befürchten Sie eine Katastrophe?
Watson: Ja, ich befürchte eine Katastrophe. Ich glaube, dass wir den notwendigen politischen Konsens und die notwendigen Möglichkeiten und Ressourcen haben, um eine solche Katastrophe zu vermeiden.
Kolkmann: Vielen Dank, Graham Watson, für diese Einschätzungen. Er ist Vorsitzender der Liberalen-Fraktion im Europäischen Parlament und selbst gelernter Bänker mit internationaler Erfahrung. Vielen Dank fürs Gespräch.
Watson: Danke sehr.
Das Gespräch mit Graham Watson können Sie bis zum 7. März 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Graham Watson: Guten Morgen.
Kolkmann: Was sagen Sie auch aus Ihrer Perspektive als gelernter Bänker? Brauchen wir einen europäischen Rettungspakt für die angeschlagenen Banken?
Watson: Ich glaube, es kann nur auf europäischer Ebene hier eine Lösung geben. Unsere Mitgliedsländer (nicht alle, aber viele) sind in der Tat zu klein – und das hat man mit Belgien gesehen -, um selbst Rettungspakete zu finden. Hier brauchen wir die Solidarität, die wir auf europäischer Ebene bekommen. Und wenn wir eine Europäische Zentralbank haben, dann müssen wir auch eine Regulation auf europäischer Ebene haben. Das heißt, wir müssen gemeinsame Regeln haben für die Banken und wir müssen auch bereit sein, wenn es nötig ist, um eine Wirtschaftskrise zu vermeiden (nicht nur eine Bankenkrise), zusammen zu agieren.
Kolkmann: Nun hat ja der Chef der Europäischen Zentralbank gesagt, diese werde so lange Liquidität in den Markt pumpen, wie es nötig ist. Wo kriegt man denn eine solch möglicherweise unbegrenzte Liquidität her? Aus einem Fonds, in den alle einzahlen zum Beispiel?
Watson: Es gibt keine unbegrenzte Liquidität und das weiß ich aus Zeiten, als ich in den 80er-Jahren als Bankier für die Hongkong Bank in Hongkong gearbeitet habe. Es gab zu der Zeit keine Zentralbank, aber alle Banken sind zusammengekommen, als es eine solche Krise gab, und es gab viele zu der Zeit. Zusammen haben sie Geld bereitgestellt für andere Banken, die sich in Schwierigkeiten befanden. Das hat die Europäische Zentralbank ganz gut in den letzten Wochen gemacht. Es ist sehr viel Geld von der Europäischen Zentralbank jeden Tag in die Märkte geflossen. Das müssen wir fortführen, aber wir müssen auch bereit sein, auf Regierungsebene etwas zu tun, und hier kann es nötig sein (ich hoffe nicht, aber es mag nötig sein), dass wir einen Spezialfonds dafür bereitstellen. Wenn es aber eine solche Maßnahme geben sollte, dann muss der Steuerzahler auch wissen, dass er auch eine gewisse Kontrolle hat. Das heißt, dann muss es neue Möglichkeiten geben, neue Aufsichtsregeln zum Beispiel, mehr Transparenz im System. Wenn wir die Banken retten und das mit Steuerzahlergeld, dann muss der Steuerzahler wissen, dass er auch eine gewisse Kontrolle hat.
Kolkmann: Das heißt, es müsste im Prinzip jetzt schon eingeführt werden, denn Steuerzahlergeld wird ja jetzt schon verwendet. Ist es denn so, wie auch manche Kommentatoren schreiben, dass die Finanzmärkte inzwischen schon ganze Nationen als Geisel genommen haben?
Watson: Nein, ich glaube nicht. Ich glaube auch nicht, dass es irgendwie einen Plan gab. Das Problem ist, dass unser Finanzsystem ein bisschen wie eine Pyramide aufgebaut ist, eine Art pyramide selling operation. Das heißt, es gab sehr, sehr viele Ausgaben, ohne dass ein Kredit dahinter stand. Das ist aber nicht nur ein Marktversagen. Das muss man sagen. Das ist auch ein Staatsversagen, weil die Aufsichtsbehörden den Banken nicht früh genug gesagt haben, das können sie nicht, das müssen sie nicht.
Kolkmann: Nun haben Sie ja selber schon an Krisen erinnert, die Sie in Hongkong in den 80er-Jahren erlebt haben. Schweden hat so eine Finanzkrise in den 90er-Jahren durchgemacht und da sehr hart durchgegriffen. Sie haben gute Banken und schlechte Banken voneinander getrennt, haben geholfen, wo es sich gelohnt hat, und nicht geholfen, wo es sich nicht gelohnt hat. Nach einer zweijährigen Rezession wurde alles besser. Sollte das möglicherweise eine Vorlage sein, eine Blaupause für die Europäische Union jetzt?
Watson: Schweden hat zu der Zeit rasch und effizient gearbeitet und ich glaube, wir brauchen auch eine solche Reaktion auf europäischer Ebene. Aber hier geht es um etwas ganz anderes. Diese Krise ist viel tiefer und viel breiter als das, was wir in Schweden gesehen haben. Es wird nicht Europa, sondern die ganze Welt davon betroffen. Wir müssen versuchen, alles zu machen, dass diese Finanzkrise nicht eine allgemeine Wirtschaftskrise wird.
Kolkmann: Befürchten Sie eine Katastrophe?
Watson: Ja, ich befürchte eine Katastrophe. Ich glaube, dass wir den notwendigen politischen Konsens und die notwendigen Möglichkeiten und Ressourcen haben, um eine solche Katastrophe zu vermeiden.
Kolkmann: Vielen Dank, Graham Watson, für diese Einschätzungen. Er ist Vorsitzender der Liberalen-Fraktion im Europäischen Parlament und selbst gelernter Bänker mit internationaler Erfahrung. Vielen Dank fürs Gespräch.
Watson: Danke sehr.
Das Gespräch mit Graham Watson können Sie bis zum 7. März 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio