Waste-Watcher

Hamburg macht gegen Müllsünder mobil

Ein Waste-Watcher in Hamburg bei der Arbeit.
Ein Waste-Watcher in Hamburg bei der Arbeit. © imago/Lars Berg
Von Axel Schröder · 07.02.2019
Müll wird an den Straßenrand abgestellt und Zigarettenkippe werden weggeschmissen, obwohl ein Aschenbecher in der Nähe steht. Mit geschultem Personal, den Waste-Watchern, geht die Stadt Hamburg gegen Müllsünder vor.
Morgens früh um zehn sind die "Waste Watchers" unterwegs in die Innenstadt. Hinten auf der Rückbank sitzt Robert Dahlke, vorn lenkt Sebastian Orzechowski den Kleinwagen durch den Hamburger Verkehr.
"Wir werden heute das Littering verfolgen. Das heißt: grobe Verschmutzungen durch Coffee-to-Go-Becher, Zigarettenstummel, Kaugummis, Hundekot, etc."
"Was beobachtet man am meisten? Ich kann mir vorstellen, es ist wahrscheinlich die weggeschmissene Kippe."
"Das sehen Sie richtig. Im Großen und Ganzen haben wir häufig, sehr, sehr häufig viele Zigaretten-Kippen. Man kann sich das selber ausrechnen. Wir haben sehr viele Raucher, eine Schachtel hat 20 Zigaretten und diese 20 landen meistens auf dem Boden. Obwohl die dazugehörigen Aschenbecher vorhanden sind. Und vielen Leuten ist das noch nicht bewusst, wie sehr die Zigarette die Umwelt schädigt."

Kippen über Kippen

Sebastian Orzechowski parkt den Wagen an der Willy-Brandt-Straße, legt den DIN A4-großen Zettel mit der Parkerlaubnis der Hamburger Stadtreinigung hinter die Windschutzscheibe. Schon auf den ersten Metern in Richtung Mönckebergstraße fallen die vielen Kippenstummel in den Ritzen zwischen den Gehwegplatten auf.
"Das kriegt keine Kehrmaschine aufgehoben. Das heißt, dass da jetzt jemand kommen muss – das sieht auch nicht schön aus – und das mit der Zange rausholen muss. Das ist natürlich Mist."
"Und wie gesagt: wenn da jetzt noch Regen drauf kommt, wird das hier ins Grundwasser gespült, das Nikotin und die kleinen Mikropartikel wie zum Beispiel verschiedene Chemikalien, die gelangen dann ganz schnell ins Grundwasser."

Der erste Müllsünder

20 Meter entfernt, vor einem Büroeingang steht eine Gruppe Raucher in der Kälte, frierend, die Schultern hochgezogen. Die beiden Waste-Watcher schlendern vorbei, zufrieden, dass es gleich neben dem Hauseingang einen Aschenbecher gibt. Aber in Richtung Möckebergstraße entdecken sie den ersten Müllsünder, beschleunigen ihre Schritte, stellen den Mann:
"Moin!"
"Was haben Sie falsch gemacht? Hier hinter Ihnen ist der Aschenbecher. "
Der Raucher weiß sofort Bescheid. Denn vor ein paar Tagen haben die beiden Waste-Watcher schon einmal verwarnt. Er zuckt die Schultern, zeigt ohne Widerworte seinen Personalausweis. Als die Waste-Watcher vor einem Jahr ihren Dienst aufgenommen hatten, beließen es bei Ermahnungen.

Mittlerweile wird aber jedes Mal ein Verwarngeld fällig. Wie viel genau, entscheiden nicht die Waste-Watcher, sondern die zuständige Bußgeldstelle. Etwa 20 Euro kostet es, wenn eine Zigarettenkippe auf dem Gehweg landet. Wer aber erwischt wird und seinen Kippenstummel nicht aufheben und ordnungsgemäß entsorgen will, für den wird es teurer. In diesem Fall ist der Müllsünder einsichtig, bückt sich zur Kippe, wirft sie in den keine zehn Meter entfernten Abfalleimer. 30 Waste-Watchers gibt es in Hamburg. Und alle müssen vor ihrem Einsatz auf der Straße erst eine kurze Ausbildung hinter sich bringen, erklärt der Leiter der Entsorgungsüberwachung, Klaus Chapuis im Stützpunkt der Stadtreinigung in Hamburg-Billstedt:
"Wir achten sehr auf Deeskalation. Das bedeutet nichts anderes als: 'Unsere Sprache ist unsere Waffe'. Wir werden überhaupt nicht handgreiflich, fassen niemanden an, werfen auch niemanden zu Boden, sondern wir machen alles mit der Sprache. Unsere Mitarbeiter werden speziell geschult. Und da gucken wir sehr genau drauf: Was für ein Typ Mensch ist das? Wie beruhigend ist seine Sprache? Wie geht er auf Menschen zu? Da legen wir einen sehr starken Fokus drauf. Unter anderem auch so ein bisschen 'Rechtsrahmen', 'Verwaltung', wo kommt dieser Mensch her, was hat er vorher für Tätigkeiten gemacht?"
Waste-Watcher in Hamburg: Robert Dahlke und Sebastian Orzechowski 
Waste-Watcher in Hamburg: Robert Dahlke und Sebastian Orzechowski © Deutschlandradio / Axel Schröder

Mit Smartphone-App gegen Müllsünder

Schon 1995 schickte die Stadtreinigung so genannte "Mülldetektive" auf die Straßen. Heute gibt es neben den "Waste-Watchern" noch 15 "Kümmerer", die verdreckte Parkbänke, überquellende Papierkörbe oder vermüllte Altglascontainer wieder in Ordnung bringen. Und es gibt eine Smartphone-App, über die Bürgerinnen und Bürger Fotos von Unrat in ihrem Viertel hochladen können. Anhand der damit übermittelten Ortsangaben können dann die Mitarbeiter der Stadtreinigung ausrücken:

"Und immer dann, wenn Verursacher im Spiel sind, das heißt, Adress-Material wird gefunden, wird uns das einzeln mitgeteilt. Da schicken wir natürlich unsere Waste-Watcher hin. Die nehmen den gesamten Vorgang auf und wickeln auch gleich mit den zuständigen Regionen das so ab, dass das auch sofort beseitigt werden kann."
Immer dann, wenn bei wild entsorgtem Müll die Verursacher ausfindig gemacht werden können, wird es richtig teuer. Vier- bis fünfstellige Beträge, je nach Menge des Mülls können fällig werden. Und zahlen müssen auch Menschen, die ihr Altpapier oder leere Einwegflaschen neben einem vollen Müllcontainer abstellen.

"Zwei Meter weiter wäre der Aschenbecher gewesen"

Zurück in der Mönckebergstraße, bei den beiden "Waste-Watchern" im Einsatz. Ein junge Mutter, vor sich einen Kinderwagen, wirft ihre aufgerauchte Zigarette aufs Pflaster. Robert Dahlke und Sebastian Orzechowski sprechen sie an:
"Wir gehen da jetzt ein bisschen schneller gegen an. Deswegen bräuchten wir einmal ihren Ausweis. Zwei Meter weiter wäre der Aschenbecher gewesen."
Die Frau versucht nur kurz, sich zu rechtfertigen. "Aber das machen doch alle!" ist die wohl häufigste Ausrede der Müllsünder. Ein Argument, dass die beiden Waste-Watcher nicht überzeugt. Dass sie nicht sonderlich beliebt sind, ist den beiden klar. Aber trotz der Bußgelder, die sie verhängen, sind die meisten von ihnen überführten Flaneure einsichtig und wenig nachtragend. Und erste Erfolge der Waste-Watcher-Einsätze seien schon mit bloßem Auge erkennbar, findet Robert Dahlke:
"Durch unsere tägliche Präsenz seit dem 1.1.2018 sieht man schon wesentliche Fortschritte. Das heißt, wen die Leute uns sehen, dann machen die sofort den Gang zum Aschenbecher. Und man sieht es ja auch auf dem Boden, dass es zum Teil schon viel besser aussieht. Und das sind die Erfolge, die uns auch glücklich machen."
Je erfolgreicher die Waste-Watcher arbeiten, je mehr Menschen sie davon überzeugen können, den Müll nicht mehr auf die Straße zu werfen, desto seltener müssen sie ausrücken. Überflüssig werden sie aber auch auf lange Sicht wohl nicht.
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