Wasserknappheit in Niedersachsen
Mit Beregnung stellen Landwirte sicher, dass ihre Produkte nicht verdorren. Doch eine entscheidende Frage ist: Woher kommt das Wasser dafür? © IMAGO / Martin Wagner
Ideen gegen fehlenden Regen
09:46 Minuten
Die zunehmende Trockenheit in Deutschland stellt besonders Landwirte vor große Herausforderungen. In Niedersachsen haben drei von ihnen Wege gefunden, dem fehlenden Regen konstruktiv zu begegnen. Etwa mit geklärtem Abwasser oder einer Methode aus Afrika.
Landwirt Albert Wiese ist vor wenigen Wochen in die künstliche Bewässerung eingestiegen. Er setzt ganz auf Diversität. Neben der Haltung von Schweinen und Freilandhühnern baut er auf seinen Äckern viele unterschiedliche Kulturen an: Kartoffeln und Möhren, Rote Beete und Bohnen, Weizen und Mais.
Es habe „ein bisschen Anlaufschwierigkeiten gegeben“, sagt er. Für die Genehmigungen brauche es viel Papierkram, der einen aufhalte.
Es habe „ein bisschen Anlaufschwierigkeiten gegeben“, sagt er. Für die Genehmigungen brauche es viel Papierkram, der einen aufhalte.
Aber ohne das Bewässerung gehe es nicht: Denn wenn man die vereinbarte Erntemenge nicht liefer könne, weil vieles verdorrt ist, wolle niemand mehr einen weiteren Vertrag machen.
Diese frustrierende Erfahrung musste Albert Wiese vor vier Jahren machen. Bei hohen Temperaturen und Wochen ohne Niederschläge verzeichneten im Jahr 2018 viele Landwirte deutschlandweit hohe Ernteverluste.
Diese frustrierende Erfahrung musste Albert Wiese vor vier Jahren machen. Bei hohen Temperaturen und Wochen ohne Niederschläge verzeichneten im Jahr 2018 viele Landwirte deutschlandweit hohe Ernteverluste.
Grundwasser für die Bewässerung
Wieses Hof liegt in West-Niedersachsen, einer Region, in der er es in der Vergangenheit immer ausreichend Niederschläge gab. Doch durch den Klimawandel ändert sich das gerade.
Deshalb hat Albert Wiese vor zwei Jahren beim Landkreis den Antrag gestellt, künftig Grundwasser für seine Bewässerung zu nutzen. Ein Verfahren, das in Deutschland schon lange genutzt wird. Ohne die Erlaubnis dafür könnte er einige seiner Kulturen nicht weiter anbauen. Das Saatgut für Möhren, Rote Beete und Kartoffeln sei teuer und das Unkrautjäten mache viel Arbeit, so Wiese. Wenn er die Produkte am Ende nicht zu ausreichend hohen Preisen verkaufen könne, mache er Verluste.
Die Beregnung ist allerdings teuer. Aufstellen, Umsetzen und Warten der Beregnungsanlagen kosten Zeit und die Energie für die Pumpen viel Geld. Das Beregnen lohnt sich jedoch immer öfter.
Wenn es an Grundwasser mangelt
Wie Wiese gehe es vielen Landwirten, sagt Ekkehard Fricke von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Vorsitzender des Fachverbands Feldberegnung. Als er vor fast 30 Jahren mit der Beregnungsberatung anfing, hätten im Emsland und westlichen Niedersachsen nur einzelne Betriebe Beregnung genutzt. Jetzt nehme das deutlich zu.
Um landwirtschaftliche Flächen künstlich beregnen zu lassen, braucht es jedoch Wasser – viel Wasser, das fast immer dem Grundwasser entnommen wird, in Niedersachsen zu mehr als 90 Prozent.
Im Idealfall füllen die Winterniederschläge die Grundwasservorräte wieder auf. Da der Bedarf jedoch aktuell überall stark ansteigt, ist es längst nicht sicher, dass alle landwirtschaftlichen Betriebe, die Grundwasser benötigen, auch welches bekommen.
Und einen eigenen Brunnen bohren, dafür brauche man Gutachten, erklärt Landwirt Albert Wiese. „Wenn da schon die Kollegen schon alle aktiv waren, und haben viele Brunnen gebohrt, dann kriegen sie keinen mehr. Das ist ein Riesenproblem.“
Wasser aus der Kläranlage
Anstelle von Grundwasser gibt es jedoch auch noch andere, alternative Wasserquellen für Beregnungsanlagen. Eine davon ist das in Klärwerken gereinigte Abwasser, das sogenannte Klarwasser. In Deutschland ist die Nutzung von Klarwasser für die landwirtschaftliche Beregnung bisher kaum verbreitet und nur wenige Menschen haben damit Erfahrungen. Einer von ihnen ist Heinrich Ripke.
Das Gebiet des Abwasserverbands Braunschweig sei eine Fläche von 2700 Hektar, „die vom Abwasserverband mit Klarwasser zur Bewässerung und aber auch zur Grundwasserstabilisierung verregnet wird“, sagt Ripke.
Schon seit Jahrzehnten wird hier, nordwestlich von Braunschweig, die Hälfte des anfallenden Klarwassers auf landwirtschaftlichen Flächen verregnet. Bisher kommen im Klärwerk jedoch nur die in Deutschland üblichen drei Reinigungsstufen zum Einsatz, um zum Beispiel Feststoffe, Sand oder Mikroplastik zu entfernen.
Produkte nicht roh verzehren
Medikamentenrückstände oder bestimmte Keime werden dabei jedoch nicht aus dem Wasser gefiltert, weshalb die beteiligten Landwirte bei dieser Art der Beregnung auch nur bestimmte Kulturen anbauen dürfen.
So dürfe beispielsweise kein Gemüse angebaut werden, das frisch verzehrt werde. „Sämtliche Produkte, die hier wachsen, nicht roh verzehrt werden."
So dürfe beispielsweise kein Gemüse angebaut werden, das frisch verzehrt werde. „Sämtliche Produkte, die hier wachsen, nicht roh verzehrt werden."
Möhren und Rote Beete wie bei Landwirt Albert Wiese dürften hier also nicht wachsen. Auf etwa 40 Prozent der Flächen werden stattdessen Energiepflanzen für die Verwertung in Biogasanlagen angebaut. Außerdem Zuckerrüben und Stärkekartoffeln. Produkte also, die noch nachbehandelt werden. Zurzeit findet eine EU-weite Gesetzesänderung statt, um die Wasserressource Klarwasser künftig noch viel intensiver nutzen zu können. Den Einsatz weiterer Reinigungsschritte, etwa mit Aktivkohle oder Ozon, testet man in Braunschweig gerade.
Weidemanagent aus Afrika
Welche Möglichkeiten es noch gibt, um trotz der Klimawandelfolgen weiterhin gut wirtschaften zu können, hat sich auch Annabelle Gérard gefragt. Sie ist Milchbäuerin in Ost-Niedersachsen, einer der trockensten Regionen Deutschlands. Das Jahr 2018 hat auch sie und ihren Betrieb vor große Herausforderungen gestellt.
Als im Hitze-Sommer vor vier Jahren auf ihren Weiden über Wochen kein frisches Gras mehr wuchs, musste die Biobäuerin einige ihrer Kühe zwangsweise schlachten lassen, weil sie schlicht nicht mehr genug Futter für sie hatte.
Um solch eine Situation nicht noch einmal erleben zu müssen, machte sich die Milchbäuerin auf die Suche nach einer Lösung. Und – wurde beim Holistic Management fündig, dem sogenannten Ganzheitlichen Weidemanagement. Diese Art zu wirtschaften wurde im südlichen Afrika entwickelt. Ideal also für trockene Regionen.
Eine Stunde mehr Arbeit pro Tag
Holistic Mangagement, wie sie es verstehe, sei der Versuch, „ganzheitlich Landwirtschaft zu betreiben, eine Art von Landwirtschaft, die sich auf die Fahnen schreiben kann, wirklich nachhaltig zu sein“, sagt Annabelle Gérard.
In den vergangenen Jahren hat sie ihre Weidewirtschaft komplett umgestellt. Stark vereinfacht sieht das so aus: Anstatt die Tiere mehrere Tage auf derselben Weide stehen zu lassen, treibt sie ihre Kühe nun jeden Morgen und jeden Abend auf eine neue, kleine, frische Weidefläche. Die Tiere fressen Klee und Gras dadurch nur oberflächlich ab und die Pflanzen wachsen schnell wieder nach. Durch die recht eng stehenden Tiere wird der Boden außerdem gut gedüngt.
Etwa eine Stunde Mehrarbeit pro Tag hat Gérard durch diese Umstellung. Die nehme sie jedoch gerne in Kauf, ermögliche es den Wiesen doch, mit relativ wenig Niederschlag trotzdem gut zu wachsen. "Die letzten beiden Jahre haben wir gesehen, dass wir mehr Futter haben für die Tiere. Und auch sicherer Futter haben für die Tiere.“ Gérard ist froh, nach intensivem Suchen, für sich und ihre Tiere einen Weg gefunden zu haben, mit der zunehmenden Trockenheit umzugehen. Es helfe ihr die Erkenntnis, „dass wir in der Lage sind, durch geschicktes Management, etwas zu verbessern."
Regen ist immer besser
Auch Albert Wiese ist es gelungen, durch aktives Handeln, seinen Betrieb weiterhin gut bewirtschaften zu können. Er ist nun in der Lage, seine Flächen auch ohne Regen mit ausreichend Wasser versorgen zu können. Doch eine Frage stelle sich ihm immer wieder aufs Neue: Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Bewässerung?
"Ursprünglich hatten ja die Wetterberichte mal gesagt, dass in der Woche vielleicht doch noch fünf bis zehn Millimeter Regen kommen.“ Da hätten sie wieder überlegt, ob sie das Bewässern sein lassen. „Wir haben es trotzdem gemacht – und als wir fertig waren mit Bewässern, da hat der Wetterbericht den Regen allen rausgenommen."
Albert Wiese ist dankbar für seine neue Möglichkeit. Trotz der Kosten, die sie verursacht. Dennoch ist Bewässern für ihn immer nur die zweitbeste Lösung. "Wenn man Glück hat, kommt eine schöne Wolke und dann braucht man gar nicht beregnen. Und das ist eigentlich der günstigste Fall, wenn man das gar nicht beregnen braucht."