Wasserhövel: SPD steckt nicht in der Krise

Kajo Wasserhövel im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Der SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel sieht nach dem Europawahlergebnis keinen Anlass für Inhalts- oder Personaldiskussionen in seiner Partei. Wasserhövel sagte, die Partei gehe geschlossen in den Wahlkampf. Sie habe ein gutes Regierungsprogramm, in dem die Alternativen sehr deutlich würden. Als Beispiele nannte er den Mindestlohn, die Studiengebühren und die Begrenzung von Managergehältern.
Gabi Wuttke: Den Sozialdemokraten schwimmen die Felle davon und entsprechend aufgeregt ist die Stimmung. Von den Füßen auf den Kopf stellen solle man dee Wahlkampf, fordern einige Genossen. Chef Franz Müntefering will dagegen auf Generallinie bleiben. Allerdings: Die Konfrontation ist seit Montag unüberhörbar. Kajo Wasserhövel ist Bundesgeschäftsführer der SPD und ihr oberster Wahlkampfmanager. Guten Morgen!

Kajo Wasserhövel: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Eine freche Kampagne hat der SPD bei der Europawahl nicht geholfen, vielmehr konstatieren Parteien und Wahlforscher, auch für SPD-Wähler kann in dieser Krise nicht jeder Arbeitsplatz erhalten bleiben. Kennt die SPD ihre Wähler noch?

Wasserhövel: Ich denke schon, dass wir unsere Wählerinnen und Wähler kennen. Ganz klar ist: Das Europawahlergebnis ist enttäuschend. Aber ich glaube schon, dass verstanden wird, wir müssen uns gerade in der Krisensituation darum kümmern, dass möglichst viele Arbeitsplätze gehalten und gesichert werden. Das sind ja keine abstrakten Zahlen, auch bei Opel, auch bei anderen. Da stecken Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinter, ihre Familien, ganze Regionen, die davon abhängig sind, dass die Strukturen da auch bleiben. Und gerade auch die Erfahrung in Ostdeutschland hat doch gezeigt: Wenn man erst mal zulässt, dass da Bereiche wegbrechen, dann entstehen wirklich, wirklich große Löcher, und das dauert dann sehr, sehr lange, um dort wieder Industrie anzusiedeln.

Wuttke: Aber auch da, wo Frank-Walter Steinmeier sich für die Opel-Arbeitsplätze ausgesprochen hat, haben sich die Zahlen für die SPD nicht erhöht.

Wasserhövel: Es geht bei Opel darum, ein Unternehmen hier in Deutschland am Markt zu halten, die industrielle Substanz auch zu sichern und zu retten. Irgendwann wird die Weltkonjunktur wieder anziehen, die Autos werden gebraucht und die sollten dann auch in Deutschland produziert werden. Und das war keine Frage von Wahlkampftaktik oder Wahlkampfstrategie.

Wuttke: Aber kam nicht an, was Sie als inhaltliche Politik der SPD verstanden haben.

Wasserhövel: Es geht wirklich darum, dafür zu sorgen, dass über 120.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Opel und den Zuliefererfirmen ihre Jobs da behalten. Ganze Städte, ganze Regionen hängen davon ab. Ich bin sehr stolz auf das, was Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Olaf Scholz in der Bundesregierung tun. Sie packen konkret an und machen da kein leichtfertiges Insolvenzgerede wie der Herr von Guttenberg.

Wuttke: Es sind noch 108 Tage bis zur Bundestagswahl. Wie wollen Sie umsetzen, was Franz Müntefering "zugespitzten Wahlkampf" nennt, wie werden Sie den Parteitag am Wochenende zelebrieren und wie Frank-Walter Steinmeier, Ihren Spitzenkandidaten, in Szene setzen?

Wasserhövel: Frank-Walter Steinmeier wird am Sonntag die zentrale Rede auf dem Parteitag halten, seinen Kurs deutlich machen, die Prinzipien, für die er steht, den Kompass, den er hat, im Unterschied zu der Frau Bundeskanzlerin, die von Fall zu Fall mal dies, mal jenes erzählt. Die Partei wird sich vereinen, sie wird geschlossen in diesen Wahlkampf reinziehen. Wir haben ein gutes Regierungsprogramm aufgeschrieben, da werden die Alternativen sehr, sehr deutlich. Wir stehen für das soziale und demokratische Deutschland, wir sind dafür, dass der Staat handlungsfähig sein muss, wir sind für gerechte Chancen im Bildungswesen, wir stehen für gute Arbeit, wir stehen für einen gesetzlichen Mindestlohn, wir stehen für eine moderne Energiepolitik und wir stehen auch dafür, dass die Lasten der Krise fair verteilt werden, beispielsweise auch dadurch, dass wir gegen Steuerhinterziehungen und auch Steueroasen engagiert vorgehen. Und das sind wesentliche Unterschiede zu der Politik, für die Schwarz-Gelb steht. Und ich sage Ihnen, am 27. September wird's keine Mehrheit für Schwarz-Gelb in Deutschland geben.

Wuttke: Ich kann verstehen, dass Sie optimistisch sein müssen, trotzdem: Bis auf zwei Punkte glaube ich nicht, dass Angela Merkel da nicht ihr Häkchen hinter machen würde. Aber wie wollen Sie diesen Erfolg schaffen bei dem ja so erfolgreichen ich sag mal Bundesmutterimage von Angela Merkel, wie wollen Sie einen Frank-Walter Steinmeier positionieren, der eben nicht Gerhard Schröder ist? Wenn wir ihn machtvoll hören, dann klingt er wie Gerhard Schröder.

Wasserhövel: Der Frank-Walter Steinmeier ist ein Vollblutpolitiker mit klaren Vorstellungen, und der wird in den Wahlkampf ordentlich einsteigen und in seiner eigenen Art die Bürgerinnen und Bürger ansprechen und überzeugen. Aber ich will noch mal kurz was sagen: Es geht um die Unterschiede, die inhaltlichen Unterschiede. Und ich will Ihnen das auch noch mal an zwei, drei Stellen sagen.

Wir streiten dafür, dass Kinder die gleichen Chancen im Bildungswesen bekommen. Deswegen sind wir dafür, dass wir schrittweise die Gebührenfreiheit durchsetzen. Wir haben in Deutschland eine viel zu große soziale Differenzierung. Wir stehen gegen Studiengebühren, die Union ist für Studiengebühren - auch Frau Merkel macht nichts gegen Studiengebühren. Wir sind dafür, dass Menschen für gute Arbeit auch gut bezahlt werden, deswegen streiten wir für einen gesetzlichen Mindestlohn - Frau Merkel ist gegen den Mindestlohn. Wir streiten dafür, dass die Managergehälter begrenzt werden, dass die Gier da auch gestoppt wird. Die Union und auch Frau Merkel verschleppt dieses Thema und blockiert an ganz, ganz vielen Stellen. Wir stehen ...

Wuttke: Herr Wasserhövel, da muss ich Sie jetzt kurz unterbrechen.

Wasserhövel: ... einen Satz noch, dann bin ich fertig ... Wir stehen für eine moderne Energiepolitik und sagen, wir wollen keine neue Atomkraft, wir wollen aus dieser Technik aussteigen. Auch die Union ist für Atomenergie. Und da gibt's viele, viele andere Themen ...

Wuttke: Alles klar, jetzt bin ich dran.

Wasserhövel: ... an denen man das deutlich machen kann.

Wuttke: Jetzt an der Stelle bin ich dran, denn das, was Sie ankündigen, wofür die SPD steht, ist das eine, aber wofür sie stehen wird nach der Wahl, das ist möglicherweise das Problem der SPD, dass sie inzwischen als wankelmütig gilt.

Wasserhövel: Ich kann das nicht sehen, dass wir als wankelmütig gelten, sondern wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder auch für Politik eingetreten, von der wir überzeugt gewesen sind, auch wenn sie im ersten Moment nicht so populär gewesen ist. Das kann man uns wirklich nicht sozusagen da vorwerfen. Wir haben unser Programm jetzt auf den Tisch gelegt und damit deutlich gemacht, wohin wir gehen wollen. Dafür werden wir in diesem Wahlkampf streiten, das ist Sozialdemokratie pur. Und die Wählerinnen und Wähler, die entscheiden am 27.09. darüber, wie viel von dieser Politik umgesetzt werden kann.

Wuttke: Man schreibt über Sie, Sie seien ein Müntefering im Quadrat. Trotzdem: Kann die SPD ernsthaft auf eine neue Regierungsverantwortung zustreben ohne die Linkspartei?

Wasserhövel: Ja, ganz eindeutig. Das geht mit denen überhaupt nicht. Es gibt ja immer mehr nachdenkliche Menschen, die die Linkspartei verlassen und diesen sektiererischen Kurs auch von Lafontaine nicht mitmachen wollen. Die Linkspartei ist sozialpolitisch illusionär, weil sie allen alles verspricht. Die Linkspartei ist außenpolitisch vollkommen unzuverlässig ...

Wuttke: Und Sie sind sich sicher, dass ich Sie an dieses Versprechen jetzt am 28. September nicht erinnern muss?

Wasserhövel: Das können Sie gerne machen, aber Sie werden keinen Anlass dazu haben, weil die Haltung der SPD dazu eindeutig ist. Und ich kenne da wirklich auch keine anderen Meinungen. Das ist eindeutig bei Frank-Walter Steinmeier, bei Peer Steinbrück, bei Franz Müntefering, in der gesamten SPD-Spitze, und das wird der Parteitag am Sonntag auch noch mal deutlich machen.

Wuttke: Andrea Ypsilanti hat das auch mal gesagt.

Wasserhövel: Ich glaube, dass viele aus dem gelernt haben, was da in Hessen abgelaufen ist. Wir sagen klipp und klar vor der Wahl, was geht und was nicht geht. Und Sie können sich darauf verlassen, daran werden wir uns auch halten.

Wuttke: Das war Kajo Wasserhövel, der oberste Wahlkampfmanager der SPD im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur. Vielen Dank für Ihr Kommen, viel Erfolg!

Wasserhövel: Danke Ihnen auch!