Wasser- und Lebensader "São Francisco"

Lieblingsfluss der Brasilianer trocknet aus

Ausgetrockneter Boden
Ein fast ausgetrockneter Flusslauf in Brasilien © AFP PHOTO / Nelson Almeida
Von Julio Segador · 09.02.2015
Er ist die wirtschaftliche Basis für Millionen von Brasilianern: der Strom São Francisco, liebevoll der "Alte Franz" genannt. Zumindest war er es. Denn die Dürre im Land und menschliche Eingriffe in die Natur trockneten sogar kurzfristig schon die Flussquellen aus.
Keinen anderen Fluss – auch nicht den Amazonas – verehren die Brasilianer so sehr wie den Velho Chico, den Alten Franz, wie sie den Strom liebevoll nennen. Er verbindet den reichen Südosten mit den armen Regionen im Nordosten. Er liefert Wasser und Energie, er ist die wirtschaftliche Basis für Millionen von Brasilianern – er war es zumindest. Auch für Maria Santos da Silva, die in Ilha do Ouro lebt, etwa 200 Kilometer entfernt von der Atlantikmündung.
"Im Himmel haben wir Gott und hier auf Erden haben wir unseren Alten Franz, den Velho Chico. Viele Menschen hatten mit ihm ihr Auskommen und gerade für uns hier im Norden ist das Wasser lebenswichtig. Wir trinken das Wasser, holen unsere Fische aus den Fluten. Zumindest konnten wir das früher. Für uns Nord-Brasilianer bedeutet der São Francisco alles. Auch für mich."
In Städten wird Wasser rationiert
Doch die grassierende Dürre im Land und menschliche Eingriffe in die Natur des Flusses haben dafür gesorgt, dass immer weniger Menschen vom São Francisco leben können. Seit über einem Jahr herrscht eine außergewöhnliche Trockenheit in Brasilien. In Städten wie São Paulo muss das Wasser rationiert werden.
Vor wenigen Wochen trockneten sogar die Quellen des Stromes in den Bergen von Minas Gerais kurzzeitig aus. Das hatte es vorher noch nie gegeben. Im Unterlauf des São Francisco, in der Savannengegend Sertão, hat es sogar seit Jahren nicht mehr geregnet. Für Antonio Aves do Sousa und für viele seiner Kollegen in Ilha do Ouro ist die Lebensgrundlage entfallen.
"Früher war Ilha de Ouro der größte Reisproduzent – heute gibt es hier keinen Reis mehr, weil die Lagunen nicht mehr mit Wasser volllaufen. Alle Landwirte in der Region haben früher Reis angebaut, das gibt es nicht mehr. Und sie wandern nun in die Städte aus, weil man hier nicht mehr überleben kann."
Tausende von Fischern arbeitslos
Dazu kommt, dass der São Francisco in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder aufgestaut wurde. Neun Wasserkraftwerke unterbrechen seinen Lauf. An manchen Stellen ist der Strom versandet, dort musste auch die Schifffahrt eingestellt werden. Tausende von Fischern wurden arbeitslos. José Bonfim von der Fischervereinigung in Ilha do Ouro erinnert an bessere Zeiten.
"Die großen Fische, die gibt es hier nicht mehr. Das liegt an der fehlenden Tiefe des Flusses. Es kann ja auch keiner mehr vom Fischen leben. Vor zehn Jahren holten die Fischer hier pro Woche 15 bis 20 Tonnen an Fischen raus. Heute sind es nicht einmal mehr zwei Tonnen in der Woche. Die Situation ist kritisch."
Die Probleme des São Francisco gefährden auch eines der größten Infrastrukturprojekte der Regierung. Um die trockene Savannenregion mit Wasser zu versorgen, soll der Fluss über 700 Kilometer auf Kanälen umgeleitet werden. Ein Milliardenprojekt, das immer mehr ins Wanken gerät. Zuletzt standen die Bauarbeiten fast ein Jahr still. Die Regierung hält aber dennoch an dem Projekt fest, die Frage ist: Wie lange noch?
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