Wasser als Grundrecht

Von Gottfried Stein |
Die Landflucht hat binnen weniger Jahre 40.000 Menschen in das bolivianische Hochland um die Stadt El Alto gepült. Die Wasserversorgung hier ist Privatsache. Wer hier Wasser will, braucht Geld.
Ein Randbezirk der Stadt El Alto im bolivianischen Hochland. Ärmliche Lehmhütten, die Schotterwege von Schlaglöchern übersät, karge Anbauflächen, auf denen gebückte Frauen dem Boden irgendetwas abzuringen versuchen. Die Landflucht hat binnen weniger Jahre 40.000 Menschen hierher gespült - in ein Ödland ohne Straßen oder sonstige Infrastruktur:

"Die meisten Bewohner bleiben nicht hier, man kann hier nicht wohnen, deswegen gehen sie woanders hin, wo es mehr Gemeinschaft und Wasser, und Kanalisation gibt. Weil wir hier kein Wasser haben, leiden wir."

Jose ist Landarbeiter und verdient 50 Dollar im Monat. Aber wer Wasser will, braucht viel mehr Geld. Wasserversorgung in El Alto ist Privatsache. 1997 war der französische Wassermulti Aquas de Illmani von der Regierung im Zuge der allgemeinen Privatisierung mit der Trink- und Abwasserversorgung betraut worden. Der Konzern verpflichtete sich damals, die riesige Hochlandvorstadt mit seinen Außenbezirken ans Netz anzuschließen, kommt aber wegen der rasanten Landflucht mit den Anschlüssen nicht mehr nach und treibt außerdem die Preise in die Höhe. Bernd Abendroth, Präsident des bolivianischen Arbeitgeberverbandes:

"Das Problem liegt hauptsächlich in den Installationskosten. 450 Dollar Installation für einen Arbeiter, der im Moment 50 Dollar verdient, ist nicht zahlbar. Das ist Hauptproblem, zwei Konzepte, die gegeneinander stoßen: Ein Privatbetrieb, der sagt, ich kann nicht weniger nehmen, weil ich weiß, dass geringer Konsum folgt. Auf der anderen Seite sind 450 auch zu hoch."

Anfang Januar zog die Regierung die Notbremse. Nach heftigen Protesten der Bevölkerung kündigte sie den Vertrag mit dem Konzern. Die Indios fordern die sofortige Verstaatlichung und wollen den ganzen Laden quasi in Eigenregie betreiben. Der Bürgermeister von El Alto ist darüber entsetzt, nicht nur wegen etwaiger Schadensersatzansprüche. Er verweist auf die Erfahrungen vor der Privatisierung, als noch ein staatlicher Konzern namens Samapa für das Wasser zuständig war:

"Die Erfahrungen waren wirklich schmerzhaft, die Regierung hatte die Konzession an Illmani vergeben, weil Samapa korrupt war, unglaublich viel Personal hatte und wir nicht die geringste Perspektive hatten, dass die Wasserversorgung ausgebaut würde. Nur Aguas de Illamani kam vorwärts. Aber da wurden die Kosten unbezahlbar und das musste geändert werden."

Für den ganzen Distrikt gibt es nur ein Gesundheitszentrum. Aber das muss oft aus hygienischen Gründen schließen, weil auch hier das Wasser für die Toiletten fehlt. Aus dem Brunnen pumpen ist gefährlich, das Grundwasser ist verseucht.
Der Schlachthof zum Beispiel spült sämtliche Reste und Abfälle einfach in die Flüsse. Die sehen aus wie aufgeschwemmte Müllkippen, aber trotzdem waschen immer wieder Frauen ihre Wäsche drin, oder Kinder spielen in den eckeligen Tümpeln. Keiner weiß, wie es weitergeht, der Bürgermeister hofft jetzt auf eine Mischlösung:

"Mit einer Mischfirma kann man die vorhandenen privaten Investitionen mit staatlichen kombinieren. 50 Prozent privat und 50 von Seiten der Städte - das könnte eine gute Mischung sein, denn die Städte würden dafür sorgen, dass die Privatinvestoren keine Exzesse betreiben und ihre sozialen Aufgaben erfüllen, die ihnen gesetzt sind."