WASG-Parteitag in Kassel

Von Günter Hellmich |
Zu den vielen Merkwürdigkeiten dieses Wahlkampfes gehört auch das, was sich heute in der Mensa der Kasseler Universität abspielte. Die Splitterpartei WASG, erst seit gut einem halben Jahr existent, beging mit großem Medieninteresse ihren 2. Bundesparteitag - unter anderem um ein Wahlmanifest zu verabschieden.
Was in diesen Tagen nichts Ungewöhnliches wäre, hätten dieselben Delegierten nicht im gleichen Atemzuge beschlossen, dass ihre Partei an der wahrscheinlich stattfindenden Bundestagswahl gar nicht teilnimmt.

Ebenso kurios der Auftritt des Mannes, der die sonntägliche Medienwallfahrt nach Kassel ausgelöst hatte. Da versucht Oskar Lafontaine doch tatsächlich den Delegierten weiszumachen, der Begriff "Fremdarbeiter" habe nichts aber auch gar nichts mit NS-Vokabular zu tun. Er habe nur nicht wie üblich Gastarbeiter sagen wollen, weil das ja nicht zutreffe, und die SPD verwende den Begriff "Fremdarbeiter" so gar auf ihrer Website. Das kann man skurril finden oder aber demagogisch, denn der Euphemismus "Gastarbeiter" ist eigentlich seit mehr als 20 Jahren aus dem offiziellen Sprachgebrauch verschwunden. Und wer auf der Website der SPD das Suchwort Fremdarbeiter eingibt, wird tatsächlich fündig: In einer Anleitung zum Umgang mit Rechtsextremen, da findet sich das Wort und zwar in einem Zitat des NPD-Vorsitzenden Voigt. Was übrigens recht ähnlich klingt, wie Lafontaines Äußerungen in Chemnitz.

Es ist schon bemerkenswert , wie eine Versammlung von Linken - manch ein Beobachter fühlte sich in Kassel an die Uni Marburg vor 30 Jahren erinnert - einem Mann zujubelt, der die Androhung von Folter durch die Polizei rechtfertigt. Natürlich hatten viele in Kassel Bauchschmerzen wegen Lafontaines rechtspopulistischer Ausfälle. Nur die WASG ist ein Nichts ohne Lafontaine. Und sie ist ebenso ein Nichts ohne die PDS.

Geradezu besoffen von den Umfragewerten, die die Linken bei einem gemeinsamen Wahl Auftritt am 18. September schon bei bis zu 11 Prozent sehen, hat sich die WASG heute dafür entschieden sich für die Bundestagswahl unter das Kuratel der PDS zu stellen. Kaum vorstellbar, dass die Urabstimmung daran noch etwas ändert. Die Delegierten in Kassel wussten nur mit dem wahlrechtlich zweifelhaften Huckepackmodell der PDS und mit deren Geld schaffen es ihre Leute in den Bundestag. Und das wart hier wohl das einzig zählende Argument - wozu immer Oskar Lafontaine die Berliner Plattform dann nutzt. Man mag den Jubel für Lafontaine und die Entscheidung des Parteitages für machtpolitisch klug halten - man könnte aber auch auf den Gedanken kommen, die WASG habe sich durch die Aussicht auf Bundestagsmandate korrumpieren lassen. Was schnell zu der Frage führt. Was ist heute eigentlich links?