Was wirklich hinter Weihnachten steckt
Neun eher informative denn erbauende Ansprachen umkreisen Themen und Traditionen im Umfeld des Weihnachtsfestes, die für Kirchen und Kultur des christlichen Abendlandes bedeutsam geworden sind. Der emeritierte Professor für Neues Testament stellt die Adventszeit als Zeit der Buße und Erfüllung vor, legt die Weihnachtsbotschaften dreier Evangelien aus, geht auf zwei Kirchenlieder ein und reflektiert die gängige Wendung "nach Christi Geburt".
Im vorliegenden Sammelband unternimmt Schmithals neun kurzweilige Expeditionen ins biblische Zentrum und ins traditionsreiche Umfeld von Weihnachten. Im Zuge dessen erläutert er die Hintergründe verschiedener Texte und Überlieferungen, die nicht nur theologisch bedeutsam sind, sondern auch die Kultur des christlichen Abendlandes entscheidend geprägt haben.
Den Kern des Buches bilden drei Artikel, in denen der emeritierte Professor für Neues Testament den Prolog des Johannesevangeliums ebenso allgemeinverständlich auslegt wie jeweils die ersten beiden Kapitel des Matthäus- und des Lukasevangeliums. Kein Stück der Weltliteratur erreicht laut Schmithals auch nur annähernd den Bekanntheitsgrad der lukanischen Weihnachtsgeschichte, die der Theologe als Legende versteht:
"Ein irdisches Ereignis, die Geburt Jesu ... wird im Glanz überirdischen Lichtes erzählt; ... Das Ereignis und seine Deutung verbinden sich, voneinander unablösbar, in einer Erzählung, die mehr ist als bloßer Bericht."
Der lukanische Text etwa umfasst drei Szenen, die jeweils mit der Wendung "Es geschah" beginnen. Die erste führt mit feiner Ironie Kaiser Augustus als den ein, der für alle Welt neue Steuern und somit drückende Lasten befiehlt - "ein essigsaurer Guss in den süßen Wein der offiziellen Freude- und Friedenspropaganda", wird Augustus doch außerhalb von Rom als Gott und Heiland verehrt. Nunmehr aber, so die zweite Szene, tritt im kleinen Bethlehem, in der Stadt Davids, ein Konkurrent, der wahre Erlöser in die Welt.
"Die dritte Szene kann nichts Überraschendes mehr bringen", doch lädt sie abschließend Leser und Hörer ein, "in das Lob des Hirtenchores einzustimmen. Das können sie freilich nur, wenn sie ... auch verstanden haben, was die Erzählung sagen will." Um dieses Verstehen geht es Schmithals primär bei seinen sachkundigen und nüchternen Auslegungen, die auch Nichtchristen und Skeptiker anzusprechen vermögen.
Zwei weitere Auslegungstexte entnimmt Schmithals dem Gesangbuch. Da ist zum einen Jochen Kleppers Weihnachtslied "Die Nacht ist vorgedrungen", das oft irrtümlich als Adventslied rezipiert wird. In Auseinandersetzung mit dem Liedtext erhellt Schmithals den Trost, den der christliche Dichter in seiner bedrückenden Lage während der Nazizeit - Berufsverbot, drohende Zwangsscheidung von seiner jüdischen Frau - aus der Weihnachtsbotschaft empfing.
Zum anderen befasst sich Schmithals mit "Vom Himmel hoch, da komm ich her". Dem szenisch gestalteten und streng theologisch ausgerichteten Lied, das Martin Luther 1535 als "ein Kinderlied auf die Weihnacht Christi" zum Druck gab, ist jede Gefühlsseligkeit fremd. Darüber hinaus erklärt Schmithals, warum Luther die Melodie eines Kranz- und Tanzliedes übernehmen und wie "Vom Himmel hoch" zu einem Kernlied der christlichen Weihnachtsfeier werden konnte.
Bei all seinen Ausführungen zur Spiritualität und Theologie der Advents- und Weihnachtszeit geht es Schmithals weniger um Erbauung als um Information. Kurzum: Wer wissen möchte, worum es im Advent und an Weihnachten geht, findet auf gut hundertfünfzig Seiten wissenschaftlich begründete Auskunft und aktuelle theologische Reflexion.
Rezensiert von Thomas Kroll
Walter Schmithals: Weihnachten. Seine Bedeutung für das ganze Jahr
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006
154 Seiten, 14,90 Euro.
Den Kern des Buches bilden drei Artikel, in denen der emeritierte Professor für Neues Testament den Prolog des Johannesevangeliums ebenso allgemeinverständlich auslegt wie jeweils die ersten beiden Kapitel des Matthäus- und des Lukasevangeliums. Kein Stück der Weltliteratur erreicht laut Schmithals auch nur annähernd den Bekanntheitsgrad der lukanischen Weihnachtsgeschichte, die der Theologe als Legende versteht:
"Ein irdisches Ereignis, die Geburt Jesu ... wird im Glanz überirdischen Lichtes erzählt; ... Das Ereignis und seine Deutung verbinden sich, voneinander unablösbar, in einer Erzählung, die mehr ist als bloßer Bericht."
Der lukanische Text etwa umfasst drei Szenen, die jeweils mit der Wendung "Es geschah" beginnen. Die erste führt mit feiner Ironie Kaiser Augustus als den ein, der für alle Welt neue Steuern und somit drückende Lasten befiehlt - "ein essigsaurer Guss in den süßen Wein der offiziellen Freude- und Friedenspropaganda", wird Augustus doch außerhalb von Rom als Gott und Heiland verehrt. Nunmehr aber, so die zweite Szene, tritt im kleinen Bethlehem, in der Stadt Davids, ein Konkurrent, der wahre Erlöser in die Welt.
"Die dritte Szene kann nichts Überraschendes mehr bringen", doch lädt sie abschließend Leser und Hörer ein, "in das Lob des Hirtenchores einzustimmen. Das können sie freilich nur, wenn sie ... auch verstanden haben, was die Erzählung sagen will." Um dieses Verstehen geht es Schmithals primär bei seinen sachkundigen und nüchternen Auslegungen, die auch Nichtchristen und Skeptiker anzusprechen vermögen.
Zwei weitere Auslegungstexte entnimmt Schmithals dem Gesangbuch. Da ist zum einen Jochen Kleppers Weihnachtslied "Die Nacht ist vorgedrungen", das oft irrtümlich als Adventslied rezipiert wird. In Auseinandersetzung mit dem Liedtext erhellt Schmithals den Trost, den der christliche Dichter in seiner bedrückenden Lage während der Nazizeit - Berufsverbot, drohende Zwangsscheidung von seiner jüdischen Frau - aus der Weihnachtsbotschaft empfing.
Zum anderen befasst sich Schmithals mit "Vom Himmel hoch, da komm ich her". Dem szenisch gestalteten und streng theologisch ausgerichteten Lied, das Martin Luther 1535 als "ein Kinderlied auf die Weihnacht Christi" zum Druck gab, ist jede Gefühlsseligkeit fremd. Darüber hinaus erklärt Schmithals, warum Luther die Melodie eines Kranz- und Tanzliedes übernehmen und wie "Vom Himmel hoch" zu einem Kernlied der christlichen Weihnachtsfeier werden konnte.
Bei all seinen Ausführungen zur Spiritualität und Theologie der Advents- und Weihnachtszeit geht es Schmithals weniger um Erbauung als um Information. Kurzum: Wer wissen möchte, worum es im Advent und an Weihnachten geht, findet auf gut hundertfünfzig Seiten wissenschaftlich begründete Auskunft und aktuelle theologische Reflexion.
Rezensiert von Thomas Kroll
Walter Schmithals: Weihnachten. Seine Bedeutung für das ganze Jahr
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006
154 Seiten, 14,90 Euro.