Was tun nach dem Anschlag in Hanau?

"Wir brauchen Solidarität im Alltag"

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Meron Mendel, Direktor Bildungsstätte Anne Frank, mit Transparent "Freiheit und Vielfalt" auf der Frankfurter Buchmesse 2017 bei der Demo "Für Freiheit und Vielfalt gegen Rassismus" gegen den Stand Antaios-Verlag.
Wir dürfen nicht wegsehen, wenn Rassismus am Arbeitsplatz oder in der Schule passiert, fordert Meron Mendel. © imago stock&people
Meron Mendel im Gespräch mit Britta Bürger · 21.02.2020
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Das rassistische Attentat in Hanau hat eine große Welle der Solidarität hervorgerufen. Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank wünscht sich, dass diese Solidarität auch im Alltag gelebt wird und die Zivilgesellschaft mehr Druck auf die Politik ausübt.
Die Bildungsstätte Anne Frank ist in Hessen die zentrale Anlaufstelle für Menschen, die von Rassismus betroffen sind. Alle Mitarbeiter seien gestern nach Hanau gefahren, um direkt vor Ort zu sein und die Menschen zu unterstützen, erklärt Meron Mendel, Leiter der Einrichtung in Frankfurt am Main. "Wir haben Kontakt mit den Familien aufgenommen, und wir haben geschaut: Was kann man vor Ort tun?"

Nicht die rassistische Dimension negieren

Den Täter als irre oder verrückt abzutun, sei eine Taktik, die dazu diene, "die politische Dimension, die rassistische Dimension des Attentats zu negieren". Daher müsse der Kampf gegen den Rassismus an allererster Stelle stehen, wenn man sich frage, was man tun könne, so Mendel.
Die Frage, ob man den Fokus lieber auf Netzwerke als auf Einzeltäter legen sollte, möchte Mendel nicht klar beantworten. "Zum einen stellen wir immer wieder fest, dass es sehr unterschiedliche Formen der Netzwerke gibt, die zum Teil sehr losgelöst sind." Zum anderen kämen "lokale Netzwerke" dazu, die gerade durch den Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke mehr in den Fokus geraten seien. Diese Akteure, die sich immer wieder treffen, seien aber "lockere Verbündete". Daher könne man eine Netzwerkstruktur nicht nachweisen, erklärt Mendel.

Hessische Politik verschließt die Augen

Vielmehr gebe es in Hessen "eine Tradition, dass die Politik die Augen verschließt vor diesen rechtsextremen Strukturen und vor rassistischer Gewalt". Hinzu komme noch, dass der hessische Verfassungsschutz die Akten zum NSU-Mord an Halit Yozgat unter Verschluss gestellt hat und die Rolle des Verfassungsschutz in dem Fall noch nicht aufgeklärt sei.
"Solange wir uns immer wieder erzählen, 'Rassismus, Rechtsextremismus ist ein Problem von Ostdeutschland' und nur das positive Bild der Vielfalt und der Diversität in Hessen hochgehalten wird, werden wir diese Probleme nicht loswerden." Deshalb sei es die Rolle der Zivilgesellschaft, der Politik gegenüber klare Forderungen zu stellen, so Mendel.

Betroffene im Alltag nicht alleine lassen

Auch im Alltag müsse sich die Zivilgesellschaft gegen den Rassismus stellen, wünscht er sich. Genau da brauche man diese Solidarität und jemanden, der etwas dagegen halte. "Das sind die Berichte, die wir wirklich tagtäglich bekommen, dass Leute sagen: Ich fühlte mich so alleine, ich war völlig in Angst versetzt, und niemand hat zugeschaut. Alle haben weggeschaut. Ich denke, deswegen ist die Aufgabe jedes einzelnen, das im Kopf zu behalten und in der richtigen Situation auch etwas dagegen tun."
(kpa)
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