Einfach Fußball

Was der Profiwelt verloren gegangen ist

03:43 Minuten
Szene aus dem Bezirksligaspiel ASV Vach gegen den ASV Weisendorf
Das Herz für den Verein sei noch vereinzelt in den Amateurligen zu finden, meint Heinz Schindler. © dpa / picture alliance / Melanie Zink
Von Heinz Schindler · 19.02.2023
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Haben wir uns schon an zu vieles im Profifußball gewöhnt, was uns in den letzten Jahren untergeschoben wurde? Unser Kollege war bei einem kleinen Lokalderby in der sechsten Liga - und hat dabei gemerkt, was bei den Profis abhandengekommen ist.
Da war ich neulich mal wieder beim kleinen Fußball-Lokalderby dort, wo die Vereine genauso klamm sind wie oftmals die wenigen Zuschauer, die mit dem Verein, dem Stadion und dem Fußball im Gleichschritt gealtert sind. Wo der Verein die Preise gesenkt hat, weil sich viele die zwei Euro mehr nicht leisten können und nicht immer jemand an der Kasse steht, der sie ihnen zusteckt.

Wo der Hochglanzprofifußball nur eine Straßenbahnfahrt entfernt und doch ganze Galaxien weit weg ist. Was den Leuten im Stadion sehr wohl bewusst ist und was sie auf ihre Art kommentieren.

Auch in der sechsten Liga keine elf Freunde

Dass auch in der sechsten Liga nicht mehr elf Freunde spielen, so dumm ist niemand das zu glauben. Mal wieder wurde die halbe Mannschaft ausgetauscht, der Stadionsprecher kriegt die Namen auch nicht mehr auf die Reihe. Also rufen die Anhänger hinter jedem Namen „Müller“ - so werden aus elf Freunden für 90 Minuten wenigstens elf Brüder, die das mit einem Grinsen und mit Fassung entgegennehmen. Weil auch ihnen selbst klar ist, dass da keine Rassisten schreien, sondern Leute, die sich immer weniger damit identifizieren, dass auch hier die Spielerkabine zur Wechselstube mutiert ist. Man möchte Spieler anfeuern, keine Hemdenträger.

Unterstützung gibt es dennoch - klar. Und als ein Spieler des Gegners allzu leicht fällt, das noch mit Aua dokumentiert, begleitet ihn in der Folge das Aua und das Rufen nach der Mutti, die ihn abholen soll, bis zu seiner Auswechslung. Keine Sorge, er hat es überlebt und konnte sich später ein Lachen nicht verkneifen.

Der eigene Verein kriegt sein Fett ab

Ebenso wenig wie die jungen Leute ein paar Reihen vor mir, denen man erst noch die Unsicherheit ansah, ob man darüber denn überhaupt lachen dürfe. Aus dem Profifußball kennen sie das nicht. Dort gibt es den widerlichen Hass einiger weniger, den man leider nicht in den Griff kriegt. Ansonsten ist der kritiklose Konsument gewünscht und die Geldstrafen für den Pyro-Irrsinn der Ultras zahlen die AGs und KGs stillschweigend, damit nur nicht die Stimmung kippt.

Hier aber, in der sechsten Liga, kriegt auch der eigene Verein sein Fett ab. Wieder droht ein Abstieg, der Vorstand mache angeblich den Verein kaputt - und wenn die elf Müllers da unten zu behäbig im Spielaufbau sind, dann sollen sie ihren Allerwertesten bewegen, man verwendet ein kürzeres Synonym. Und diesen Spielaufbau aus dem Profibereich, der an Stellproben auf der Theaterbühne erinnert, goutiert hier niemand. Torwart Müller weiß das jetzt auch.

Gut gemeinte Ruppigkeit

Da habe ich also neulich mal komprimiert vorgeführt bekommen, was dem Profifußball alles abhandengekommen ist während seiner Transformation zum Hochglanzprodukt, familienkompatibel und immer schön am gesellschaftlichen Mainstream orientiert.

Aber man findet es noch vereinzelt in den Tiefen der Amateurligen: das Herz für den Verein, gerade deshalb auch Kritik. Hier ein Spruch, da ein wenig Häme im Rahmen und auch mal an der Grenze des Erlaubten. Gut gemeinte Ruppigkeit in der Gewissheit, dass nächste Woche beim Auswärtsspiel die Rollen getauscht werden. Und nach 90 Minuten ist es eh abgehakt.

Wo ich da beim Fußball war, möchten Sie wissen? Das verrate ich Ihnen lieber nicht. Warum nicht? Weil ich nicht möchte, dass der Verein oder die Leute auf der Tribüne durch vorschnell angewandte Narrative in eine Ecke gestellt werden, in die sie ganz gewiss nicht gehören.

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