Was ist nur los mit unseren Managern?

Von Marcello Berni, Ressortleiter Unternehmen&Märkte, Handelsblatt |
Eine schlimme Woche liegt hinter der deutschen Wirtschaftselite. Die Insolvenz der ehemaligen Siemens-Handysparte BenQ-Deutschland löste republikweit Poteststürme aus. Die Krise des Flugzeugherstellers Airbus hat Öffentlichkeit und Politik gleichermaßen alarmiert. Versagen unsere Manager? Sind die Wirtschaftsführer unfähig, die Herausforderungen zu meistern, die durch technischen Fortschritt und globale Konkurrenz auf uns zukommen?
Selten dürfte das Vertrauen in die Lenker der Konzerne geringer gewesen sein als heute. Das zeitliche Zusammenfallen satter Gehaltserhöhungen - bei Siemens sollten es dreißig Prozent für den Vorstand sein – und Massenentlassungen wirkt sich verheerend auf das Image der Top-Manager aus. Lohnzurückhaltung einfordern, sich selbst satte Aufschläge genehmigen, also Wasser predigen und Wein saufen, und dann noch nicht einmal dafür sorgen, dass bestehende Arbeitsplätze gesichert werden – das alles passt in das düstere Bild, das geprägt ist von Verantwortungslosigkeit, Gier und Inkompetenz.

Doch trotz aller Kritik, die teils sogar berechtigt sein mag: Dieses Bild ist schief! Deutschlands Manager sind wesentlich besser als ihr Ruf. Während die politische Elite sich zurzeit in zahllosen Grabenkämpfen aufreibt, scheinbar unfähig die notwendigen Reformen auf den Weg zu bringen, wirken in den Chefetagen der Großunternehmen Menschen, die mit großer Verve die Modernisierung der Deutschland AG vorantreiben. Die heimischen Konzerne haben in den letzten fünf Jahren restrukturiert und reorganisiert, ihre Produktions-Abläufe verbessert, die Finanzierung auf eine modernere Basis gestellt. Kurz: sich runderneuert.

Die Folge: Deutschlands große Firmen erfreuen sich heute einer wesentlich besseren Gesundheit als noch vor ein paar Jahren. Auch zeigen internationale Vergleiche, dass die Wettbewerbsfähigkeit von "Corporate Germany" im Vergleich zu den Konkurrenten in den USA, Japan oder anderen Ländern der EU nie so groß war wie heute.

Abzulesen ist dies an den stark gestiegenen Gewinnen und weiter wachsenden Weltmarktanteilen. Zur Erinnerung: Deutschland ist Exportweltmeister, was Verdienst der unternehmerischen Leistungskraft ist. Die ewige Klage, dass US-Konzerne viel höhere Renditen erwirtschaften, verliert immer mehr an Relevanz.

Evident ist daneben der große Expansionsdrang, den die deutschen Top-Konzerne derzeit entwickeln: Da ist der Düsseldorfer Stromriese Eon dabei, durch die Übernahme der spanischen Endesa zum größten Energieversorger der Welt aufzusteigen. Da hat sich die gute alte Linde nach der Integration der britischen BOC global an die Spitze der Industriegase-Hersteller gesetzt. Da kauft Adidas Reebok und attackiert den US-Rivalen Nike frontal. BASF geht auf Shopping-Tour in Amerika und steigt durch den Kauf von Engelhard zum weltgrößten Katalysatorenhersteller auf. Beispiele wie diese finden sich wie Sand am Meer. Geht man mal den deutschen Leitindex DAX durch, dann finden sich inzwischen etliche europäische oder gar global führende Konzerne unter dessen Mitgliedern.

Alles also in bester Ordnung? Die beiden Krisen dieser Woche - Siemens und Airbus – zeigen aber leider, dass unsere Top-Manager bei weitem nicht perfekt sind. Die neue Elite, die meist international geprägt ist, in den USA oder Asien gearbeitet hat - sie beherrscht zweifellos die modernsten Management-Methoden. Was aber Leute wie Klaus Kleinfeld von Siemens oder Michael Dieckmann von der Allianz weit weniger beherrschen als ihre Vorgänger Heinrich von Pierer und Henning Schulte-Noelle ist der richtige Umgang mit den Besonderheiten des rheinischen Kapitalismus. Der paritätisch mitbestimmte Aufsichtsrat nach deutschem Muster ist eben etwas anderes als das amerikanische Management-Board, in dem sich nie ein Arbeitnehmervertreter verirren würde. Mit dem Betriebsratschef sollte man als Konzernlenker ebenso gut können wie mit den Kollegen im Vorstand. Und die Öffentlichkeit reagiert eben auch anders auf Nachrichten von Personalabbau bei gleichzeitig steigenden Gewinnen als in der angelsächsischen Welt, wo es eher anerkennend heißen würde: Mehr Profit, das ist aber gut!

Diese ungeschriebenen Regeln muss die neue Generation der deutschen Manager noch lernen, wenn sie nachhaltige Erfolge erzielen möchte. Deutsche Mitarbeiter haben anspruchsvolle Kommunikationsbedürfnisse. Im Gegenzug sind sie aber auch ihrem Arbeitgeber gegenüber loyaler und treuer als beispielsweise Angestellte in Indien, was wiederum ein Standortvorteil ist. Nur Führungskräfte, die diese Charakteristika respektieren, können gewinnen. Denn gegen die Mannschaft kann kein Trainer siegen.

Das hat wohlgemerkt alles nichts mit den Krokodilstränen zu tun, die Siemens-Boss Kleinfeld angesichts der Arbeitsplatzverluste bei BenQ Anfang der Woche kullern ließ. Derlei aufgesetzte Solidarität ist unglaubwürdig – ja: ein Kotau vor dem Druck der Straße und den Populisten, die wieder einmal so tun, als könnte man schlechte Unternehmen künstlich am Leben erhalten. Das aber ist in einer Marktwirtschaft – so sozial sie sein möge - nicht möglich. Auch Altkanzler Schröder musste einsehen, dass Pleite-Firmen wie der Frankfurter Baukonzern Philip Holzmann trotz aller Rettungsversuche nicht zu retten war. Statt unsinniger Versprechungen und gespieltem Mitgefühl sollten Manager in Krisensituationen Argumente der wirtschaftliche Vernunft in die öffentliche Debatte tragen - eine Aufgabe, vor der sie sich viel zu häufig drücken.