Was ist bloß mit den Schweizern los?
Die Schweizer sind nicht fremdenfeindlich. Wenigstens 72 Prozent der Wähler sind es nicht. Das haben sie am letzten Wochenende kundgetan. Bei den Parlamentswahlen gaben fast drei Viertel der Wähler ihre Stimme nicht der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei . Nur 28 Prozent wählten die SVP.
Nur 28 Prozent? Moment, da stimmt was nicht. Mit ihrem Wähleranteil ist die SVP immerhin die stärkste rechtsnationale Partei Europas. Da stimmt wirklich etwas nicht mehr in der Schweiz. Obwohl die Partei keine Mehrheit hat, dominiert sie die Politik. Zwei ihrer Minister sitzen in der Regierung.
Der Argwohn gilt natürlich nicht allen Ausländern. Wir leben ja zu einem guten Teil von ihnen. Der Ausländeranteil ist mit 21 Prozent so hoch wie in keinem andern europäischen Land. Wir haben die Ausländer geholt, weil wir sie brauchen. Amerikanische oder britische Banker und Finanzspezialisten arbeiten zu Tausenden in Zürich. Genf ist nach London das wichtigste arabische Geschäftszentrum Europas. Der Hauptaktionär der zweitgrössten Bank des Landes, der Credit Suisse, ist eine saudiarabische Familie.
Die Ablehnung gilt auch nicht den 40.000 Deutschen, die allein in den letzten Jahren in die Schweiz eingewandert sind. Man weiß die Deutschen zu schätzen, sofern sie uns nicht die Arbeitsplätze wegnehmen. Sie sind gut ausgebildet, sprechen eine ordentliche Sprache, und sie schlachten keine Hammel in der Badewanne.
Unter Beobachtung stehen ganz andere Gruppen von Ausländern, vorzugsweise Serben, Kosovo-Albaner, Bosnier, aber auch Schwarzafrikaner. Viele von ihnen sind Moslems. Das kommt verschärfend hinzu. So sammelte die SVP zweihunderttausend Unterschriften, weil eine muslimische Gemeinschaft eine Moschee bauen möchte: mit einem - man wagt es kaum zu sagen - sechs Meter hohen Minarett. Sechs Meter Beton scheinen die alpenländische Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Kern zu treffen. Es ist ein nationales Thema. Über ein Verbot von Minaretten, egal wie hoch, kann die Bevölkerung abstimmen. Die Mehrheit wird wahrscheinlich ja sagen.
Gerechterweise sei erwähnt, dass der Ausländeranteil an kriminellen Gewalttaten überproportional hoch ist, speziell in den erwähnten Volksgruppen. Andere politische Parteien haben das nie thematisiert.
Die Versäumnisse der andern Parteien machte sich die Volkspartei zunutze. Mit diesen Themen wurde sie groß, weil viele Schweizer das Gefühl beschlich, es werde nicht genug getan. Dabei ist die Empfindung, man sei als normaler Bürger auf der Straße gefährdet, durch überhaupt keine Fakten gedeckt. Die Schweiz ist nach wie vor sehr sicher. Die SVP aber schürt geschickt dieses latente Gefühl von Unsicherheit. Manchmal ist es schon fast neurotisch.
Die zunächst ablehnenden Medien zeigen zunehmend Verständnis für den Durchmarsch von rechts. Die SVP ist daran, sich von einer Kuhglocken schwingenden, lärmigen Partei der unteren Mitteklasse zur akzeptierten Volksbewegung zu entwickeln. Auch unter Jungen, unter Unternehmern und Intellektuellen bekennt man sich offen zur SVP. Das ist neu.
Die Schweiz wird damit zum Experimentierfeld einer neuen Rechten, die nicht faschistisch ist, die aber Elemente des Faschismus auf hoch professionelle Art adaptiert. Dazu gehört die permanente Emotionalisierung des Publikums mit Reizthemen, eine Politik mit Südenböcken: In unserem Fall betrifft das jene bereits erwähnten Gruppen von Ausländern. Ziel der verbalen Attacken können auch Sozialhilfe–Schnorrer oder EU-Bürokraten sein. Ein für die Schweiz bisher einmaliger Führerkult gehört ebenso dazu wie eine Überhöhung alles Nationalen.
Die Galionsfigur der Partei ist der Jurist, Unternehmer und Justizminister Dr. Christoph Blocher. Der 67-Jährige wirkt nicht wie ein Volkstribun, eher wie ein leutseliger Grossbauer. Ihm vertrauen viele, die der globalisierten Welt misstrauen.
Blocher ist Demokrat. Die demokratischen Möglichkeiten reizt er aber bis an die Schmerzgrenze aus. Auch und gerade als Justizminister. Dem Milliardär stehen außerdem finanzielle Mittel zur Verfügung, wie sie andere, etwa die oppositionellen Grünen und die Sozialdemokraten, nicht haben. Blocher ist nicht Berlusconi, Blocher ist nicht Le Pen und auch nicht Jörg Haider. Er ist bloß erfolgreicher als sie alle.
Geschickt nützen Christoph Blocher und die SVP alle diese Möglichkeiten. Die Bewegung verschmilzt allmählich mit dem Selbstverständnis vieler Schweizer, auch wenn sie der Blocher-Partei nicht angehören, ja sie nicht einmal wählen. Sie dulden sie augenzwinkernd und sind im Grunde genommen ganz froh, dass es sie gibt. Das macht die Blocher-Partei auch ohne Blocher so erfolgreich. Und so gefährlich.
Fred David, 57, lebt und arbeitet als Journalist und Publizist in St. Gallen in der Schweiz. Er war u. a. "Spiegel"-Redakteur im Ressort Politik, schrieb für die "Berliner Zeitung" , "Leipziger Volkszeitung" und "Wirtschaftswoche", war viele Jahre Deutschland-Korrespondent der "Weltwoche", Zürich und von "Profil", Wien. In Zürich leitete er als Chefredakteur die größte Wirtschaftszeitung des Landes, CASH". Sein jüngstes Buch: "Im Club der Manager"/Die Geheime Welt der Privatbankiers (Hoffmann und Campe).
Der Argwohn gilt natürlich nicht allen Ausländern. Wir leben ja zu einem guten Teil von ihnen. Der Ausländeranteil ist mit 21 Prozent so hoch wie in keinem andern europäischen Land. Wir haben die Ausländer geholt, weil wir sie brauchen. Amerikanische oder britische Banker und Finanzspezialisten arbeiten zu Tausenden in Zürich. Genf ist nach London das wichtigste arabische Geschäftszentrum Europas. Der Hauptaktionär der zweitgrössten Bank des Landes, der Credit Suisse, ist eine saudiarabische Familie.
Die Ablehnung gilt auch nicht den 40.000 Deutschen, die allein in den letzten Jahren in die Schweiz eingewandert sind. Man weiß die Deutschen zu schätzen, sofern sie uns nicht die Arbeitsplätze wegnehmen. Sie sind gut ausgebildet, sprechen eine ordentliche Sprache, und sie schlachten keine Hammel in der Badewanne.
Unter Beobachtung stehen ganz andere Gruppen von Ausländern, vorzugsweise Serben, Kosovo-Albaner, Bosnier, aber auch Schwarzafrikaner. Viele von ihnen sind Moslems. Das kommt verschärfend hinzu. So sammelte die SVP zweihunderttausend Unterschriften, weil eine muslimische Gemeinschaft eine Moschee bauen möchte: mit einem - man wagt es kaum zu sagen - sechs Meter hohen Minarett. Sechs Meter Beton scheinen die alpenländische Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Kern zu treffen. Es ist ein nationales Thema. Über ein Verbot von Minaretten, egal wie hoch, kann die Bevölkerung abstimmen. Die Mehrheit wird wahrscheinlich ja sagen.
Gerechterweise sei erwähnt, dass der Ausländeranteil an kriminellen Gewalttaten überproportional hoch ist, speziell in den erwähnten Volksgruppen. Andere politische Parteien haben das nie thematisiert.
Die Versäumnisse der andern Parteien machte sich die Volkspartei zunutze. Mit diesen Themen wurde sie groß, weil viele Schweizer das Gefühl beschlich, es werde nicht genug getan. Dabei ist die Empfindung, man sei als normaler Bürger auf der Straße gefährdet, durch überhaupt keine Fakten gedeckt. Die Schweiz ist nach wie vor sehr sicher. Die SVP aber schürt geschickt dieses latente Gefühl von Unsicherheit. Manchmal ist es schon fast neurotisch.
Die zunächst ablehnenden Medien zeigen zunehmend Verständnis für den Durchmarsch von rechts. Die SVP ist daran, sich von einer Kuhglocken schwingenden, lärmigen Partei der unteren Mitteklasse zur akzeptierten Volksbewegung zu entwickeln. Auch unter Jungen, unter Unternehmern und Intellektuellen bekennt man sich offen zur SVP. Das ist neu.
Die Schweiz wird damit zum Experimentierfeld einer neuen Rechten, die nicht faschistisch ist, die aber Elemente des Faschismus auf hoch professionelle Art adaptiert. Dazu gehört die permanente Emotionalisierung des Publikums mit Reizthemen, eine Politik mit Südenböcken: In unserem Fall betrifft das jene bereits erwähnten Gruppen von Ausländern. Ziel der verbalen Attacken können auch Sozialhilfe–Schnorrer oder EU-Bürokraten sein. Ein für die Schweiz bisher einmaliger Führerkult gehört ebenso dazu wie eine Überhöhung alles Nationalen.
Die Galionsfigur der Partei ist der Jurist, Unternehmer und Justizminister Dr. Christoph Blocher. Der 67-Jährige wirkt nicht wie ein Volkstribun, eher wie ein leutseliger Grossbauer. Ihm vertrauen viele, die der globalisierten Welt misstrauen.
Blocher ist Demokrat. Die demokratischen Möglichkeiten reizt er aber bis an die Schmerzgrenze aus. Auch und gerade als Justizminister. Dem Milliardär stehen außerdem finanzielle Mittel zur Verfügung, wie sie andere, etwa die oppositionellen Grünen und die Sozialdemokraten, nicht haben. Blocher ist nicht Berlusconi, Blocher ist nicht Le Pen und auch nicht Jörg Haider. Er ist bloß erfolgreicher als sie alle.
Geschickt nützen Christoph Blocher und die SVP alle diese Möglichkeiten. Die Bewegung verschmilzt allmählich mit dem Selbstverständnis vieler Schweizer, auch wenn sie der Blocher-Partei nicht angehören, ja sie nicht einmal wählen. Sie dulden sie augenzwinkernd und sind im Grunde genommen ganz froh, dass es sie gibt. Das macht die Blocher-Partei auch ohne Blocher so erfolgreich. Und so gefährlich.
Fred David, 57, lebt und arbeitet als Journalist und Publizist in St. Gallen in der Schweiz. Er war u. a. "Spiegel"-Redakteur im Ressort Politik, schrieb für die "Berliner Zeitung" , "Leipziger Volkszeitung" und "Wirtschaftswoche", war viele Jahre Deutschland-Korrespondent der "Weltwoche", Zürich und von "Profil", Wien. In Zürich leitete er als Chefredakteur die größte Wirtschaftszeitung des Landes, CASH". Sein jüngstes Buch: "Im Club der Manager"/Die Geheime Welt der Privatbankiers (Hoffmann und Campe).

Fred David© privat