"Was ich weiß, macht mir heiß"

Von Christian Lindner · 16.09.2008
Er war einer der profiliertesten konservativen Publizisten der Nachkriegszeit und eine Wiener Institution: Friedrich Torberg. Mit dem Roman "Der Schüler Gerber hat absolviert" wurde er in jungen Jahren schnell bekannt, musste dann - er stammte aus einer deutsch-jüdischen Prager Familie - während der Nachkriegszeit emigrieren und kam erst Anfang der 50er Jahre wieder nach Europa zurück, nach Wien.
Er war "der" Torberg und, wie er selber zu Lebzeiten prophezeite, der "mutmaßlich letzte deutsch-jüdische Schriftsteller". Zwar hat Friedrich Torberg sich nicht den literarischen Rang erschreiben können, den seine österreichischen Landsleute und Zeitgenossen wie Robert Musil, Karl Kraus, Alfred Polgar, Stefan Zweig oder Joseph Roth heute in der Literaturgeschichte genießen, aber Torberg gehörte durchaus in ihre Reihe und war, wie ein späterer Biograph schrieb, in der zweiten Klasse der erste - zum Beispiel in seinen witzig-aggressiv-sarkastischen Glossen und Pamphleten einer der besten Schüler von Karl Kraus, gemäß seinem Lebensmotto:

"Was ich weiß, macht mir heiß."

Geboren wurde Friedrich Torberg am 16. September 1908 in Wien als Sohn eines jüdischen Fabrikbesitzers. Der junge Torberg hatte es nicht leicht und machte es sich manchmal auch schwer. Er rasselte durchs Abitur und revanchierte sich als 21-Jähriger mit dem Roman "Der Schüler Gerber hat absolviert", eine Auseinandersetzung mit den Zwängen eines autoritären Schulsystems, dem der junge frühreife Romanheld zu widerstehen versucht; am Ende erstickt er aber an seiner Verzweiflung. Torberg selber hatte sich jedoch mit dem 1930 erschienenen Buch frei geschrieben.

"Ich hatte das Glück, dass gleich mein erster Roman ein Erfolg wurde, und damals konnte man vom Erfolg eines Romans doch noch ganz gut leben. Der Roman hat damals eine Auflage von 15.000 Exemplaren im Deutschen gehabt und wurde im Verlauf eines Jahres in acht oder neun Sprachen übersetzt, das war doch schon ganz schön anständig."

Neben Wien hatte Torberg damals Prag, den ursprünglichen Heimatort des Vaters, als Wohn- und Arbeitsplatz entdeckt. Kurz darauf verlor er beide Orte und floh vor den Nationalsozialisten über die Schweiz, Frankreich und Portugal nach Amerika.

"Ich wusste, dass ich Jude war. Ich habe Hitler dazu nicht gebraucht."

In Hollywood schlug er sich als Drehbuchautor für zweitrangige Filme durch, die dann noch nicht einmal gedreht wurden, er schrieb aber auch Romane und Erzählungen wie "Mein ist die Rache". Ob er sich nun, wegen der angenommenen amerikanischen Staatsbürgerschaft, als amerikanischer Schriftsteller fühle, wurde Torberg gefragt.

"Nein, als europäischer. Der Sprache nach: ein deutscher. In Bezug auf Herkunft, Tradition und literarischer Zugehörigkeit: als österreichischer. Auf Grund der sittlichen Fundamente, denen ich mich verpflichtet fühle: als jüdischer."

1951 kehrte Friedrich Torberg nach Wien zurück. Er hatte keine andere Wahl:

"Weil ich in Wien in begrenztem Maße zu Hause bin."
Sehr schnell wurde Torberg eine Institution. Er redigierte die Zeitschrift "Forum", schrieb Theaterkritiken für österreichische und deutsche Zeitungen und machte sich besonders einen Namen als Brecht-Hasser. Einen Reaktionär beschimpften ihn manche. Robert Neumann prägte das Bonmot:

"Ich fürchte, er verspeist zu jedem Frühstück einen Kommunisten wie andere Leute ein weiches Ei."

"Was ich dagegen habe, ist diese merkwürdige Sprachregelung, dass konservativ zu sein beinahe als Manko gilt. Es wird von der Phrasologie unserer Tage zwischen konservativ und reaktionär kein Unterschied gemacht. Wenn man mir verspricht, dass man konservativ nicht mit reaktionär gleichsetzt, dann habe ich gegen diese Bezeichnung nichts."
Hinter Torbergs konservativen, immer witzig-ironischen Volten und Reaktionen nach der Devise -

"voreingenommen wie ich bin" -"

verbarg sich zugleich tiefe Melancholie. Er war letztlich als deutsch schreibender österreichischer Jude ein Heimatvertriebener und konnte als solcher über alle möglichen Formen der Heimatvertreibung in seinem Werk sprechen. Weil die alte Welt, aus der er gekommen war, nicht mehr existierte, schrieb er sie in seinen Büchern noch einmal herbei, als Beweis für die Bedeutung der jüdischen Tradition für die deutsche Kultur. Ein Roman über den jüdischen Minnesänger Süßkind von Trimberg, eine Figur, von der viele glauben, Torberg habe sie erfunden, war ausdrücklich angelegt als "Epitaph dieser deutsch-jüdischen Kultursymbiose", fand aber bei der Kritik auch als Konstrukt einigen Widerspruch. Mehr Erfolg hatte er mit dem Buch "Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten" und dem Folgeband "Die Erben der Tante Jolesch", beide in den 70er Jahren erschienen; sie brachten es sogar auf Bestsellerlisten.

An öffentlichen Ehrungen wie der Verleihung des Großen Österreichischen Literaturpreises hat es nicht gefehlt. So waren Torberg trotz widriger Zeit- und Lebensumstände viele Wünsche in Erfüllung gegangen. Einen besonderen Wunsch, 1942 im amerikanischen Exil in dem Gedicht "Sehnsucht nach Altaussee" formuliert, hatte er sich selber erfüllt - neben seiner Wiener Wohnung besaß er ein Domizil in Altaussee. Bei allem äußeren Erfolg, der nicht zuletzt genährt wurde durch sein Umstrittensein als streng konservativer Publizist, wusste er und notierte es in einem Gedicht:

" "Wo ich auch gehe, / flattern die dunklen Gewänder der Toten um mich."

Gestorben ist Friedrich Torberg am 10. November 1979. Seinen Tod, hatte er sich gewünscht, sollten "möglichst viele Nichtjuden" als Verlust begreifen:

"ob trauernd oder aufatmend, ist mir gleichgültig, sie sollen nur merken, dass etwas zu Ende gegangen ist, wofür sie keinen Ersatz haben."