Was hört die Partei?

Welche Politik mag welchen Sound?

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Hermann Gröhe, Generalsekretär der CDU bei einem Tänzchen
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Hermann Gröhe, Generalsekretär der CDU bei einem Tänzchen © imago stock&people
Martin Böttcher im Gespräch mit Moderator Stephan Karkowsky · 11.08.2017
Zur Bundeswahl ist dem Streaming-Anbieter Deezer eine tolle Idee gekommen: Die dortigen Redakteure haben nachgefragt, welche Parteien welche Musik hören. Herausgekommen sind dabei gleich mehrere Politik-Soundtracks. Unser Experte hat ein Ohr gewagt.
Der Streamingdienst Deezer führt eher ein Schattendasein, denn er hat sehr viel weniger Nutzer als zum Beispiel der Wettbewerber Spotify. Jetzt aber hat Deezer einen kleinen Coup gelandet: die großen Parteien mit Ausnahme der AfD präsentieren dort ihre eigenen Playlisten – also die Songs, die die jeweilige Partei am besten beschreibt, den "Soundtrack zur Wahlkampagne", den "Lieblingssong der Parteivorsitzenden" usw.

Entstanden sind diese Kategorien auf der Grundlage von 17 Fragen. Also die CDU, die SPD, die Linken, die FDP und die Grünen mussten die Fragen mit mit jeweils einem Song beantworten. Aus den Antworten wurden dann diese Playlisten zusammengestellt.
"Es gibt scon ein paar Überraschungen", urteilt der Deutschlandradio-Musikredakteur Martin Böttcher. Zum Beispiel habe die SPD auf Rang drei ihrer Charts den Song "Unfuck the World" von den Prophets of Rage. Die großen Fragen über die Playlists lauten: Was verraten die Parteien in diesen Songs über sich selbst? Wie ernst ist das zu nehmen? Und was für Geschmacksverirrungen sind zu beobachten?

CDU

Bei der CDU darf in der Playliste nicht fehle: Die Nationalhymne
"Siehe da: ein Alleinstellungsmerkmal! Das hat sich keine Partei getraut, hätte wohl auch bei keiner gepasst: die Nationalhymne als Musik zu wählen, die am besten die Partei beschreibt – außer bei der AfD. Die aber ist in der Playlisten-Umfrage gar nicht dabei, sie gelte nicht als etablierte Partei – und passt wohl auch nicht zur 'Musik ist bunt'-Kampagne von Deezer." (Martin Böttcher)

SPD

Mit dabei bei der SPD: Die Sportfreunde Stiller und "Auf der guten Seite"
"Das ist natürlich eine extrem langweilige Auswahl. Aber ich finde, dass es passt. In ihrer Harmlosigkeit entsprechen die bayrischen Sportis dem Wahlkampf der SPD und in ihrer Schunkeligkeit wohl auch der derzeitigen Geschwindigkeit des Schulz-Express. Von daher: Alles richtig gemacht, aber so gewinnt man keine Wahl! Ansonsten ganz interessant: ein kleiner Seitenhieb in Richtung CDU, der Song, der laut SPD die Stimmung abstürzen ließe: "Angie" von den Rolling Stones. Und auch noch auffällig bei der SPD: Die Mischung aus Alt und Neu: Beatles, Stones und Drafi Deutscher für den Traditionswähler, Die Fantastischen Vier und Deichkind für die Berufsjugendlichen." (Martin Böttcher)

Grüne

Nicht fehlen dürfen bei den Grünen natürlich Ton Steine Scherben und ihr "Schritt für Schritt ins Paradies"
"Claudia Roth, langjährige Parteivorsitzende, war ja in ihrem früheren Leben Managerin von Ton Steine Scherben, bis die Band sich wegen finanzieller Probleme auflöste. So gesehen ist das nicht sehr überraschend, dass die Grünen sich mit 'Schritt für Schritt ins Paradies' am besten beschrieben sehen. Einen Song für die Fahrradfahrer haben die Grünen natürlich auch in ihrer Playlist - 'Bicycle Race' von Queen - und - vielleicht als Botschaft an die queer-lesbische Fraktion - Beth Ditto." (Martin Böttcher)

FDP

Mit dabei bei der FDP: Geier Sturzflugs "Pure Lust am Leben"
"All diesen Listen merkt man an, dass Sie im Wahlkampf zusammengestellt wurden. In jedem Song steckt eine Botschaft, mit denen die eigene Klientel angesprochen werden soll. Gleichzeitig kann man da schön den Spagat beobachten: modern und up to date erscheinen, ohne den Traditionswähler zu verschrecken. Einen über 30 Jahre alten Song als den auszuwählen, der die eigene Partei am ehesten beschreibt, dass ist dann schon mutig, vor allem vor dem Hintergrund, dass Christian Lindner doch eigentlich sagt, man solle nicht zurück, sondern nach vorne blicken." (Martin Böttcher)

Linke

Mit dabei in der Liste der Linken Tocotronics "Im Zweifel für den Zweifel"
"Tocotronic mit 'Im Zweifel für den Zweifel'. Eine schlaue Band, eine nachdenkliche Band, eine, die den Status Quo nicht wirklich mag und auch schon Songs wie 'Hier leben, nein danke' gemacht hat. Der würde aber nicht so gut ankommen, deshalb im Zweifel also für 'Im Zweifel für den Zweifel'. Ach ja: der Song, der die Wahlkampagne der Grünen am besten beschreibt, soll "Harder, Better, Faster, Stronger" sein. Hier ist vielleicht eher der Wunsch Vater des Gedanken." (Martin Böttcher)
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