Was hören Pinguine?

Ruhe war gestern

06:36 Minuten
Touristen fotografieren einen Pinguin in der Antarktis.
Pinguine haben kein Außenohr. Forscher vermuten aber, sie können leise wie sehr laute Umweltgeräusche über und unter Wasser wahrnehmen. © imago/Aurora Photos/Andrew Peacock
Von Peter Kaiser · 28.02.2019
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Schiffsmotoren, 46.000 Touristen pro Jahr, Unterwasserbohrungen - permanent sind Pinguine in der Antarktis von Geräuschen umgeben. Aber was macht dieser Lärm mit den Tieren? Das Forschunngsprojekt „Hearing in Penguins“ soll Antworten geben.
"Also hier kann man ein Küken hören, das fressen möchte, und hier ein Adult, der singt. Man hört verschiedene Tiere, manchmal singen sie gleichzeitig, aber meistens singen sie alleine."
Langsam fährt der PC-Cursor über die Aufzeichnungen der Esels-, Zügel- und Adéliepinguine, die der französische Ornithologe Michael Beaulieu vor wenigen Wochen in der Antarktis gemacht hat. Michael Beaulieu ist der Koordinator des deutsch-dänischen Forschungsprojektes "Hearing in Penguin". Dabei geht es sowohl um das Hörvermögen der Pinguine, als auch generell um die immer lautere Meeresumwelt.

"Wo es Menschen gibt, ist es auch laut"

"Wie ich beobachtet habe in der Antarktis, gibt es viele Touristen, die mehr und mehr jedes Jahr in die Antarktis reisen, und wo es Menschen gibt, ist es auch laut. Es sind nicht nur Touristen, auch die Schiffe sind sehr laut. Deshalb ist es jetzt wichtig zu wissen, wie können die Tiere eine lautere Umwelt ertragen? Und wie sie dann hören können?"
Wie alle Vögel haben Pinguine kein Außenohr, dennoch – so vermuten die Forscher – sind sie wohl in der Lage, leise wie sehr laute Umweltgeräusche über und unter Wasser wahrzunehmen. Doch über ihre Hörfähigkeiten ist konkret noch kaum etwas bekannt. Aber es geht nicht nur darum, sagt Diana Meyen, Presse-sprecherin des Stralsunder Ozeaneum. Das Meeresmuseum ist am Forschungsprojekt beteiligt.


"Pinguine sind in dem Fall jetzt Stellvertreter in erster Linie für tauchende Vögel, aber eben letztendlich für die ganze Unterwasserfauna, denn wir wissen sehr wenig über die Auswirkung von Unterwasserschall. Fakt ist, dass wir Menschen sehr viel Lärm im Meer verursachen, sei es durch Schiffsverkehr, sei durch seismische Untersuchungen, Bohrungen, militärische Eingriffe und ähnliches."
Eselspinguine in der Antarktis 
Zum Lärm der Touristen, die per Schiff anreisen, kommen noch Unterwasserschallkanonen.© imago/blickwinkel/McPhoto/Michael DeFreitas

Der Unterwasserlärm in der Antarktis hat sich vervielfacht

Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich der Unterwasserlärm in der Antarktis vervielfacht. Zu den Verursachern zählen die mehr als 46.000 Antarktistouristen pro Jahr, mit steigender Tendenz. Zum Lärm der Touristen, die per Schiff anreisen, und dann mit Zodiacs, Hochsee-Schlauchbooten, Erkundungen durchführen, kommen noch die sogenannten Airguns, Unterwasserschallkanonen, die zur seismischen Suche nach Erdöl eingesetzt werden. Eine solche Kanone erzeugt einen Schalldruck von mehr als 220 Dezibel, und ist damit doppelt so laut wie ein startendes Verkehrsflugzeug.
"Deshalb arbeiten wir mit verschiedenen Arten, mit Humboldt- und Eselspinguinen. Weil, jede Art hat bestimmte Charakteristiken, und das ist zu erwarten, dass sie nicht ähnlich hören können. Zum Beispiel die Kaiser-Pinguine können viel tiefer tauchen als die Humboldt-Pinguine. Und man kann erwarten, dass sie Anpassungen haben beim Hören, wenn sie unter minus 400 Meter sind."


Schon seit geraumer Zeit trainieren die Forscher die Humboldt-Pinguine, die im Ozeaneum leben. Dabei müssen die Tiere bei verschiedenen Schallquellen unterschiedlich agieren.
"Damit sie uns sagen können, wann sie etwas hören. Und wir machen das in der Luft, und unter Wasser. Und dann gibt es die Arbeit in der Wildnis, wo wir wissen wollen, welche Geräusche sie tatsächlich hören in ihrer Umwelt. Um zu vergleichen, was sie hören in der Gefangenschaft, mit was sie hören in der Natur."
Tierpflegerin Anne May füttert die Pinguine im Ozeaneum in Stralsund.
Tierpflegerin Anne May füttert die Pinguine im Ozeaneum in Stralsund.© picture alliance/dpa/Foto: Stefan Sauer

Wie reagieren Pinguine auf Geräusche?

Doch was genau richtet der Lärm an? Erste Forschungsergebnisse lassen im wahrsten Sinne des Wortes "aufhorchen", sagt Projekt-leiter Michael Dähne vom Deutschen Meeresmuseum in Stralsund.
"Unsere ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass Pinguine unter Wasser sehr gut hören können, beziehungsweise zu mindestens ihr Gehör auch bei großen Tiefen immer noch aufrechterhalten können. Und dementsprechend auf ihr Gehör auch in irgendeiner Weise angewiesen sein werden.
Zusätzlich führen unsere Kollegen in Dänemark Experimente durch, wo die Pinguine mit einem Schallsignal bespielt werden, ein sogenanntes Playback-Experiment. Und in diesem Playback-Experiment zeigt sich, dass sie dieser Schallquelle zu mindestens ausweichen, das heißt, sehr wahrscheinlich haben sie direktionales Hören, sie können die Richtung zu einem Signal ermitteln. Und sie haben die Tendenz, diesem Signal auszuweichen."
Eben dieses Ausweichen wird vermutlich die gleichen fatalen Folgen haben wie…
"…die Meeressäugetiere kommen von ihren Wanderrouten ab, mitunter werden Mutter und Kalb voneinander getrennt, finden sich vielleicht nie wieder."

Meerestiere ändern ihre Kommunikation

Die Forscher haben nicht nur das Hören, sondern auch die Kommunikation der Pinguine untersucht. Um ein exaktes Geräusche-Inventar der Pinguinrufe in der Antarktis zu erstellen, waren immer drei Personen nötig, berichtet Michael Beaulieu. Er selbst mit dem Mikrofon, sowie ein Kollege neben ihm, der den Anlass für die bestimmte Lautart notierte. Also Annäherung oder Spiel etwa. Der dritte Kollege fotografierte.
"Wenn es zu laut ist, können sie nicht mehr singen. Und das kann man auch erwarten für Meerestiere, dass sie ihre Kommunikation ändern wegen der Geräusche im Meer."
Es scheint also vieles dafür zu sprechen, dass Pinguine wie Wale oder Delphine auch unter Wasser sehr gut hören können. Die Forschungsergebnisse des Projektes "Hearing in Penguins" werden vielleicht helfen, etwas mehr Rücksichtnahme für die Tierwelt im Meer zu entwickeln.
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