Was heißt denn hier und heute "politically correct"?

Moderation: Peter Lange · 20.04.2012
Seit den 1980er-Jahren wird mit dem Begriff "political correctness" (Abk. pc oder PC) die Absicht umschrieben, der Diskriminierung von Minderheiten sprachlich entgegenzuwirken. Ob "pc" nun sprachliche Sensibilität fördert oder Gesinnungsterror verbreitet, darüber stritten in Neuhardenberg u.a. Renate Künast (Grüne), die Kabarettistin Maren Kroymann, Schriftsteller Thomas Brussig sowie der Sprachwissenschaftler Jürgen Schiewe.
Seit den 1980er-Jahren wird mit dem Begriff "political correctness" (Abk. pc oder PC) die Absicht umschrieben, der Diskriminierung von Minderheiten sprachlich entgegenzuwirken.

Sinti und Roma statt Zigeuner, Förderschüler statt Lernbehinderte: in bester Absicht und aus gutem Grund haben "politisch korrekte" Bezeichnungen Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden. Widerstand formiert sich jedoch längst nicht allein auf Seiten von Konservativen, die sich in der Ablehnung linker Antidiskriminierungsbemühungen einig sind.

"Multi-kultureller Joghurt. In amerikanischen Universitäten greift ein neuer Sprach-Terror um sich", wusste die Süddeutsche Zeitung bereits 1991 aus dem Ursprungsland der political correctness zu berichten.

Ob "pc" nun sprachliche Sensibilität fördert oder Gesinnungsterror verbreitet, darüber stritten in Neuhardenberg Persönlichkeiten, denen pc-gemäßes Denken und Sprechen am Herzen oder auf der Seele liegen:

- Renate Künast, Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen;
- Maren Kroymann, Kabarettistin und Schauspielerin;
- Prof. Dr. Jürgen Schiewe, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Mitglied der Jury "Unwort des Jahres";
- und der Schriftsteller Thomas Brussig.

Die Gesprächsleitung hatte Deutschlandradio Kultur-Chefredakteur Peter Lange.

So forderte die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, eine neue Begrifflichkeit für Deutsche, deren Eltern im Ausland geboren wurden. "Migrationshintergrund ist ein Mangelbegriff", sagte Renate Künast. Der weise darauf hin, es gebe Einzelne, "die brauchen eine Einzelförderung". Das sei aber bei Weitem nicht so. Einige "laufen mit dem Einser-Abitur hier rum". Ein besserer Ausdruck wäre "Menschen aus bildungsfernen, sozialschwachen Schichten". Die bräuchten jetzt vom Staat durch eine gute Infrastruktur Unterstützung, "egal was ihr Uropa war oder nicht".

Die Veränderung der Sprache und des Sprechens könne auch eine Veränderung des Denkens bewirken, meinte Prof. Dr. Jürgen Schiewe. Das Mitglied der Jury "Unwort des Jahres" von der Moritz-Arndt-Universität Greifswald betonte frei nach Wilhelm Humboldt, "dass es einen engen Zusammenhang zwischen Sprache, Denken und Wirklichkeit gibt".

Politisch korrekte Sprache genüge aber nicht. Im Land der politischen Korrektheit, den USA, seien die Städte für Behinderte trotzdem nicht so gut ausgebaut wie in Deutschland, entgegnete Schriftsteller Thomas Brussig.