Was hat Rüttgers mit der Kultur vor?

Von Volker Wagener |
Das Thema Kultur kam im NRW-Wahlkampf nicht vor und wird auch erst am Schluss der Koalitionsgespräche auf den Tisch kommen. Im Positionspapier der Union heißt es, man wolle sich in dieser Hinsicht nicht mehr den Gesetzen der "ökonomischen Plausibilität" beugen.
Kultur fand gar nicht statt. Nicht im Wahlkampf und jetzt - zu Beginn der Koalitionsgespräche - auch nicht. Arbeit, Wachstum, Bildung: Alles ist wichtiger für Nordrhein-Westfalen als Diskussionen um Kulturetats. Selbst der Posten des neuen Kulturministers ist ein auffällig hinterrangiges Thema. Unter Rot-Grün fand sich die Kultur in einem "Allerlei-Ministerium" an der Seite von nicht einmal artverwandten Ressorts wie Städtebau, Wohnen und Sport wieder.

Als Kandidat für ein wie auch immer zugeschnittenes Kultusamt gilt seit langem schon Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, derzeit noch Kulturdezernent der Landeshauptstadt Düsseldorf. Er gilt als kompetent und durchsetzungsfähig. Und - so lobte ihn erst vor wenigen Tagen die "FAZ": Er hält die Balance zwischen Schöngeistigkeit und Machtbewusstsein. Aufhorchen ließ sein Public-private-partnership-Modell zwischen dem Energieriesen Eon und der Stadt. Gut möglich, dass die Kultur als Name an einem Ministertürschild gar nicht auftaucht. Denkbar wäre ja, Kultur zur Chefsache zu machen, was wiederum die Frage aufwirft: Was hat Jürgen Rüttgers mit der Kultur vor?

Immerhin hat Nordrhein-Westfalen von allem, was unter Kultur firmiert, am meisten: 22 Stadttheater, vier Landesbühnen, 40 Privattheater und ungezählte freie Kulturanbieter. Hinzu kommen 621 Museen. Insgesamt nennen sich im Bindestrichland 30.000 Menschen Künstler. Paradiesische Verhältnisse also für das Schöne, Gute, Wahre. - Aber halt
Der Tanker in der Flotte der Bundesländer gibt pro Kopf gerade Mal 14,64 Euro für Kultur aus. Bei 41,86 Euro liegt der Bundesschnitt. Zahlen aus dem Jahre 2003. Was die CDU jetzt konkret vorhat, ist bis jetzt kaum deutlich geworden. Mehr als in anderen Bundesländern ist Kultur in NRW vorrangig eine städtische Angelegenheit. Der Gestaltungsspielraum für die Landesregierung ist eng, als Moderator zwischen benachbarten Städten aufzutreten, wäre eine Aufgabe für die neue Landesregierung, um unnötige Konkurrenz zu vermeiden. Allein schon aus Kostengründen.
Bemerkenswert in dem zehnseitigen Positionspapier der Union ist Rüttgers ausdrückliche Verwerfung einer Kulturpolitik, die vorrangig nach den Gesetzen der "ökonomischen Plausibilität" funktioniert.

Die CDU will nun den Landeskulturhaushalt von derzeit 70 auf 140 Millionen Euro verdoppeln. Das hat Rüttgers schon vor Monaten angekündigt. Das zusätzliche Geld soll unter anderem bei den Kohlesubventionen abgezweigt werden. Die CDU im Westen will wieder eine Qualitätsdiskussion über Kultur führen. Die Rot-Grüne Kulturpolitik, so Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, "sei völlig beliebig (gewesen). Alles wird mit wenig Geld gefördert", monierte er noch vor dem Machtwechsel. Im CDU-Papier zur Kulturpolitik heißt es stattdessen:

" Es geht um die Rückgewinnung unserer Kultur mit ihren nicht dem Belieben anheim gestellten Idealen der gewissenhaften Freiheit, des Rechts, der Vernunft, der Menschenwürde. Es gibt Werte, die allgemeine Anerkennung verlangen."

Dennoch: Trotz großer und deutlicher Worte wird das Thema Kultur erst am Schluss der Koalitionsgespräche auf den Tisch kommen.
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