Was ein Soldat im Irak-Krieg empfindet

Von Dorothée Berendes |
Den Irak-Krieg hat Sean Huze selbst als Soldat miterlebt. Der Schauspieler aus L.A. meldete sich freiwillig für den Militärdienst. Seine Erfahrungen an der Front verarbeitete er in dem Theaterstück „Sand Storm“, das in dem kleinen Theater „MetroStage“ in der Nähe von Washington Premiere hat. Es ist kein leicht verdauliches Stück.
Sean Huze: " Ich denke, die Erfahrung im Krieg zu sein und mit dem Tod konfrontiert zu sein verändert Sie für immer. Ich denke, die meisten Leute würden das nicht bezweifeln. "
Was Sean Huze im Irak während der Invasion erlebte, konnte er nicht vergessen. Zwischen März und Mai 2003 war er in Nasirya, Tikrit, Al Kut und Bagdad, offiziell als Reserveoffizier der Marine, doch im Irak war er direkt an der Front.

Über die grausamen Erinnerungen spricht er ungern. Stattdessen hat er seine Erfahrungen zu Papier gebracht und ein 70-minütiges Theaterstück geschrieben. Das Ergebnis: in 10 Monologen, die von verschiedenen Schauspielern vorgetragen werden, enthüllt Huze wie es ihm, seinen Kameraden und der Zivilbevölkerung im Irak ergangen ist:

Ausschnitt des Theaterstücks: " Just before daybreak we got ... The situation there had gone from bad to worse and we were in ... to clean up the mess, ambush alley is a strip we had to roll into and as I sat there waiting for the order to move I felt like I had to throw up but I fought it back.“

Die Bühnendekoration wurde absichtlich spärlich gehalten. Es gibt nur einen Tisch und einige Stühle. Die zehn Schauspieler schlüpfen in die Rolle der Soldaten, die im Irak unvorbereitet in extremen Situationen ums Überleben kämpfen.

Ausschnitt aus dem Theaterstück: " Have you ever faced your own mortality? I don't mean in some general sense like we all know one day we are going to die. I am talking about feeling like it was imminent like within the hour or at most a day knowing you're placing yourself in harms way. This is not a natural act. "

Sean Huze war überzeugt, einer guten Sache zu dienen, als er in den Krieg zog, doch bald änderte er seine Meinung:

" Es waren nicht meine Erfahrungen an der Front, die meine Meinung änderten, sondern das Fehlen von Massenvernichtungswaffen, was eine Rechtfertigung für den Krieg war.“
Als Sean Huze wieder zu Hause in Kalifornien war, fühlte er sich von der Bush-Regierung betrogen, benutzt und missachtet. Er empfindet es als Hohn, dass es auf der einen Seite jeden Tag Nachrichten über gefallene Soldaten und Zivilisten im Irak gibt, die Bush-Regierung aber seiner Ansicht nach unwillig ist, etwas dagegen etwas zu tun.

Sean Huze: " So denke ich darüber. Wir sind doch ein Witz. Die Bush-Regierung hat uns belogen. Sie hat uns manipuliert. Sie hat uns in einen Krieg hereingezogen, der bis jetzt 2000 amerikanischen Soldaten das Leben gekostet hat und Tausenden irakischen Zivilisten. Präsident George Bush ist ein Mörder. Er sollte dafür verantwortlich gemacht werden und entsprechend behandelt werden.“

In Sean Huzes‘ autobiographischem Stück geht es sehr emotional und dramatisch zu und er benutzt immer wieder die fünf Sinneswahrnehmungen des Menschen, um darzustellen was er erlebt hat: Was also sieht, schmeckt, riecht, fühlt und hört man im Irak-Krieg.
Da ist der Macho und starke Kerl, der an dem Geruch von brennenden Menschenfleisch zerbricht. Da gibt es den College-Studenten, der im Wahn einen zerfetzten Fuß herumträgt.

In einem anderen Monolog schildert der Fahrer eines Konvois, wie er unter der Gasmaske fast erstickte, beschreibt die unerträgliche Hitze, den Durst und die schlechte Logistik und fantasiert, das Feuergefecht vor ihm sei eine Fata Morgana.
Wenig später erscheint ein Ehemann und Familienvater auf der Bühne, der in Briefen an seine Frau und Kinder die Lage verharmlost, doch in Wirklichkeit wäre er im erbitterten Kampf um Nasirya fast umgekommen.

Ausschnitt aus dem Theaterstück: " I don't know if it is courage either but it's something and as I was dealing with it the night before we hit Nasirya the war was coming down and we were going in some time between night to dawn. It was a mess and Nasirya had already got the nickname dodge city.“

„The Sand Storm“ ist kein leicht verdauliches Theaterstück. Sean Huze, selbst Schauspieler und Autor des Stücks, verzichtet auf eine direkte Kritik der Bush-Administration. Stattdessen kreist er immer wieder um die Themen Tod, Gewalt, Erniedrigung und beschreibt sehr anschaulich wie die Soldaten im Irak damit umgehen und zu Hause damit fertig werden oder nicht.

Das Publikum schien nach der ersten Vorstellung betroffen von der geballten Ladung Erfahrung an der Front im Irak.

Besucher des Theaterstücks:

" Es ist sehr ähnlich wie in Vietnam – nämlich ein Guerilla-Krieg. Es sieht so aus, als ob wir uns mehr Feinde schaffen als umbringen.“

In seinem Theaterstück „The Sand Storm“ beschreibt Autor Sean Huze eindrucksvoll und sehr emotional die Erfahrungen der Soldaten an der Front. Doch darüber hinaus setzt er sich nicht mit den politischen oder wirtschaftlichen Folgen des Krieges auseinander, das macht er lieber in persönlichen Gesprächen. Sein Stück ist nicht anti-militärisch zu verstehen, auch wenn er selbst die Marine und den Militärdienst für immer verlassen hat, wie er sagt.

Dennoch sucht Sean Huze die Diskussion mit den Zuschauern. Nach der Aufführung wurde das Publikum aufgefordert, Fragen zum Stück zu stellen und die kritische Auseinandersetzung mit dem Irak-Krieg ging noch lange weiter.

Service:

Das Stück „The Sand Storm“ wird vom 17. August bis 25. September 2005 in dem kleinen Theater MetroStage in der Nähe von Washington statt.