Warum wir so viel falsch machen
Wie sehr irren meschlich ist, zeigen die beiden Wissenschaftler in diesem sehr unterhaltsamen und kurzweiligen Sachbuch. Ganz nebenbei lernt man so wie menschliches Denken funktioniert und wie man das eigene Denkorgan besser nutzen kann.
1859 wurde das Europäische Wildkaninchen nach Australien verschifft - den Jägern zum Vergnügen. In nur fünfzig Jahren nahmen die Tiere riesige Gebiete ein, fraßen einheimischen Arten das Futter weg und ließen ganze Wälder verschwinden. In ihrem Buch "Fallstricke - Die häufigsten Denkfehler in Alltag und Wissenschaft" demonstrieren der Kognitionsforscher Ulrich Frey und sein Bruder, der Autor Johannes Frey, auf eindrückliche Weise: Unlogisches oder fehlerbehaftetes Verhalten ist keineswegs eine Ausnahme, sondern die Regel menschlichen Verhaltens.
Die Autoren berichten von Architekten, die ein Parkhaus für Wohnmobile errichteten und die Einfahrt zu niedrig bauten. Ärzte raten ihren Patienten zu einer Krebstherapie, wenn sie darüber informiert wurden, dass die Überlebensrate erfreuliche 80 Prozent beträgt. Sagt man ihnen, die Therapie sei mit einer enormen Sterberate von 20 Prozent behaftet, raten sie dringend davon ab. 1999 wurde eine Marssonde für 300 Millionen Dollar gebaut. Sie verglühte im All, weil eines ihrer Software-Module metrisch, das andere nach angloamerikanischem Maßsystem rechnete.
Aus Fehlern lernt man, heißt es. Doch genau das ist nicht der Fall, beweisen die Autoren, denn unsere Fehleranfälligkeit hat ihre Wurzeln in den Tiefen der Evolution. Auf schnelles, rasches, selbstbewusstes Handeln ist der Mensch geeicht - und in der freien Wildbahn der Altsteinzeit funktionierte das prima.
In den Lebenszusammenhängen der Moderne jedoch führt unser evolutionäres Erbe eine ganze Systematik des Irrens herbei, wie die Autoren Kapitel um Kapitel herausarbeiten: Wir ziehen es vor, auf Informationen zu verzichten, weil es sich so leichter arbeiten lässt - und verzichten in der Wissenschaft auf Experimente, die zwingend notwendig wären, um Hypothesen abzusichern. Wir rücken komplexen Thematiken mit simplen, linearen Lösungen zu Leibe - hier kritisieren die Autoren die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen und den Glauben an die technische Beherrschbarkeit der Atomkraft. Wir handeln lieber schnell und falsch als langsam oder gar nicht. Die beste Maßnahme zum Schutz großer Wälder vor Bränden, so belegen die Autoren, wäre tatsächlich, die Wälder in Ruhe zu lassen. Vor allem lieben wir einmal gefasste Theorien. Selbst schlagende Gegenbeweise bringen uns in Alltag und Wissenschaft von einer lieben Meinung nicht ab.
Ulrich und Johannes Frey haben ihr Buch mit plastischen Beispielen, etlichen Abbildungen und einer Prise Humor angereichert. Am Ende zeigen sie auch Wege aus dem Dilemma auf: Wichtig sei, Fehler stets für wahrscheinlich zu halten. In der Wissenschaft gelte es, mit statistischen Absicherungen, Doppelblindversuchen und Computersimulationen zu arbeiten, die der vollen Komplexität einer Materie Rechnung tragen. Für den Alltag geben die Autoren Entwarnung: Gerade unser Hang zum Vereinfachen macht uns im täglichen Leben so handlungsfähig.
Leider ist das Buch passagenweise recht umständlich geschrieben. Ein etwas strengeres Lektorat wäre den Autoren zu wünschen gewesen, um den Sprung von der Forschung in die Populärwissenschaft ganz gelingen zu lassen.
Besprochen von Susanne Billig
Ulrich und Johannes Frey: Fallstricke, Die häufigsten Denkfehler in Alltag und Wissenschaft
Verlag C.H. Beck, München 2009
240 Seiten, 12,95 Euro
Die Autoren berichten von Architekten, die ein Parkhaus für Wohnmobile errichteten und die Einfahrt zu niedrig bauten. Ärzte raten ihren Patienten zu einer Krebstherapie, wenn sie darüber informiert wurden, dass die Überlebensrate erfreuliche 80 Prozent beträgt. Sagt man ihnen, die Therapie sei mit einer enormen Sterberate von 20 Prozent behaftet, raten sie dringend davon ab. 1999 wurde eine Marssonde für 300 Millionen Dollar gebaut. Sie verglühte im All, weil eines ihrer Software-Module metrisch, das andere nach angloamerikanischem Maßsystem rechnete.
Aus Fehlern lernt man, heißt es. Doch genau das ist nicht der Fall, beweisen die Autoren, denn unsere Fehleranfälligkeit hat ihre Wurzeln in den Tiefen der Evolution. Auf schnelles, rasches, selbstbewusstes Handeln ist der Mensch geeicht - und in der freien Wildbahn der Altsteinzeit funktionierte das prima.
In den Lebenszusammenhängen der Moderne jedoch führt unser evolutionäres Erbe eine ganze Systematik des Irrens herbei, wie die Autoren Kapitel um Kapitel herausarbeiten: Wir ziehen es vor, auf Informationen zu verzichten, weil es sich so leichter arbeiten lässt - und verzichten in der Wissenschaft auf Experimente, die zwingend notwendig wären, um Hypothesen abzusichern. Wir rücken komplexen Thematiken mit simplen, linearen Lösungen zu Leibe - hier kritisieren die Autoren die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen und den Glauben an die technische Beherrschbarkeit der Atomkraft. Wir handeln lieber schnell und falsch als langsam oder gar nicht. Die beste Maßnahme zum Schutz großer Wälder vor Bränden, so belegen die Autoren, wäre tatsächlich, die Wälder in Ruhe zu lassen. Vor allem lieben wir einmal gefasste Theorien. Selbst schlagende Gegenbeweise bringen uns in Alltag und Wissenschaft von einer lieben Meinung nicht ab.
Ulrich und Johannes Frey haben ihr Buch mit plastischen Beispielen, etlichen Abbildungen und einer Prise Humor angereichert. Am Ende zeigen sie auch Wege aus dem Dilemma auf: Wichtig sei, Fehler stets für wahrscheinlich zu halten. In der Wissenschaft gelte es, mit statistischen Absicherungen, Doppelblindversuchen und Computersimulationen zu arbeiten, die der vollen Komplexität einer Materie Rechnung tragen. Für den Alltag geben die Autoren Entwarnung: Gerade unser Hang zum Vereinfachen macht uns im täglichen Leben so handlungsfähig.
Leider ist das Buch passagenweise recht umständlich geschrieben. Ein etwas strengeres Lektorat wäre den Autoren zu wünschen gewesen, um den Sprung von der Forschung in die Populärwissenschaft ganz gelingen zu lassen.
Besprochen von Susanne Billig
Ulrich und Johannes Frey: Fallstricke, Die häufigsten Denkfehler in Alltag und Wissenschaft
Verlag C.H. Beck, München 2009
240 Seiten, 12,95 Euro